Mein seltener Name und ich: Sheherazade

Mein seltener Name und ich

Namen wecken Erwartungen. Die einen mehr, die anderen weniger. Welches Geschlecht hat die Person, wie alt ist sie, wo ist sie beheimatet und so weiter. Manchmal auch: Aus was für einem „Stall“ kommt sie. Oder gar: Wie sieht sie aus. Namen stellen auch gewisse Anforderungen an alle, die mit ihnen zu tun haben. Sind sie lang oder kurz, vertraut oder fremd, einfach zu schreiben und zu sprechen oder eher ein Fall für Expertinnen und Gedächtniskünstler?


Meine heutige Interviewpartnerin sticht in beiden Bereichen heraus: Ihr Name weckt starke Erwartungen, über die sich viele Menschen einig sind. Und er ist herausfordernd in Sachen Schreibweise und Aussprache, deutlich herausfordernder als viele Eltern es heute ihren Kindern zumuten möchten. Wo Mia oder Leon auf einer Skala von eins bis zehn eine Eins sind, ist Sheherazade eine Zwölf.

Die Aussprache

Mit der Aussprache geht es schon los: Meine Interviewpartnerin spricht ihren Namen „Scherasade“, die letzten beiden Silben betont sie besonders. „Mein Vater würde allerdings eher ‚Scheraßad‘ sagen. Bei ihm klingt mein Name schärfer und kürzer“, erzählt sie. Einig sind sich Vater und Tochter darin, dass sie die zweite Silbe, das „he“, nicht mitsprechen.

Wer bei dem Namen gleich an die Erzählungen aus 1001 Nacht gedacht hat, Ali Baba, Aladdin, liegt ganz richtig. Scheherazade – oft mit Sch- geschrieben – spielt in der Rahmenhandlung der persischen Märchensammlung eine tragende Rolle. Sie ist die ebenso schöne wie kluge und mutige Tochter des Wesirs, die sich mit dem König verheiraten lässt, um dessen Treiben – er ehelicht jeden Tag ein neues Mädchen und lässt seine Frauen nach der Hochzeitsnacht töten – ein Ende zu bereiten. Dazu erzählt sie ihm Märchen mit Cliffhanger, sodass er sie am Leben lassen muss, um zu hören, wie es weitergeht. Nach 1001 Nächten ist der König bekehrt (und hat mit ihr bereits drei Kinder).

Keine exotischen Wurzeln

Meine Interviewpartnerin stammt keineswegs aus Persien. Auch „exotische Wurzeln“ sind nicht vorhanden. 1993 geboren, wuchs sie in Hamburg und im Raum Lüneburg auf. Für Menschen, denen sie sich zum Beispiel am Telefon vorstellt, ist die Schere zwischen ihrem Namen und ihrer Person immer wieder eine Herausforderung: „Keiner glaubt, dass ich das kleine blonde Mädchen aus Deutschland bin. Man vermutet eher die warme Region.“ Ausgewählt hat den Namen ihr Vater. „Er hat gesagt, dass ich eine Prinzessin bin. Deshalb war ich für ihn gleich zu Beginn der Schwangerschaft eine kleine Sheherazade“, berichtet sie. Als Bedeutung des Namens gilt auch tatsächlich „Vom König geboren“ oder „Prinzessin“.

„Mein Vater ist sehr belesen und liebt Extravaganz. Es gab wohl auch ein Musikstück zu dem Namen.“ Es sind sogar mehrere, von Nikolai Rimski-Korsakow (1888), Maurice Ravel (1898 und 1903) und der Band Renaissance (1975). Sheherazade findet die Geschichte um ihre Namensfindung „sehr süß“. Ihre Geschwister heißen Dominique und René. Der Name ihrer Schwester wurde ebenfalls von ihrem Papa ausgesucht, René hat einen anderen Vater. Für Sheherazade ist ihr eigener Name „am schönsten von den dreien. Dominique finde ich aber auch sehr besonders. Bei meinem Bruder hab ich immer gelacht, weil sein Name relativ einfach ist.“

