Wie es sich mit einem belasteten Vornamen lebt

Der Name Adolf ist belastet. Trotzdem gibt es in vielen Städten eine Adolfstraße – so auch in vielen holsteinischen Städten, wo es meistens daran liegt, dass die Schauenburger Grafen Adolf II, III & IV im 12. und 13. Jahrhundert bedeutende Landesherrn waren und eine wichtige Rolle in der Geschichte Schleswig-Holsteins spielten. Zum Beispiel sind die Städte Lübeck und Kiel von diesen Grafen gegründet worden.


Adolfstrasse

Viel alltäglicher ist der Namensgeber der Adolfstraße, deren Straßenschild ich im ebenfalls holsteinischen Ahrensburg fotografiert habe: Der urspüngliche Besitzer des Grundstücks hieß Adolf. Interessant finde ich, dass am Straßenschild überhaupt eine Erläuterung hängt, denn das ist ungewöhnlich. Hat die Stadtverwaltung womöglich zur Herkunft dieses Straßennamens besonders viele Nachfragen erhalten, weil Adolf ein belasteter Name ist?

Anne Haeming hat ein spannendes Projekt in die Wege geleitet: Name:Adolf
Die Journalistin hat sich auf die Suche nach Adolfs gemacht und herausgefunden, wie der Name die Männer geprägt hat und warum sie so heißen. Ich verrate schon mal, dass keiner der Befragten einen holsteinischen Grafen als Namensvorbild genannt hat; alles Weitere ist auf der Website des Projekts zu lesen.

13 Gedanken zu „Wie es sich mit einem belasteten Vornamen lebt“

  1. Interessant wäre ja auch, warum die Adolfstraße in Ahrensburg sich nicht wie das Vorbild mit ph schreibt. Wurde diese Schreibweise bei der Namensgebung (sicher vor ’45) als zu altmodisch empfunden?

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  2. Bei uns gibt es eine Adolf-Reichenbach-Straße, ein garnicht so unbedeutender Widerstandskämpfer. Bei den Welfen gab es auch einige Adolfs, und die waren immerhin englische Könige (wenn auch nicht die Adolfs).
    Die belasteten Straßen hatten aber normalerweise noch ein „Hitler“ hintendran

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  3. Bei uns gibt es eine Adolf-Reichenbach-Straße, ein garnicht so unbedeutender Widerstandskämpfer. Bei den Welfen gab es auch einige Adolfs, und die waren immerhin englische Könige (wenn auch nicht die Adolfs).
    Die belasteten Straßen hatten aber normalerweise noch ein „Hitler“ hintendran.

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  4. Also ich kenne nur Adolf Reichwein, von den Nazis hingerichtet, und die Strassenschilder in der Regel mit Erläuterung.

    Und natürlich die Schlange Adolphe (wahrscheinlich in dieseer Scheribweise) aus „Wir sind keine Engel“.

    Gern wurde auch nach dem Schwedenkönig Gustav Adolf benannt, aber in der Verbindung ist das eindeutig.

    Heutzutage nur Adolf zu vergeben klingt sicher verdächtig.

    Übrigens habe ich mal gelesen, dass auch während des Dritten Reichs der Name selten vergeben worden sei, auch schon, bevor es mit den „Blitzsiegen“ vorbei war.

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    • Ja, der Name Adolf wurde schon nach 1942 viel seltener vergeben:
      Adolf Häufigkeitsstatistik

      Ich interpretiere das als Indiz, dass die Begeisterung in Deutschland für Adolf Hitler nicht erst 1945 nachließ, sondern schon 1942.

  5. Adolph Kolping (1813-1865) ist ein positives Namensvorbild für den Namen Adolf. Seine Lebensgeschichte finde ich bemerkenswert. Es gibt bei uns auch eine Adolf-Kolping-Straße.

    Trotzdem ist der Name Adolf sehr belastet. Ich kenne nur zwei sehr alte Adolfs, die vor dem Zweiten Weltkrieg geboren wurden. Es wundert mich, dass der Name Adolf danach noch vergeben wurde.

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  6. Und jetzt aber doch noch etwas zum Projekt von Frau Haeming.

    Ziemlich bombastisches Webdesign bei bisher doch eher überschaubaren Content, würde ich sagen…

    Wirklich ärgerlich aber finde ich das hier:

    http://www.nameadolf.de/die-statistiken/

    Und zwar die neckische Zwischenüberschrift „Hallo Süddeutschland!“. Ohne jede historische Einordnung (und die fehlt auf der Seite) bedient das einmal mehr die finstersten norddeutschen Simpel-Klischees: „Der Süden war/ist braun.“ Mag sein, daß man damit heute in Berliner Journalisten-Kneipen oder in niedersächsischen Gesamtschulen Punkte sammeln kann. Aber es stimmt nicht. Eher ist das Gegenteil richtig.

    Natürlich beginnen Hitler und die NSDAP in München – das war halt in den frühen 20ern ein einzigartiger Brodelkessel für krause rechte Gruppierungen und Ideen. Aber jeder Blick in einen historischen Schulatlas mit den Wahlergebnissen der Reichstagswahlen der späten 20er und frühen 30er belehrt einen, wo die Nazifaschisten zuerst flächendeckend politisch führend werden:

    Nämlich nicht in Süddeutschland, sondern in ländlichen, protestantischen Gegenden, die sozioökonomisch von „freiem“ Bauerntum geprägt sind – so zum Beispiel in meiner niedersächsischen Heimat, so auch und gerade in Schleswig-Holstein.

