Eltern von heute strafen sie mit Verachtung: Namen mit Umlaut. Bei den Jungen hält nur noch Björn auf Platz 317 die Flagge hoch, türkische Namen ausgenommen. Es gab aber auch mal ganz andere Zeiten für Umlaut-Namen. Das beweist mir schon die Tatsache, dass ich im Job täglich mit den Kollegen Jörg, Rüdiger und Sönke zu tun habe, deren Namen ich diese Betrachtung widme. Ob es wohl an den Erfahrungen dieser Vätergeneration im Ausland und mit Computertastaturen liegt, an den Eindrücken all der Günthers, Jörns, Jürgens und Sörens, dass Vornamen mit ö oder ü aus der Mode gekommen sind?
Mein Frosch kann sprechen
Joris ist nun schon seit einiger Zeit im Aufwind – und quasi ein Jörg des 21. Jahrhunderts, nur ohne den doofen Witz („Mein Frosch kann sprechen …“): Beide Namen gehen auf Georg („Bauer“) zurück. Den Heiligen, der einen Drachen getötet haben soll, kennt man zwar nicht unter dem Kürzel Jörg, dafür nannte sich aber Luther in seiner Wartburgzeit 1521 bis 1522 „Junker Jörg“. Etwa zeitgleich lebte der „Bauernjörg“, ein gnadenloser Heerführer, der eigentlich Georg von Waldburg-Zeil hieß. 1961 erreichte der Name Jörg sogar Platz 6 der Hitliste. Kein Wunder also, dass mir schon diverse Jörgs, die in der Nachkriegszeit, spätestens in den 70ern geboren wurden, begegnet sind: Es gibt viele davon. Sich einen eigenen Namen zu machen war somit eine Herausforderung für jeden Jörg. Einige prominente Vertreter finden sich unter TV-Moderatoren: Pilawa, Wontorra, Knör, Kachelmann.
Der kleine Vampir
Bei Rüdiger denke ich zuerst an den „kleinen Vampir“, Rüdiger von Schlotterstein. Bei Rüdiger Hoffmann (geboren 1964) wird‘s witzig, Rüdiger Nehberg (Jahrgang 1935) weiß zu überleben und macht auf gesellschaftliche Probleme aufmerksam. Der Name ist wie der althochdeutsche Rutger zusammengesetzt aus „Ruhm“ und „Speer“. Rüdiger kam ein paar Jahre früher in Mode als Jörg, Ende der 30er, und war in den 70ern schon nicht mehr so gefragt. In den Namenscharts schnitt er im Jahr 1959 am besten ab: Platz 28, immerhin. Mein Kollege Rüdiger kürzt seinen Namen mit Rudi ab und beweist damit quasi einen Riecher für Trends: Dieser Name, der üblicherweise für Rudolf steht, gefällt Eltern heute nämlich immer besser (zuletzt Platz 285). Ist ja auch kein Umlaut drin.
Einfach Sohn
Am Namen meines Kollegen Sönke schließlich könnte man erkennen, dass ich in Norddeutschland arbeite. Im Süden dürfte dieser niederdeutsche und nordfriesische Vorname, der – ähnlich wie der allseits beliebte Ben – einfach „Sohn“ bedeutet, weitaus seltener anzutreffen sein. Ein bekannter Träger ist Filmproduzent Sönke Wortmann, der 1959 als Spross eines nordrhein-westfälischen (!) Bergmanns geboren wurde. Interessant wird es, wenn Sönkes einen Zweitnamen haben: Klassisch wäre hier laut Wikipedia der Name des Vaters, wonach etwa „Sönke Lars“ der Sohnemann eines gewissen Lars wäre. Weit eher als Jörg und Rüdiger birgt der Name Fallstricke bei Aussprache und Schreibweise: Mancher spricht ihn quasi mit -ööö-, andere sagen „Sönnke“. Und die – die Bedeutung noch mehr hervorhebende – Schreibvariante Söhnke sowie Söncke gibt es auch noch.
Ob für Jörg, Rüdiger und Sönke namensmäßig wohl der Zug abgefahren ist? Oder können auch sie wiederkommen, so in gut dreißig Jahren vielleicht? Ich würde da niemals nie sagen. Immerhin ist bei den Mädchen Käthe ja auch wieder da.
Namen mit Umlauten sind tatsächlich so eine Sache, mir persönlich gefallen keine davon besonders gut. Abgesehen davon wird es auch, wenn man nicht gerade in Skandinavien (man denke an Prinzessin Märthe-Louise) ist , international schwierig mit Unlautnamen sein.
Rüdiger und Käthe sind Namen, bei denen sich meine Zehennägel einrollen, da ich Klang und Schriftbild furchtbar finde, da nützt auch die Tatsache nichts, dass ein sehr netter ehemaliger Lehrer von mir so heißt.
Björn erinnert mich immer an die Elche aus „Bärenbrüder“, daher kann ich diesen Namen auch nicht wirklich ernst nehmen.
Jürgen ist von allen Namen, derjenige, den ich am wenigsten schlimm finde, anders als Rüdiger oder Günther (der Frosch aus „Der Tigerente“, Herr Jauch und in meinem Fall ein verstorbener Großonkel) wirkt er durch das „J“ ein wenig weicher.
Ein der ungewöhnlichsten Umlautenamen bleibt für mich aber „Ägidius“.
Bei den Mädchen fallen mir neben Kähte und Märthe noch Änne (Burda) ein, obwohl Frau Burda eingentlich Anne oder Anna hieß, und Cäcälia, wobei mir Cécilia deutlich besser gefällt. Interessant dass es bei den Mädchen nur Namen mit „ä“ sind und bei den Jungen „ö“ und „ü“ dominieren.