Eigentlich nur auf dem Papier

Sie liebt ihren Namen: „Er ist perfekt für mich.“ Trotzdem wird sie – mit dieser Wendung hat sie mich ziemlich verblüfft – im Alltag quasi seit ihrer Geburt mit einem anderen Namen angesprochen. Nicht etwa mit ihrem zweiten Vornamen, so etwas hat sie gar nicht. Der Name ist Shari. „Sheherazade steht eigentlich nur auf dem Papier. Manchmal will ich sogar falsch unterschreiben.“ Widersprüchlich ist das für sie gar nicht, sie hat beide Namen, den offiziellen und den anderen, in ihr Herz geschlossen. „Alles Förmliche läuft über Sheherazade. Aber sobald ich das Du anbiete, heiße ich Shari.“ Und dann gibt es noch Spitznamen wie Cherie, Shan oder Cherry. „Meine Familie nennt mich auch mal Schrabbi oder Schrabbelzade“, sagt sie und schmunzelt.

Wie aus Sheherazade so schnell Shari wurde, weiß sie nicht genau, nur dass Schauspielerin Shari Belafonte wohl eine Rolle spielte. Und: „Meine Mutter wollte nicht, dass mein Rufname so lang ist, deshalb fand sie Shari auch sehr schön.“ Vielleicht – um mal wild zu mutmaßen – ist es ja gerade diesem familiären Kunstgriff zu verdanken, dass Sheherazade so ein entspanntes und positives Verhältnis zu ihrem Namen hat. Ein viel positiveres als etwa bei ähnlichen Voraussetzungen Zuleyka, die ich vor einigen Jahren mal befragen durfte.

Häufig bekommt sie Komplimente

Was mag sie an ihrem (richtigen) Namen? „Ich finde es schön, nicht wie jeder zu heißen, und ich mag die Geschichte dahinter. Es gefällt mir, dass mein Vater eine Prinzessin wollte, die sich und das Volk mit ihren Märchen retten konnte. Ich finde sogar, dass ich der Sheherazade aus 1001 Nacht ein bisschen ähnlich bin. Ich bin sehr kommunikativ und kann ganz gut mit Worten spielen.“ Häufig bekommt sie Komplimente für ihren Namen. „Und ich werde immer nach der Bedeutung gefragt. Gefühlt bei jeder neuen Begegnung.“

Und andererseits …? „Shari war für mich immer einfacher als Sheherazade. Die Menschen sind ja auch nicht immer so schlau … Gerade als Kind war es manchmal komisch, auch wenn es eher mein Nachname war, der zum Mobben einlud. Das Schreibenlernen war mit meinem Vornamen auch nicht so leicht.“ Noch heute kommt es vor, dass sie sich selbst bei ihrem Namen verschreibt, „wenn ich ihn zu oft schreibe oder bei der Unterschrift pausiere. Aber ich unterschreibe immer mit ganzem Namen.“ Dass andere Probleme mit der Schreibweise ihres Namens hatten und haben, stört sie schon. „Jetzt im Erwachsenenalter scheint es für die Menschen aber etwas leichter zu sein.“ Trotzdem: „Leicht verwirrte“ Reaktionen sind für Sheherazade Alltag. „Viele sagen ‚Sche-he-razade‘, ganz komisch betont, oder SHE-HE-razade.“ Sie muss oft buchstabieren. „Oder ich erkläre die Schreibweise mit ‚She‘ und ‚he‘ wie im Englischen und dann -ra-zade.“ Bei Ämterpost und Ähnlichem wird sie oft als Herr XY (ihr Nachname) oder als Herr Sheherazade angeschrieben.

Nicht ihr Ding: Märchenprinzessinnen-Look

Wenn sie mit ihrer Freundin unterwegs ist, ordnen Menschen, die sie nicht kennen, die Namen der beiden meist falsch zu: „Ich sehe aus wie eine Elisa und sie, wie sich die Leute eine Sheherazade vielleicht vorstellen.“ Sich selbst beschreibt Sheherazade – oder Shari – als jemanden, der „oft polarisiert. Mit meinem Aussehen und mit meinem Verhalten. Und dann noch mit dem Namen. Obwohl ich gar nicht so gern im Fokus stehe, bin ich irgendwie immer die Person im Raum, die auffällt.“ Der Märchenprinzessinnen-Look, ob europäisch oder orientalisch, ist nicht ihr Ding: Sie hat Tunnel in den Ohrläppchen, ist gepierct und trägt mit Vorliebe schwarz.

