Der Friedhof, Namen und ich IV

Der Friedhof, Namen und ich

Schon als kleines Mädchen bin ich gerne auf den Friedhof gegangen. Denn Stille war mir schon immer lieber als Lärm. Außerdem gab es so viel auf unserem Waldfriedhof zu sehen. Die vielen Bäume und Blumen, den großen Brunnen mit den imposanten Löwen, die alten, reich verzierten Gräber, über die Eichhörnchen huschten und überall Namen über Namen, die ich las, während meine Familie die Gräber sauber machten. Manchmal trafen wir auch auf Verwandte, dass fand ich immer langweilig, weil die Erwachsenen immer soooo lange redeten.


Wenn wir jedoch auf Tante Gisela und Onkel Christian trafen, freute ich mich immer, denn mein Onkel hatte immer Gummibärchen dabei. Die versüßten mir die Zeit, bis wir nach Hause gingen. Heute gehe ich immer noch gerne auf Friedhöfen spazieren, wie ihr wisst, ganz ohne Gummibärchen. Wenn ich in den Ferien nach Hause fahre, laufe ich mindestens ein Mal über den Friedhof, alleine oder mit meinen Geschwistern und ich finde wirklich jedes Mal neue Namen.

Zeitlose Kombinationen

In meinem letzten Artikel hatte ich erklärt, dass es früher in meiner Heimatstadt nicht so viele Menschen mit mehreren Namen gab, aber auch vor über 150 Jahren wollten einige Eltern nicht bei einem einzigen Vornamen aufhören. Die meisten Kombinationen sind recht zeitlos: Elisabeth Karoline, Erika Franziska, Carl Philipp, Karl Joseph (mit ph, auch wenn viele ja die Schreibweise mit f bevorzugen), Maria Christina oder die sehr früh verstorbenen Zwillinge Katharina Elisabeth und Amalie Luise. Bei Ludwig Adolfs Zweitnamen würde heute viele Augenbrauen hochgehen, ich persönlich halte ihn für nicht mehr vergebbar, egal wie weltoffen und menschenfreundlich der eigene Opa Adolf war. Damals war es ein Name wie jeder andere auch. Elise Johanna finde ich dagegen besonders Babynamen-der-Woche-tauglich, Hans Valentin würde ich mir „mutig und nicht meins“ kommentieren. Die Kombination Hans-Carl hingegen finde ich sehr ungünstig und abgehackt, dass scheint aber früher einige Eltern nicht davon abgehalten zu haben, diesen Namen zu vergeben (auch mal als Hans-Karl). Mir ist er mehrere Male bei unterschiedlichen Familien begegnet. Und dann ist da noch Roberta Valerie, bei dem ich den Kontrast zwischen dem hart-herben Erst- und feminin-leichten Zweitnamen besonders krass finde. Anne Lore hätte ich persönlich Annelore geschrieben und ein H dazu gekauft. Neben diesen Namenskombinationen sind mir auch sehr ungewöhnliche Nachnamen aufgefallen, wie Fickeisen (den ich nicht mal für Geld annehmen würde), Nonnenmacher (da wüsste ich gerne die Geschichte dahinter), Morgenroth und Jordan („Ich geh mal rüber zum Jordan“ „Du gehst über den Jordan?!“).

Alle Töchter hießen Jenny

Aber auch einige Einzelnamen sind mir aufgefallen wie die 1914 geborene Lina. Ja, er ist nicht außergewöhnlich und auch wenn ich weiß, dass er früher beliebt war und heute wieder ist, habe ich noch über keine echte Lina aus dieser Zeit gelesen. Auch die 1866 geborene Emilia hat es auf meine Liste geschafft, weil mir der Name Emilie auf dem Friedhof viel öfter begegnet ist. Dann wären da noch Evelina und Julie (die ich Jul-i-je sprechen würde, wenngleich ich ein Baby aktuell Ju-li sprechen würde) und Jenny. Auch hier weiß ich, dass der Name früher häufig vergeben wurde. So hießen alle Töchter von Karl Marx mit erstem Namen so, benannt nach ihrer Mutter Johanna Bertha Julie Jenny Marx. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob Jenny nicht einfach die Koseform von Johanna ist, von der er abstammt. Aber in meinem liebsten Onlinelexikon steht ihr Name so da.
Besonders interessant ist der Rufname der jüngsten Marx-Tochter Jenny Julia Eleanor, die „Tussy“ genannt wurde. Eine berühmte fiktive Namensträgerin ist dann noch „Frau Jenny Treibel“. Während der Name in den Achtzigern und Neunzigern recht populär war, wird er heute sehr selten vergeben.

