Endlich sind Sommerferien und ich habe wieder etwas Zeit, um mich auf zwei meiner liebsten Hobbys zu konzentrieren: dem Schreiben und Namen. Und wenn ich schon dabei bin, kann ich doch gleich eine neue Reihe starten (man gönnt sich ja sonst nichts 😉). Ein Bereich, den ich hier etwas unterrepräsentiert finde, ist die Antike. Also die römische und griechische (solltet ihr auf sumerische Namen gehofft haben, muss ich euch leider enttäuschen). Die Welt der Römer fasziniert mich, seit ich ein kleines Mädchen war. Über die Götter hat Knud ja vor ein paar Jahren berichtet, doch die antike Mythologie ist damit noch lange nicht ausgeschöpft.
Freundliche und fröhliche Wesen
Beim Lesen eines Theaterstückes bin ich zufällig über die Nereiden gestolpert. Die Meeresnymphen, die anders als die Sirenen, ganz freundliche und fröhliche Wesen sind, waren mir in einigen Übersetzungen bereits begegnet. So richtig mit ihnen beschäftigt hatte ich mich aber noch nicht, dabei haben sie doch so interessante Namen und das in Hülle und Fülle. Je nach Autor variiert die Anzahl der Damen zwischen 50 und 100. Viele der Namen klingen für uns ungewohnt und zu unnamig. Der Name der Nereide Glauke wird trotz der Ähnlichkeit zu Frauke und der schönen Farbbedeutung Blau wohl kein Aufblühen erleben (die Assoziation Glaukom ist auch nicht weit weg), auch Kranto (wie der Kran), Thetis (Tetris) und Leukothoe (Leukämie) werden in nächster Zeit nicht über den Spielplatz toben. Doch es gibt durchaus Namen, die auch heute noch bekannt sind und vergeben wurden oder werden. Besonders überrascht war ich über den Namen von Mama Nereide: Doris.
Ein typischer Nachkriegsname
Doris, so ein typischer Nachkriegsname, der heute völlig aus der Mode gekommen ist. Gerade einmal vierzig Mal wurde Doris als erster Vorname in den Jahren 2010-2021 vergeben. So richtig beliebt war der Namen aber nie. Lediglich 1957 erreichter er die Top 20.
Ich denke an Doris Day, die Mutter aus „Türkisch für Anfänger“ und den Doktorfisch Dori aus „Findet Nemo“. Die meisten Doris-Eltern hatten aber vermutlich keine Nereide im Kopf, als sie ihr Töchterchen Doris nannten. Denn neben der griechischen Herkunft des Namens, der dann einfach „die Dorerin“ bedeutet, kann man ihn auch von Dorothea oder Theodora, was dann „Gottesgeschenk“ bedeutet.
Ich persönlich finde den Namen gar nicht schlecht, zweisilbig, leicht zu und viele Kinder lieben Feen, da ist es zu den Nymphen nicht mehr weit.
Vielen Töchter
Aber verlassen wir Mama Nereide und wenden wir uns wieder ihren vielen Töchtern zu. Da wären Asia (die aber nur bei Hygenius genannt wird). Der Name wir auch heute noch auf der Welt vergeben, aber auch hier wird mehr an den Kontinent gedacht als an die Nymphe. Asia war überdies auch ein römischer Sklavinnenname für Frauen, die aus Kleinasien (Türkei) stammten. Für Asien-Fans hätte ich noch die türkische Form Asya (gesprochen As-ja) zu bieten.
Fluch der Karibik
Heute ebenfalls noch bekannt, wenn auch sehr selten, ist Kalypso, die zumindest „Fluch der Karibik“-Fans ein Begriff sein könnte. Dort ist Calypso (mit schickem C) eine Meeresgöttin, die keine unbedeutende Rolle für der Verlauf der Handlung spielt. Meine Freundin M. hat sogar ihr Kaninchen nach dieser Figur benannt. Ein Mal habe ich den Namen unter den Babynamen der Wochen gefunden, ohne Zweitnamen, den ich bei so einem ungewöhnlichen Namen aber unbedingt vergeben würde, um einen Ausgleich zu schaffen. Fans des Namens sollten aber mit Assoziationen zur Apokalypse und dem Fruchteis Calippo rechnen (die Nennung des Eises ist natürlich keine Werbung und ich erhalte auch kein Geld dafür).
