Passend zur Grusel-, Grauen-, Geisterzeit war ich mal wieder auf dem Friedhof spazieren. Geister habe ich zwar keine gesehen, dafür sind mir wieder viele Namen über den Weg gelaufen. Mit Stift und Block bewaffnet habe ich mir nämlich viele weitere alte Gräber angesehen, Strichlisten geführt und über den einen oder anderen Nachnamen geschmunzelt. Familie Bitch hätte heute wesentlich mehr Probleme gehabt als damals. Familie Durst sollte mal Familie Bierwagen einen Besuch abstatten, Familie Gschwind hilft ihnen bestimmt dabei, schneller voranzukommen. Der Nachname Sommerrock hat es mir irgendwie besonders angetan. Noch spannender als die Nachnamen sind aber die Vornamen; die Häufigkeit der Namen steht wie immer in Klammern.
Zu den beliebtesten Namen der Bewohner meiner Heimatstadt im 19. Jahrhundert möchte ich noch Anna (15) ergänzen. Im letzten Artikel hatte ich ja darüber geklagt, wie selten der Name Margaretha vergeben wurde, aber dies ist so gar nicht richtig. Die Vollform des Namens wurde nicht so häufig vergeben, wohl aber jede Kurzform, die man sich nur vorstellen kann, da gebe es Greta, Grete, Marga und Magret. Auch Philippine (5) und Philippina (1) schienen damals recht populär gewesen zu sein.
Erstaunt war ich über den Namen Susanne, der zwischen 1842 und 1892 immerhin vier Mal vergeben wurde, für A-Liebhaber auch einmal als Susanna vertreten. Der Blumenname (Lilie) wird nämlich erst seit 1920 häufiger vergeben, zwischen 1955 bis 1971 schaffte er es sogar in die Top 10 der beliebtesten Mädchennamen. Was waren die Eltern „meiner“ Susannen doch für Trendsetter. Bei den Männern erstaunte mich Valentin (3), der aktuell auf Platz 47 liegt und der erst Mitte der 1970er begann in die Top 200 aufzusteigen. Vielleicht gefiel den Eltern der drei die Bedeutung sehr gut, stammt der Name doch von dem lateinischen valere ab – gesund sein.
Ihr könnt euch meine Begeisterung gar nicht vorstellen
Auch ungewöhnliche Namen habe ich wieder gefunden. Da gäbe es den französischen Jean (eventuell durch das damals deutsche Elsass-Lothringen beeinflusst) oder den extravaganten Karl Hilarius, dessen Zweitname „der Fröhliche“ bedeutet. Auch Luise Gilbertas Eltern mochten wohl das auch heute beliebte Konzept klassischer Erst- und ausgefallener Zweitname. Gerdlies wird wohl weit und breit die einzige mit ihrem Namen gewesen sein (vermutlich eine Neukombination von Gerda oder Getrud und Elisabeth) und Clare musste wohl immer erklären, dass sie eben nicht Clara heißt. Apropos Clara – ihr könnt euch meine Begeisterung gar nicht vorstellen, als ich auf einem der beeindruckenden alten Gräber der damaligen Oberschicht den Namen Lara las. Eine Lara, die Mitte der 1840er geboren wurde! Aber leider, leider spielte mir der Efeu da einen Streich, indem er mit seinen Blättern den Anfangsbuchstaben verdeckte, ein schnödes K. Die schnörkelhafte Inschrift eines anderen Grabsteins ließ mich ebenso einen Moment vermuten, dass hier im 19. Jahrhundert eine Macia lebte, aber nein, das wäre wohl auch zu exotisch für mein Städtchen gewesen, das schwungvolle c war eigentlich ein r. Maria ist ein wunderschöner Name, aber ich wollte doch was Außergewöhnliches finden!
Dafür kommen Fans von i-Endungen heute voll auf ihre Kosten. Da hätten wir Lissy, Elly, Anny und Hanni. Zwei weitere Namchen kann ich ebenfalls hinzufügen. Nettchen, eine Kurzform von Annette, und Mariachen, die leider nur ein Jahr alt wurde. Da ich auf einem anderen Grabstein die Inschrift „Kind Rudi“ gefunden habe, bin ich mir nicht ganz sicher, ob die beiden nicht Maria und Rudolf hießen, man sich aber aufgrund des jungen Alters entschloss, die Koseformen aufzuschreiben.