Ihren Namen hat sie schon öfter weiterempfohlen („Ich sage immer allen, sie sollen doch ihr Kind Sheherazade nennen.“) – bislang ohne Erfolg. Und wenn sie selbst ein Kind zu benennen hätte?
„Dann müsste es ein schöner, besonderer Name sein, aber kein abgespacter.“ Was ist für Sheherazade/Shari „abgespact“? „Namen wie Skyla, Nova oder so gefallen mir nicht. Amelia fände ich zum Beispiel gut.“

22 Gedanken zu „Mein seltener Name und ich: Sheherazade“

  1. Sheherazade ist wirklich außer gewöhnlich, bisher kannte ich nur die Märchenfigur und eine weise Katze aus einem Kinderbuch. In meiner Vorstellung ist eine Sheherazade auch dunkelhaarig, so geht es mir aber auch bei den Namen, Matteo, Isabella, Silas und Olivia 🙂

    Die Namensgeschichte ist eine schöne, allerdings würde ich persönlich als Mutter den Namen dann auch mal verwenden und ihn nicht nur fürs Papier wählen.

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  2. Ich fände es super, wenn ihr auch mal Leute interviewen könnt, die eine Migrationsgeschichte haben und dadurch ein anderes Verhältnis zu ihrem Namen in Deutschland. Deren Eltern zum Beispiel gar nicht einschätzen konnten, wie der vergebene Name in Deutschland wirkt, oder die Diskriminierungserfahrungen machen.

    Ich habe einen deutschen Vor- und Nachnamen und mir wurde schon öfter gesagt, dass Leute „über mein Aussehen überrascht waren“. Fand ich immer einen etwas komischen Kommentar. Was soll schon ein „deutsches“ Aussehen sein? Weil ich nicht blond und blauäugig bin?
    Natürlich kann niemand was für die eigenen Assoziationen, und ich stelle mir sicher auch mal jemanden falsch vor. Wenn man wirklich wissen will, wie es zu einem Namen kam, hebe ich mir das auf,wenn ich eine Person besser kenne. Dann teilt man solche Geschichten ja in der Regel gerne, aber bei der Begrüßung vor den Latz geknallt zu bekommen, dass die eigene Erscheinung Inkongruent zu den Erwartungen des anderen ist, finde ich immer erstmal verunsichernd.

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    • Für den Fall, dass sich das auch auf meinen Kommentar bezogen haben sollte, ich würde niemals zu jemanden sagen, du siehst aber gar nicht aus wie eine Ingrid/Isabella/Irmtrud. Es gibt Namen, bei denen ich ein Bild im Kopf habe, gerade dann, wenn ich nur eine oder keine Person kenne (oder nur eine Buchfigur). Dass liegt manchmal an der Herkunft des Namens, an der Bedeutung (einen kleinen, erwachsenen Magnus kann ich mir nicht vorstellen) oder manchmal einfach so. Die Vorstellungen ändern sich manchmal auch, wenn ich eine Person mit diesem Namen treffe.

      Ich kenne dieses „du siehst aber gar nicht so typisch deutsch aus“ auch.
      Gerne auch formuliert als „ Sag mal, deine Familie/ dein Name stammt aber nicht aus Deutschland, oder?“ (Begründung ist dann meistens die Augen- und Haarfarbe) Oder man springt vom Namen, den man nicht zuordnen kann, auf das Aussehen, das anscheinend nicht „urdeutsch seit 1235“ schreit.

    • Tuuli,
      Das ist mir auch schon mal passiert, einen schwarzen Schweden mit Namen Gösta kennengelernt und als erstes rutschte „du siehst gar nicht aus wie ein Gösta“ heraus. Jetzt weiß ich es natürlich besser. Aber gibt es vielleicht auch eine akzeptable Form, den ungewöhnlichen Namen zu bemerken, ohne dass du dich hinterfragt fühlst? Mit anderen Worten, kam es vor, dass jemand geschickt nach deinem Namen gefragt hat?

      In Deutschland hab ich die Erfahrung gemacht, dass Eltern mit Migrationshintergrund ihren Kindern, wenn sie ihnen deutsche Namen geben, manchmal eher altmodische deutsche Namen geben, wie sie vielleicht bei den Arbeitskollegen häufig sind, etwa Sonja, Thomas oder Jochen. Das kann dann noch eine ganz andere kognitive Dissonanz auslösen.