Weich, aber nicht zu weich
Neben Kontinent- und Eisnamen gibt es noch Klio, nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Muse der Geschichtsschreibung. Klio hat Potenzial, weich, aber nicht zu weich, kurz und leicht zu merken. Schade, dass viele bei dem Namen an das Auto denken (für dessen Nennung ich auch nicht bezahlt wurde). Aber nicht nur Klio ist in der Mythologie zwei Mal vertreten, sondern auch die liebe Thalia, denn auch die Muse der Unterhaltung trägt diesen Namen, der „die Blühende“ bedeutet. Thalia erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Aktuell steht er auf Platz 187. Wem die Schreibweise zu sehr an die gleichnamigen Buchhandlung ( auch keine Werbung, was hätte ich mit diesem Artikel alles verdienen können 😉) erinnert, wie wäre es mit Talia oder Talya?
Die Funkelnde
Neben Thalia hat es auch Maira unter die Top 500 gebracht (aktuell 203). Der Name stammt von dem altgriechischen Μαῖρα und bedeutet „die Funkelnde“. Maira ist aber nicht nur eine Nereide, sondern auch der Name der Tochter des Atlas, der das Himmelsgewölbe auf seinen Schultern trägt. Wer kein Fan des „ei“-Lautes ist, für den hätte ich noch die römische Variante Maera anzubieten.
Unbekannte Namen
Nun kommen wir zu unbekannten Namen, die ich mir aber durchaus unter den Babynamen der Woche vorstellen kann. So reiht sich Halia gut neben Amalia, Emilia, Alia und Malia ein. Die andere Überlieferungsvariante Halie erinnert doch sehr an die beliebte Hailey (aktuell Platz 62). Auch Melite klingt erstaunlich passend für die Zeit. Und Lalelu-Fans (zu denen ich ja gehöre) kommen voll auf ihre Kosten: Iaira, Eulimene, Amatheia oder Ianeira (das altgriechische ei wird wie ej gesprochen). Für Freunde der opulenten Bastelei gibt es noch Deianeia, Kallianassa und Kallianeira (Rufname Kally oder Neira), Ligea oder Limnoreia.Lysianassa klingt wie eine Mischung als Lisanne und Anastasia. Aus Polynome kann man Polly machen und Thoe erinnert mich doch sehr an Zoe.
Wem das alles doch zu antik und wuchtig ist, Doris ist ja immer noch eine Option.
Zwei Gedanken: Ich finde es spannend, dass Doris für Mädchen zwar total weg ist (zu jung für ein Revival), der fast gleichlautende Joris für Jungs aber super läuft. Dass es den Namen Joris früher noch gar nicht gab plus der Geschlechterswitch reicht offensichtlich aus. Tja, und dass Boris genauso weg ist wie Doris, dürfte andere Gründe haben.
Zu Klio habe ich – was auch mit an der gerade zuvor gelesenen Doris liegen könnte – noch eine ganz andere Assoziation, so aus dem körperlichen Bereich …, und würde jedenfalls unbedingt von einer Doppelnamenbildung Klio-D… abraten 😉
Ansonsten fällt mir hier der Film „Der Vorname“ ein, der Montag im TV lief und den ich natürlich noch mal gucken musste. „Was sagt es über jemanden aus, wenn er seine Kinder Caius und Antigone nennt?!“ Ja, sollte man bedenken.
An Joris habe ich gar nicht gedacht, ist wirklich spannend.
Die Bewerbung der unbekannten Namen war eher augenzwinkernd gemeint, wobei ich mir einige gut vorstellen kann, gerade mit einer Kurzform als Rufnamen (Lysia etc.)