Ach, ich möchte nur an irgendeiner Stelle mitteilen, dass ich mich sofort in die schönen Texte von Annemarie Lüning verliebt habe.
Der Anlass war, dass ich endlich wissen wollte, was es eigentlich mit der Thusnelda auf sich hat diesem hübschen Namen, der mir im Alltag nie wieder begegnet ist. Bitte unbedingt auch lesen bei Wikipedia…
Die Jörgs und Rüdigers kommen ja jetzt in das Opa-Alter, es würde mich deswegen nicht wundern, wenn diese Namen demnächst wieder auftauchen, zunächst als „versteckte“ Zweitnamen, dann aber auch wieder als Erstnamen.
Björn ist ein Nachzügler, und außerdem tut Herr Höcke dem Namen nicht gut.
Mädchen mit ö: Dörte
Als Kind hat bei mir der seltsam geschminkte Rüdiger von Schlotterstein Abscheu erregt, und bis heute habe ich beim Klang des ansonsten eigentlich schönen Namen Rüdigers so ein groteskes Vampirkindergesicht vor Augen.
Jörgs und Björns in meinem Alter gab es viele (in den 1970ern geboren). Jürgen war schon die Elterngeneration.
Habe einen Umlaut im Nachnamen, der in meinem US-amerikanischen Pass wegfällt. Finde es ziemlich cool, einen deutschen Sonderlaut im Namen zu haben; in den USA wurde der Name dann halt einfach englisch gesprochen.
Insgesamt mag ich das Eigentümliche, das Lokale, das Regionale, und auch das Nationale. Insofern mag ich auch die deutschen Namensformen mit Umlaut. Gerade in Globalisierungszeiten ist es schön, wenn man hier und da auf irgendeine Weise dem Vereinheitlichungstrend etwas entgegensetzt.
Auch lautlich finde ich die deutschen Umlaute recht angenehm. Im Französischen gibt es ja auch den Ö- und den Ü-Laut (als „eu“ und „u“) und diese tragen auf ihre Weise zum Wohllaut des Französischen bei. Auch im Niederländischen und in den skandinavischen Sprachen gibt es diese Laute. Und auch im Ungarischen. Insofern sind sie zwar eigentümlich, aber doch auch in manchen anderen Sprachräumen reproduzierbar.
Am liebsten mag ich Jörg, Jürgen und Käthe. Im Norden finde ich die Tradition Sönke + Name des Vaters schön.
Mir fallen noch Bärbel, Björk und Hjördis auf Anhieb ein.
Ich würde Namen nicht kategorisch wegen eines Umlauts ausschließen. Eher weil ich sie nicht mag, die Zeit noch nicht gekommen ist, oder sie sperrig sind. Sönke finde ich zum Beispiel anstrengend auszusprechen. Käthe und Hjördis hingegen fließen bei mir. Jörg klingt für mich wie ein Laut, weniger nach einem vollständigen Namen.
Ich wohne in einer Stadt deren Oberbürgermeiser Sören heißt, es fällt mir schwer, ihn ernst zu nehmen.
Dem Meister gönne ich aber trotzdem noch ein T.
Sören hat mir – Mode hin oder her – noch nie gefallen, vor allem, wenn er im heimatlichen Dialekt „Sööörn“ gesprochen wurde. Käthe fand ich schon immer schön, wenn auch früher ziemlich „out“. Jetzt ändert sich das ja gerade.
Meine Kinder haben trotzdem keine Namen mit Umlauten bekommen, sondern international geläufige, da wir eine binationale Familie sind.
Wir sind eine trinationale Familie, und es ist, wie Du sagst, man tendiert dann doch eher zu etwas, was in beiden bzw. in unserem Fall allen drei Sprachen funktioniert, und da ist man dann sofort raus aus dem allzu Eigentümlichen.
Meine Eltern haben uns Namen gegeben, die in beiden Sprachen ihrer Herkunft (Deutsch und Englisch) gleich geschrieben wurden oder werden konnten. Wir haben uns anders entschieden, und die rumänische Herkunft meiner Frau bei der Namenswahl privilegiert. Allerdings haben auch wir viele Namensmöglichkeiten gestrichen, weil sie in der einen oder anderen Sprache nicht gut auszusprechen waren oder seltsame Konnotationen weckten. Z.B. war meine Frau an dem Namen Horea interessiert (rumänischer Jungenname, entspricht dem lateinischen Namen Horatius). Das klingt im Englischen allerdings wie „whore,“ und im Deutschen wie ein Mädchenname. Auch war sie an Luca interessiert, was in Deutschland problemlos gegangen wäre, im Englischen aber in Kombination mit unserem Nachnamen sehr seltsam geklungen hätte. So sind wir bei Timotei und Stefan gelandet, zwei rumänischen Namensformen, die es beide so im Englischen nicht gibt, die dort aber noch machbar sind, und im Deutschen passt Stefan ja perfekt.
Mark, die Namen deiner Jungs gefallen mir und eure Überlegungen finde ich nachvollziehbar.
Zu binationalen Familien:
Ich habe letztes Jahr eine deutsch-türkische Familie mit zwei Jungen kennengelernt. Die Eltern hatten sich entschieden, den Jungs Namen zu geben, die weder deutsch noch türkisch sind. Sie heißen Nero und Cato.
Zwei türkische Frauen, die ich kenne, haben für ihre Töchter bewusst Namen gesucht, die in der türkischen Tradition stehen, aber in Deutschland gut gehen: Die Mädchen heißen Elisa und Lilya.