Zum Schluss noch eine interessante Namensvariante: Hede. Der Name stammt von dem altdeutschen Namen Hedwig ab (von hadu „Streit“ und wig „Krieg“/„Kampf“), Hedi hört man ja ab und zu, aber Hede, diese Form war mir neu. Für A-Endungsfreunde, ich hätte da noch Heda anzubieten.
Ich gehe gleich noch auf den Friedhof, auf dem meine Großeltern und viele Verwandte mütterlicherseits begraben sind. Wir gehen jedes Jahr zu Allerheiligen zum Friedhof, auch wenn unsere pubertierenden Kinder dazu keine Lust mehr haben. Einmal im Jahr gehört das zum Pflichtprogramm 😉
Ich komme immer am Grab von einem Daniel (geb. 1920) vorbei, aus einer katholischen Familie. Der Name ist selten in den 1920er Jahrgängen.
Ich achte heute mal genauer auf die Namen.
Wir gehen an Allerheiligen auch immer auf den Friedhof. Da ich in dessen Nähe wohne, spaziere ich aber öfter hindurch. Es ist ein Waldfriedhof und daher gibt es dort viele Bäume, Vögel und zutrauliche Eichhörnchen zu bestaunen.
Karl Hilarius ist mein Favorit in dieser Ausgabe; den finde ich wirklich großartig und auch phonetisch nicht zu konträr.
Ich meine, dass man gerade aus der Zeit nicht darauf schließen kann, welcher Name bei Kurzformen einst amtlich vergeben wurde. Wenn Greta oder Margret auf dem Grabstein steht, mag sein, dass das Neugeborene trotzdem mal als Margaretha/-e eingetragen wurde, die dann in Abgrenzung zu anderen Margarethen (möglicherweise älteren Familienmitgliedern) eben ihre eigene Kurzform bekam. Aus der Logik heraus erscheint es sinnvoll, dass dann auch „ihre“ Kurzform auf dem Grabstein landet.
So würde ich auch denken, dass Lissy, Hanni und Anni nicht auf den extravaganten, frechen Namensgeschmack der Eltern hinweist, sondern dass sich die Kurzformen schlichtweg für diese Elisabeth, Johanna und Anna etabliert haben.
Abgesehen davon, dass die Landbevölkerung früher sicher ohnehin weniger amtliche Dokumente mit sich rumtrug als heute, schienen auch Institutionen entspannter zu sein. In meiner Familie gibt es selbst noch Leute über 80 (darunter eine Margret, die Margaretha heißt), die amtliche Dokumente wie Versicherung und Bank unter Abkürzungen laufen haben. Die haben sie warhscheinlich in den 50ern erstellt, da kannte man eben den Bankberater und den Versicherungsfritzen im Ort persönlich und der wusste dann ja, welche Nase gemeint war, egal was die Geburtsurkunde sagt.
Das auch eine Kurzform auf dem Grabstein steht, kann sein, aber sicher bin ich mir da nicht. Karl Hilarius wurde ja bestimmt auch nicht ständig so gerufen und beide Namen stehen dennoch darauf. Elly und Anni war darüber hinaus recht beliebte Vornamen, sodass die betreffenden Damen auch tatsächlich so gehießen haben können.
Ich lebe übrigens nicht auf einem Dorf, sondern in einer Stadt 🙂
Ich habe erst mit 40 durch Zufall mitbekommen, dass die Cousine meiner Oma, Tante Mine, eigentlich Wilhelmine hiess 🙂
Mein Minecraft-begeisterter Sohn fand den Namen Mine aber toll, auch wenn er wie die Bleistiftmine ausgesprochen wird.
Jenni und Ferdi, ein Ehepaar – sind mir aufgefallen (in den 1920er Jahren geboren). Ferdi war mit ziemlicher Sicherheit ein Ferdinand. Aber Jenni? Vor allem wie wurde sie ausgesprochen? So wie wir heute Jenny aussprechen oder deutsch?
Minchen – geboren in den 1930er Jahren, erst kürzlich verstorben, könnte eine Wilhelmine gewesen sein.