Der Vorname habe ich auch gesehen, ich finde das Original besser. An der Aussage ist etwas dran. Aber gilt das nicht für jeden Namen? Warum nennt man seine Kinder Marie und Sophie? Tim und Tom? Adelbert und Erkenhild? Man setzt mit jedem Namen ein gewisses Statement. Wenn man einen Namen vergibt, weil man sich keinen anderen vorstellen kann, finde ich das okay. Seine Tochter
Lysianassa-Ligera-Doris zu nennen, um zu zeigen, wir sind was Besonders finde ich hingegen nicht okay.
Apropos: Caius gab es in der Antike nicht, wenn schon Gaius. Wobei das ein lateinischer Name ist und Antigone aus dem griechischen stammt 🙂
Ich könnte mir Thetis ja schon als Vornamen vorstellen. Eher als z.B. Eulimene, was doch sehr nach Eule klingt.
Hm.. Polynome kenne ich noch aus der Mathematik, und ich denke dann an Polynomdivision (ist wie schriftliches Teilen, wenn man sie verstanden hat) und nicht an eine Meeresnymphe.
Von Thetis springe ich zu Tethys (die hat auch was mit dem Okeanos zu tun, als Schwester und Frau, und sie ist die Mutter von der erwähnten Doris) und dem Tethys-Meer, dessen Überreste heute das Mittelmeer, das Schwarze Meer und das Kaspische Meer sind, stammen viele Fossilien, die man in Deutschland und dem Alpenraum findet.
Im Katalog finde ich noch Psamathe und Dexamene (wobei letzteres wie der Name eines Arzneimittels klingt)
Bei Kalypso denke ich an die Nymphe, die im fünften Gesang der Odyssee auftritt. Laut dem Lexikon der Antike ist ihr Vater Atlas, sie ist also eine Namensvetterin der Nereide und nicht mit ihr identisch. Hermes kommt zu ihr und sagt, sie dürfe Odysseus nicht bei sich behalten; sie klagt darüber, dass die männlichen Götter einer Göttin keinen sterblichen Geliebten gönnen, erklärt sich aber bereit, ihm bei der Heimreise behilflich zu sein.
Calypso ist auch ein beschwingter Musikstil, ich habe ein Lied im Ohr, das ich in der Schule gelernt habe: „Everytime you need a calypso, here is what you must do …“
Mal sehen, wie lange wir das Wort Nachkriegsname noch in diesem Zusammenhang verwenden.
Ich bin ja auch für mehr kleine Mädchen namens Doris 🙂
Meine Begeisterung für Doris beiseite, ich hoffe sehr, dass wir immer von „Nachkriegsname“ sprechen und damit nach dem 2. Weltkrieg meinen werden.
Vor einigen Jahren war ich auf der Suche nach Nereidennamen (für zwei kleine Nixen), und ich habe mich für Galateia, die als „Schöne Galathée“ noch einigermassen geläufig ist, und Amphitrite entschieden.
Calypso begegnete mir zuerst als Schiff des Meeresforschers und -filmers Jacques-Yves Cousteau und natürlich in der Odyssee. Ob in der Odyssee auch die Nereide oder doch eine eigenständige Göttin gemeint ist, scheint allerdings noch nicht ausdiskutiert zu sein.
Eine Eurydike ist in Verbindung mit Orpheus vertraut.
Dass unter den Nereiden auch eine Doris ist, war mir neu, ich hatte den Namen bisher als Kurzform von Dorothea eingeordnet. Auch meinentwegen dürfte sie öfter vergeben werden, wie viele der Namen der Baby-Boomer-Generation, die nicht so vokallastig, abgekürzt und weichgespült wie die derzeitige Mode klingen.
Einige der Namen erscheinen ohne Griechiskenntnisse sicher ein bisschen merkwürdig, aber wer etwas Klassisches und Solides sucht, kann hier fündig werden.