    Um es nur anzudeuten: Es gibt dort erhebliche wirtschaftliche Probleme („Zinsknechtschaft“) und soziale Verwerfungen – und vor allem gibt es keinerlei politische Korrektive zum Nazismus:

    – Keine sozialistisch organisierte Arbeiterschaft wie in den Städten.
    – Natürlich auch kein liberales Großbürgertum.
    – Keine katholischen Pfaffen, die ihren Schäfchen erzählen, daß sie das Zentrum wählen sollen.
    – Nicht einmal Junker wie in Ostelbien, die ihre Domestiken zumindest bis Ende der 30er anweisen, DNVP zu wählen.

    Nordwestdeutschland und nicht Süddeutschland ist die erste reichsweite Hochburg des Nazifaschismus. Für die Häufung des Namens Adolf im Süden und Westen (wenn sie denn statistisch haltbar ist), muß es mithin andere Gründe geben.

    Ich möchte mich nicht zu sehr darüber echauffieren, die Site ist ja wohl noch im Aufbau, aber dieses „Hallo Süddeutschland!“ ohne jede Erklärung und Relativierung ist ärgerlich.

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    • Da der Vorname Adolf überwiegend weit vor 1933 vergeben wurde sagt die Telefonbuchkarte nichts über braune Neigungen aus. Adolf war in Süddeutschland mehr verbreitet als in Norddeutschland, so wie auch Josef, Maximilian oder Xaver.

      Ich finde dieses „Hallo Süddeutschland“ zwar nicht ärgerlich, aber albern. Und darum unpassend für diese Website.

      In der DDR war es verhältnismäßig einfach, seinen Vornamen zu ändern. Vermutlich gab es darum 1998 so wenig Adolfs im Osten.

    • Da der Vorname Adolf überwiegend weit vor 1933 vergeben wurde sagt die Telefonbuchkarte nichts über braune Neigungen aus. Adolf war in Süddeutschland mehr verbreitet als in Norddeutschland, so wie auch Josef, Maximilian oder Xaver.

      Ich finde dieses „Hallo Süddeutschland“ zwar nicht ärgerlich, aber albern. Und darum unpassend für diese Website.

      Ja, mag sein. Ob man das als albern oder als ärgerlich empfindet, ist wohl eine Frage des Temperaments, der Mimosigkeit und der Lehrerhaftigkeit. Jedenfalls könnte die Autorin den unangenehmen Eindruck mit einem erläuternden Dreizeiler („Der Name Adolf war um 1900 in Süddeutschland…“) und einem Verzicht auf die alberne Bildüberschrift problemlos vermeiden.

      In der DDR war es verhältnismäßig einfach, seinen Vornamen zu ändern. Vermutlich gab es darum 1998 so wenig Adolfs im Osten.

      Ich würde eher sagen, daß da irgendwas mit der Datengrundlage oder zumindest mit ihrer statistischen Umsetzung durch die Software der Website nicht stimmt: Auch wenn man anderer Top-Namen der 1900er Generation (Wilhelm, Karl, Heinrich, Hermann etc.) eingibt, wirkt die Ex-DDR wie leergefegt, und war sowohl im Modus „absolut“ als auch im Modus „relativ“.

      Nun hat es in der DDR an vielem gefehlt, aber gewiß nicht an Vornamen. Ja, der Osten war und ist dünner besiedelt als der Westen, aber er ist und war nicht menschenleer. Ja, es gab in der DDR weniger Telefone, man mußte als Privatmann jahrelang auf einen Anschluß warten. Aber hat das 1998 noch eine Rolle gespielt?

      Übrigens scheinen mir Telefonbücher als onomastische Quelle ohnehin zweifelhaft: Noch in meiner Jugend (als Telefonbücher ein viel alltäglicherer Gebrauchsgegenstand waren als heute) erfolgte der Eintrag von Familien in der Regel nur unter dem Vornamen des Familienoberhauptes, in der Regel also dem des Vaters. Auch wenn dann de facto Töchterlein Sabine (15) viel länger an der Strippe gehangen hat als Vater Klaus (45). Bei Rentnerehepaaren genauso: Otto steht im Telefonbuch, Erna telefoniert. Somit müßte es nach Telefonbüchern viel mehr Männer als Frauen gegeben haben.

    • Auch wenn man anderer Top-Namen der 1900er Generation (Wilhelm, Karl, Heinrich, Hermann etc.) eingibt, wirkt die Ex-DDR wie leergefegt

      Das war mir noch gar nicht aufgefallen, da ist wirklich was kaputt.

    • In der DDR waren Telefone rar; die meisten Anschlüsse dort sind erst nach der Wiedervereinigung angelegt worden. Und dann wurden sie wohl gleich auf die aktive Generation eingetragen und nicht auf die Ältesten im Haushalt. Im Westen hingegen erben die Kinder das Telefon ihrer Eltern (wenn sie nicht aus- oder umziehen) und somit sind die alten Namen im Westtelefonbuch zu erklären.

      Es war nicht alles gut im sozialistischen Osten.

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