Kosenamen wie Minchen stehen aber sehr selten auf einem Grabstein. Margret aber schon, das ist aber auch eine anerkannte Kurzform von Margarete. Bei Hans weiß ich auch nicht, ob der nicht offiziell Johannes hieß.
Ich war auch beim Grab von einem Dieter, der eigentlich Hans-Dieter hieß, aber immer nur Dieter gerufen wurde. In dem Fall reicht es wirklich nur den Rufnamen zu verewigen.
Sophie – war mehrmals vertreten (geb. 1910-1930) ist meiner Tochter aufgefallen, weil ihre beste Freundin Sophie heißt.
Ansonsten gab es häufig: Maria, Anna, Elisabeth, Theresia, Franziska, Luise, Franz, Konrad, Heinrich, Wilhelm, Karl, Johannes, Josef, Antonius, Ludwig …
Jenni gibt es tatsächlich häufig. Die Schwester von Annette von Droste-Hülshoff hieß Maria Anna wurde aber Jenny gerufen (Annette selbst hieß eigentlich Anna Elisabeth). Ich lese den Namen auch ab und zu in den Sterbeanzeigen.
Ich glaube, dass der Name deutsch gesprochen wird.
Jenny kann nicht nur eine Abkürzung von Jennifer sein, sondern auch von Jean.
Ich habe noch ein wenig zu Jenny recherchiert und ja,
man kann den Namen deutsch aussprechen wie Henni nur mit J.
Johanna von Westphalen war die Ehefrau von Karl Marx und wurde Jenny genannt. Das Ehepaar hatte sieben Kinder, von den nur drei Töchter das Erwachsenenalter erreichten und eines wenige Stunden alt wurde und namenlos blieb.
Alle Töchter wurden mit erstem
Namen Jenny genannt und die Söhne hatten wirklich lustige Kosenamen:
Jenny Caroline
Jenny Laura
Charles Louis Henri Edgar, genannt „Cornel Musch“
Henry Edward Guy, genannt Guido oder „Föxchen“ (wurde am 5.11 geboren, deshalb Guy).
Jenny Eveline Francis, genannt Franziska.
Jenny Julia Eleanor, Rufname Eleanor, genannt „Tussy“ (das würde heute Problem verursachen )
Als ich „Frau Jenny Treibel“ von Theodor Fontane gelesen habe, habe ich mich auch über den Namen der Titelheldin gewundert, sie lebt ja im 19. Jahrhundert. Ich hätte immer „Dschenni“ gesagt, aber als ich meinem Opa gegenüber das Buch erwähnte, sagte er „Yenni“.
Zu Jenni:
Die deutsch gesprochene Jenni ist eine Ableitung von Johanna. Angeblich gibt es auch die Schreibweise Jänni, die abe ich aber noch nie gesehen.
Ich kenne eine deutsch gesprochene Jenni, von der ich sicher weiß, dass das ihr amtlicher und voller Name ist.
Außerdem ist mir mal eine Jenni begegnet, die Dschenni gerufen wurde. Da meine ich auch zu wissen, dass Jenni der offizielle Name war, bin mir aber nicht ganz sicher.
Viele Grüße
Das mit Jenny Treibel ist interessant.
Ich hätte das y am Ende so gedeutet, dass es englisch ausgesprochen werden soll oder gar französisch, wie in „Genie“. Bei der deutschen Aussprache hätte ich ein i am Ende erwartet..?
In Beerdigungsanzeigen lese ich ab und an den Namen Jenny, die Frauen sind in den 20ern geboren, Jenni kommt wesentlich seltener vor.
Aber eine Endung auf y ist keine Erfindung der Neuzeit (auch bei den genannten Kurzformen wie Elly und Hanny waren mehr Namen mit y dabei).
Auch ich habe letzte Woche die Gräber der Familie für heute (Allerheiligen) hergerichtet und debei mal auf die Namen geachtet ,meine neuesten Namen sind;
Prokop 1897
Creszentia 1893-1967 (Oma meines Mannes )
Wunnibald 1937
Radhard 1924
sterbe Jahre hab ich weggelassen
Creszentia habe ich schon gehört. Wunnibald von Winterstein kommt in „Die Schule der magischen Tiere“ vor, wenn ich mich richtig erinnere.