  3. @Miez, nein, das war gar nicht auf deinen Kommentar bezogen. So abstrakt finde ich es auch gar kein problem, seinen Assoziationen zu einem Namen freien Lauf zu lassen. Nur in der Kennlernphase eben nicht.

    @Ruth und Thema geschickt nach ungewöhnlichem Namen fragen:
    Ich finde das generell kein so glückliches Thema fürs Kennenlernen. Aber wenn man sich schon besser kennt, beide Seiten persönliche Details geteilt haben, dann ist Namensherkunft bzw. allgemeine Familienherkunft ja ein spannendes Thema.
    Aber eben in einem Rahmen, in dem beide etwas zu ihrem Namen oder ihrer Familiengeschichte teilen – und nicht nur die „anders aussehende“ oder „anders benamte“ Person etwas teilt.
    Auch wenn man Claudia oder Thomas heißt und seit 35 Generationen aus dem gleichen Dorf stammt, gibt es ja irgendwas an Namens- oder Familiengeschichte zu teilen. Und sei es nur, dass man den eigenen Namen immer langweilig fand, und damals nach dem Nachbarsjungen benannt wurde.

    Also einfach einen Kontext schaffen, in dem die Frage nach dem Namen signalisiert: Ich interessiere mich thematisch für Vornamen, oder: Ich möchte mehr zu deiner Person und Geschichte erfahren. Beim Kennlern-Smalltalk ist so ein Deep Dive ja gar nicht möglich, deshalb hat das Namen kommentieren dann schnell was von „bitte liefer mir die passende Schublade für dich“.

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    • Die Anregung mit den „migrierten Namen“ finde ich richtig gut.

      Jemanden auf seinen fremden Namen oder die Dissonanz anzusprechen finde ich auch schwierig. Aber mich stört dabei weniger das persönliche Thema, weil derartiges manchmal auch langweiligen Smalltalk auflockern kann – kann!
      Wenn die erste Reaktion bei einer Begegnung im übertragenen Sinn lautet: Hey, mir ist direkt aufgefallen, du bist anders, nicht normal oder bei dir scheint Grundlegendes nicht zu stimmen. Dann fühlt sich die betroffene Person kaum gleichsam dazugehörig.
      Entweder steht man über dem Drang nachzufragen und zeigt dem Gegenüber damit entsprechenden Respekt oder, und das fände ich eben doch aber mit Vorbehalt eine gangbare Lösung, man outet sich zuerst als Nerd, dann ist man nämlich selbst die Person, die nicht ganz normal ist.

      Letzteres gilt nur für unbekannte oder besondere Namen. Bei Dissonanz geht es nicht, um den Namen hinter der Person, sondern um die Person oder die Geschichte hinter dem Namen und das kann dann schnell übergriffig wirken. Man weiss schliesslich auch nicht, an was für einer Geschichte man dabei rührt.

      Man sollte auch bedenken, dass die Person womöglich ständig darauf angesprochen wird und es einfach nicht mehr hören kann.

    • Tuuli und Tameri,
      das habe ich schon öfters gemacht, mich selbst als Nerd geoutet. Ich hatte den Eindruck, das es nicht negativ ankam.

      Und bei der Dissonanz kann ich noch anführen, dass ich da selbst betroffen bin mit einem Namen, der seinen Peak fünfzig Jahre vor meiner Geburt hatte.

  4. Den Namen Sheherazade finde ich ganz grossartig!
    Spannender Einblick in ihre Welt. Interessant finde ich auch ihren Blick auf den Namen René. Während Menschen, die in einer Welt mit normalen, modischen oder traditionellen Namen aufwachsen bzw. selbst einen solchen tragen, wirkt das meiste ausserhalb der Norm schnell abgehoben. Aber andersrum stösst man ebenso auf Ablehnung, wenn man selbst mit einem besonderen Namen lebt, dann erscheint einem „das Standard-Sortiment“ manchmal eher langweilig, trist, vielleicht sogar traurig und wie in diesem Fall auch lächerlich.
    Ich persönlich tendiere eher zu letzterer Gruppe. Mir ringt niemand Begeisterung ab, wenn man seinem Kind einen gewöhnlichen Namen gibt. Schlecht finde ich es auch nicht. Kann man machen – muss man aber nicht.
    Aber die Mehrheit schwebt vermutlich irgendwo zwischen diesen beiden Welten.

