Die liebe (Not mit der) Aussprache

„Wie heißt du denn?“ – „Sophie.“


Dieser Minidialog, den ich neulich mit einer etwa elfjährigen Hamburg-Touristin führen durfte, hat mich zum Nachdenken gebracht. Ihre Sophie klang nämlich nicht wie meine (auf der zweiten Silbe betont), sondern eher wie ein verniedlichtes Polstermöbel: SOfi.

Irgendwie hatte ich bislang gedacht, der Erfolg von Sophie rühre daher, dass die Aussprache dieses Namens so eindeutig ist und er sich just wegen seiner Betonung so gut als „middle name“ macht. Dass aus Sophie irgendwo angeblich Soffi wird (?!) und dass die Tante meines Mannes ihren Drittnamen Sofi-e spricht mit separatem e (wenn sie ihn denn überhaupt spricht), hatte ich als bloße Kuriositäten abgetan. Aber so einfach ist es wohl doch nicht.

Trotzdem stachelt es mich zum Widerspruch an, wenn ich von Eltern höre oder lese, die Namen mit schwieriger Aussprache favorisieren mit der Begründung, man könne sowieso bei keinem Namen sicher sein, dass der richtig gesprochen werde. Ah ja? Tim, Tom, Anna, Lena … mir scheint es viele narrensichere Namen zu geben. Und vor allem: nicht nur Schwarz und Weiß, sondern jede Menge Graustufen. Sprich: Namen, die hierzulande mit höherer Wahrscheinlichkeit falsch gesprochen werden als andere. Regionale Besonderheiten lasse ich dabei mal außen vor. Dass Eltern mit ihrem Lieblingsnamen kaum durch die Republik tingeln können, um abzuklären, ob dieser irgendwo komisch ausgesprochen werden könnte, ist klar. Sollte es Klein-Astrid doch mal ins Schwäbische verschlagen, ist das einfach Pech. Über offensichtlichere Fallstricke sollte man aber zumindest mal nachdenken.

„Ich kann mein Kind unbesorgt Miguel/Kjetil/Päivi nennen – unser Umfeld wird schnell wissen, wie wir das ausgesprochen haben wollen, und das ist doch die Hauptsache.“ – Wirklich? Ich frage mich immer, ob diese Leute daran denken, dass ihr Kind auch mit Menschen zu tun haben wird, die es noch nicht kennen. In Behörden, im Job, bei jedem Päckchen, das der DHL-Bote ihnen reicht: „Post für Migu-el Meier, sind Sie das?“ Ob man den Sprecher nun korrigiert oder nicht – so was nervt doch, oder?

Paketbote © detailblick-foto - fotolia.com
Paketbote. Foto © detailblick-foto – fotolia.com

Hinzu kommt, dass viele Menschen wenig Gespür für sprachliche Nuancen haben. Dass ihr neuer Großneffe, der kleine Liam, nicht Lai-äm, sondern Li-äm (oder doch deutsch Li-am?) gesprochen werden soll, bekommen sie nach erster Fehlinterpretation der Geburtsanzeige vielleicht noch hin. Aber Cousine Kathleen aus Leipzig sagt Onkel Gerhard nun schon seit über dreißig Jahren, dass sie ihren Namen auf der ersten Silbe betont (KATT-lehn statt Kat-LEHN) grauenvoll findet – keine Chance. Dabei möchte er sie gar nicht ärgern, wirklich nicht. Er hat nur einfach kein Ohr für den Unterschied.

Mehr Modenamen mit Aussprache-Hürden (meist: deutsch oder englisch?): Jonah, Damian, Milo, Lionel, Patrick und Annie, Josephine, Joleen, Jolina/Joelina.