Damals schon allein auf weiter Flur dürfte hingegen die 1892 geborene Gusta sein. Der Name leitet sich entweder von Augusta (die Erhabene) oder Gustava (altschwedisch „Stab Gottes“ oder slawisch „Freund“ und „Ruhm“) ab. Auch Helma empfinde ich als ungewöhnlich, mich erinnert der Name an das Spiel Halma.

Elegant und besonders ungewöhnlich

In die Kategorie „selten und elegant“ gehört für mich die 1842 geborene Aldina. Ich denke bei dem Namen an einen Discounter, der mich selbstverständlich nicht dafür bezahlt. Dabei ist Aldina eine Kurzform von allen Vornamen, die mit der althochdeutschen Silbe „Adel“ (vornehm) beginnen. Passend dazu habe ich eine Alvina gefunden. Französisch wird es mit Lisette, die habe ich zwei Mal entdeckt (1863 und 1934). Wem das zu hochgestochen seinen sollte, ich habe auch wieder ein paar Namchen im Angebot: Lisel und Aenne (oder auch mal Änne), Emmy, Elfie und Erni, Nanny (wobei mich das an ein Kindermädchen erinnert, dann lieber Nanni wie bei „Hanni und Nanni“, auch wenn sie im Original Pat und Isobel hießen), Kurtchen und Gissy. Letzeren habe ich noch nie gehört. Ich nehme an, dass es sich um eine Kurzform von Namen handelt, die mit der althochdeutschen Silbe „Gisel“ (von gisal = Pfand) beginnen wie Giselheid, Giselind, Giseltraud. Für die Herren hätte ich Harry (in den 20ern geboren) anzubieten, Leonid und der in spanischsprachigen Ländern recht beliebte, aber in Deutschland doch sehr selten vergeben Sixto (vom Lateinischen Sextus, der Sechste). Zum Schluss sind mir noch zwei besonders ungewöhnliche Namen aufgefallen, der Männername Kerschi, zu dem ich leider nichts finden konnte und der Mädchenname Inna. Den habe ich einmal in den Babynamen der Woche gefunden (50/2017). Durch die Nähe zu Ina hielt ich den Namen für eindeutig weiblich und heute wird auch tatsächlich fast ausschließlich als solcher vor allem im slawischen Sprachraum vergeben und dadurch In-NA ausgesprochen und nicht wie Anna mit I am Anfang. Tatsächlich stammt Inna aber von dem christlichen Märtyrer Inna, der zusammen mit Rimma und Pinna im 2. Jahrhundert n. Chr. heiliggesprochen wurde. Doch kann man Inna auch als Kurzform von Inanna ableiten, der Name einer sumerische Göttin Inanna, auch eine Herleitung von der lateinischen Innocentia (die Unschuldige) wäre möglich.

Bei meinem nächsten Spaziergang halte ich dann mal nach den anderen beiden Heiligen Ausschau und wer weiß, vielleicht nehme ich ein paar Gummibärchen mit.

… Der Friedhof, Namen und ich: Teil 1, Teil 2 und Teil 3

10 Gedanken zu „Der Friedhof, Namen und ich IV“

    • Knud hat recht. Wieder was gelernt 🙂 Schönes Teekesselchen also: Nonnen sind Ordensschwestern, aber auch Dachziegel sowie „verschnittene“ weibliche Schweine …

      Pikant auch die Dachziegel-Erläuterung bei Wikipedia: „… Dabei werden die auf Dachlatten nebeneinander mit der konkaven Seite nach oben verlegten Nonnen von umgekehrt über deren Stöße gelegten Mönchen abgedeckt. …“

  1. Ich liebe auch Friedhöfe! Mein Mann findet das höchst seltsam. Aber wenn sie alt sind sind sie einfach wie schöne Parks, nur viel ruhiger. Und dann, natürlich, die Namen!
    Allerdings ist der Friedhof unserer 100.000-Seelen-Stadt nicht so ergiebig. Wenige Doppelnamen, und insgesamt erstaunlich wenig ausgefallenes. Vor allem bei den Akten Gräbern (vor 1940 etwa) wiederholen sich wenige Namen sehr oft (Martha, Johanna, Karl, Hans etc.)
    Es gibt bei uns eine Sinaida, wo ich mich immer frage ob oder was sie mit dem Sinai zu tun hat.
    Im Schwedenurlaub habe ich es am vorletzten Tag noch auf den Friedhof geschafft und mir dort einige besondere Namen ins Handy getippt.
    Vornamen sind doch ein anerkanntes Hobby, oder!?

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