Prokop (meine Autokorrektur besteht hartnäckig darauf, dass es Pro-Kopf-Einkommen heißen soll) und Radhard habe ich noch nie gehört.
Da du das Weglassen der Sterbejahre erwähnst. Es gibt tatsächlich Leute, die noch zu Lebzeiten ihren Name und das Geburtsjahr gleich mit dem verstorbenen Ehepartner gravieren lassen. Finde ich persönlich doch recht gruselig, den eigenen Namen auf einem Grab zu lesen.
@ Vivi, die sterbe Jahreszahl hab ich nur weggelassen …sie sind aber auf die Grabsteine mit drauf …wichtig sind ja auch nur die Jahreszahl der Geburt, um zu wissen wann diese Namen vergeben wurden
@Annett
Das hatte ich auch so verstanden 🙂 Ich wollte (wohl etwas umständlich) darauf hinaus, dass es Leute gibt, die das wirklich zu Lebzeiten gravieren lassen. Ich habe mal einen Bericht gesehen „Oma studiert“ oder so, in dem es um eine über Neunzigjährige ging, die ein Studium angefangen hat. In einer Sequenz wurde sie am Grab ihres Mannes gezeigt, auf dem bereits ihr Namen mir Geburtsjahr stand. Ich glaube, sie sagte, es war einfach praktisch, den Namen mitzugravieren, da sie ja irgendwann auch darin liegen würde und das sie es nicht schlimm findet, ihn auf dem Grab zu sehen.
@Vivi…oh und ich dachte schon ,ich hätte mich missverständlich ausgedrückt 🙂
Das mit den Daten auf Grabstein ,vor dem Tot ….wäre nicht mein Fall ….wer weis ob ich da überhaupt mal mit reinkomme . Kann ja sein man zieht weit weg,oder will dort nicht mehr liegen oder oder oder …wurde ich nicht machen .
Prokop ist ein alter und ungebräulicher russischer Vorname.
Danke. Wird der Name so gesprochen wie geschrieben?
Ja, ich kenne das auch als Prokopij, mit der Betonung auf dem zweiten o. Es gibt ja diesen russisch-orthodoxen Heiligen, Prokop von Ustjug, es war ein deutscher Kaufmann. im Deutschen wird er wahlweise als Prokop oder als Prokopius bezeichnet.
Interessant! Prokop ist mir auch schon mehrfach als Familiennamen begegnet. Die wurden immer „PrO-kopp“ ausgesprochen, also auf der ersten Silbe betont.
Ich hätte die Herkunft auch immer in Osteuropa vermutet, weil es mich so an Prokofjew erinnert.
Prokop ist ein alter böhmischen Heiliger aus dem 10. Jahrhundert, der auch als böhmisch-mährischer Landespatron gilt. Daher überrascht seine Beliebtheit innerhalb der Ostkirche nicht.
Ich bin im Zuge meiner Ahnenforschung auf Ihr gestoßen, da mein Mädchenname, also der Familienname meiner feierlichen Linie sich von Prokop ableitet. Die Familie stammt aus dem Sudetenland, lässt sich dort bis 1600 zurückverfolgen.
* entschuldigt bitte die Tippfehler- dämliche Autokorrektur
Prokop/ Prokopios kommt aus dem Griechischen und heisst wohl soviel wie „Erfolg“.
Für mich ein typischer Heiligenname der Ostkirche, stimme ich dir zu.
Auch ich war heute zu Allerheiligen am Friedhof und habe über die Namen am Grab meiner Familie und der rechts und links liegenden Gräber nachgedacht.
Ich fand, dass so gut wie alle Namen auch heutige Kindernamen sein könnten:
Jakob (2×)
Maria
Rosa
Xaver
Mathilde
Max
Franz
Josef
Anna
Einzig Werner fiel mir als Name auf, der bei einem Baby heute vermutlich sehr ungewöhnlich wäre!?
Karl war noch mit dabei – ein Name, der ebenfalls auch in der Kita meiner Tochter vertreten ist
Hilarius / Hilaire war u.a. auch der Vorname des Großvaters (geb. 1837 im Elsaß) meines Onkels.