95 Gedanken zu „Die liebe (Not mit der) Aussprache“

  1. Jonah ist mir bisher nur in deutscher Aussprache begegnet, würde ich auch so sprechen
    Damian würde ich spontan deutsch sprechen, Milo englisch, kenn aber bei beiden keine Namensträger
    Patrick und Annie würde ich immer deutsch sprechen, Josephine ebenfalls
    Joleen und Jolina/Joelina sind mir bisher nur als Dscholien/Dscholina begegnet, würde ich dementsprechend auch so sprechen
    Ich denke, das hängt sowieso immer vom Umfeld ab.

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  2. Ich hätte so gerne eine Dscholien, aber mein Freund ist (vielleicht zum Glück) dagegen!
    Jolien gefällt mir einfach sehr gut, nicht zuletzt wegen der Neufassung von Dolly Partons Song die öfters im Radio läuft.. nehme da auch gerne die „Eindeutschung“ des „ee“s in Kauf, dass sie nicht Jolien wie Johanna ausgesprochen wird werden wir noch hinkriegen – aber halt auch nur in unserem Umfeld.
    Wies dann bei Lehrer und im Job sein wird, ist schwer zu sagen.. in meiner Genereation (X und Y :P) wird wohl eher das Dsch verwendet werden im Zweifel – wie oben bei Justin demonstriert wurde 🙂

    Ich für meinen Teil habe die Angewohnheit, alle Namen und Wörter, die ich noch nicht in den Sprachgebrauch übernommen habe, Deutsch in meinem Kopf klingen zu lassen. Ich lese immer Justin, und nicht Dschastin. Milo und nicht Meilo. Deswegen ist auch meine Englischaussprache echt schlecht obwohl ich viel verstehe.

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  3. Meine Urgroßmutter hieß Sophie, Soffi gesprochen (Ruhrgebiet), mein Zweitname (der nach ihr ausgewählt wurde) wird aber SoFIE gesprochen, so wie auch alle anderen Sofies/Sophies, die ich kenne.

    „Mehr Modenamen mit Aussprache-Hürden (meist: deutsch oder englisch?): Jonah, Damian, Milo, Lionel, Patrick und Annie, Josephine, Joleen, Jolina/Joelina.“
    Ich kenne eine weibliche sowie einen männlichen Jona, beide sprechen sich deutsch
    Damian und Lionel würde ich englisch sprechen, kenne aber keinen persönlich
    Milo kenne ich nur als Hundename, aber deutsch gesprochen
    Patrick kenne ich ausschließlich in deutscher Aussprache
    Annie kenne ich nur als Spitzname, aber auch immer deutsch gesprochen
    Jolina/Joelina und Joleen kenne ich nur englisch gesprochen
    Josephine würde ich deutsch sprechen, kenne aber keine persönlich

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  4. Ich bin im Zuge der Namensfindung für meine erste Tochter auf diesen Blog gestoßen und habe nun meine Begeisterung für das Thema Namen entdeckt. Sprache fand ich schon immer sehr interessant. Das Probleme des fehlenden Gespürs für sprachliche Nuancen kenne ich zu Genüge. Für meinen Namen, den ich mittlerweile sehr schön finde, als Kind aber wegen des ständigen Buchstabieren-Müssens gehasst habe, gibt es in meinem engeren und weiteren Bekanntenkreis auch zahlreiche unterschiedliche Aussprachemöglichkeiten, die sich so halten, weil die Sprecher den Unterschied nicht hören. Da kann ich noch so oft sagen „Ich heiße Cecilia („ßeeeeßilia“)“, ich werde doch weiter konsequent von Lehrern/Vorgesetzten/Tanten/guten Freunden meiner Eltern wahlweise Zizilia, Zäzilia oder Sesilia genannt. Im Laufe der Zeit gewöhnt man sich daran und sich ab, den/die Sprecher*in immer wieder zu korrigieren. Aber ich glaube nicht, dass meinen Eltern dieses Problem bewusst war, als sie sich für den Namen (und vor allem die Schreibweise, die ja eben nicht mit Z ist!) entschieden haben.

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    • Ich kenne keine Cecilia persönlich und war immer unsicher, wie dieser Name ausgesprochen werden soll. Jetzt habe ich endlich eine Orientierung!

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