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  5. Ich muss zugeben, dass ich mich davon, dass „Erwartungen“ und „Aussehen“ der Person in meinem Kopf nicht übereinstimmen, auch nicht freimachen kann. Bei den dunkelhäutigen deutschen Fußballern Ansgar Knauff und Ragnar Ache war das zuerst der Fall. Dazu beigetragen hat wohl auch, dass die Namen eh selten sind.

    Bei jungen Leuten, die Vornamen tragen, die eher out sind, habe ich auch gedacht, dass die Großeltern geehrt wurden.

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  6. @ Annemaus: Ich glaube, dass es bei „internationalen“ Namen, wie Namen aus der Bibel oder griechischen und lateinischen Namen, die es in Abwandlung in vielen Ländern gibt, weniger kognitive Dissonanz erzeugt als bei z.B. germanische Vornamen wie Ansgar oder skandinavischen Vornamen wie Ragnar, die mit einer bestimmten Region in Verbindung gebracht werden und dazu noch so selten sind. Wobei ich glaube, dass eine dunkelhäutige Person mit dem geläufigen skandinavischen Vornamen Sven auch etwas überraschen würde.
    Früher war es bei mir bei den biblischen Vornamen sogar andersherum: ich habe biblische Vornamen eher mit israelisch aussehenden Personen in Verbindung gebracht, weil ich sie zum ersten mal im Religionsunterricht in den Geschichten aus der Bibel gehört habe.

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    • Vermutlich ist es nicht nur der schwedische Name einer dunkelhäutigen Person, sondern dass unser Hirn bis heute einfach nicht in der Globalisierung angekommen ist und bereits stutzt, weil es in einem Land mit mehrheitlich hellhäutigen Menschen ebenso Menschen mit dunkler Haut gibt. Und wenn diese Person über seinen Namen dann auch noch mit der Region verwurzelt sein will, dann kommen wir gar nicht mehr mit, weil wir es ein Stück weit als unpassend bzw. nicht richtig „berechnet“ haben.
      Trocken betrachtet ist das etwas dumm und realistisch betrachtet ist das schlicht rassistisch. Aber das geht ja immer Hand in Hand.
      Mein Rat wäre daher, dass man in einem solchen Fall in Gedanken kurz den Kopf über sich selbst schüttelt und die Person lächelnd annimmt wie sie ist.

      Seinem Kind, das aufgrund von Migration optisch voraussichtlich aus der Mehrheitsgesellschaft herausstechen wird, einen Namen eben dieser Gesellschaft zu geben, ist in meinen Augen ein grosser Schritt. Meiner Interpretation nach möchten die Eltern nach aussen ein deutliches Zeichen der Integration setzen. Dabei müsste sich das Kind selbst ja gar nicht integrieren, weil es bereits in dieser Gesellschaft aufwächst. Als wollten die Eltern, wohlwissend welche Ablehnung sie erwarten könnte, ein Stück weit zwischen der Umgebungskultur und ihrem Kind vermitteln, beide einander näher bringen und für beide Seiten ein Zugehörigkeitsgefühl wecken.
      Schöner Gedanke mit einer traurigen scheinbaren Notwendigkeit.

      Wenn ich in derselben Situation wäre und die Wahl hätte, wüsste nicht, was ich machen würde. Aber daher wohl der Wunsch vieler Eltern einen möglichst internationalen, unverfänglichen Namen zu wählen, der in allen jeweiligen Sprachen „funktioniert“.

  7. Das als Vornamens-Nerd outen funktioniert auf jeden Fall 🙂
    In dem Rahmen würde man ja sämtliche Menschen mit außergewöhnlichen Namen auf diese ansprechen, egal ob jemand Friedhelm oder Eylül heißt.

    Ich habe mein kleines Fachwissen zu türkischen Namen auch schon gut in Smalltalk einbetten können, und dann zum Beispiel gesagt: Bedeutet Ezgi nicht Melodie? Da haben sich die Namensträger immer sehr gefreut, gerade weil türkische Name oft so schöne Bedeutungen haben, und die Namensbeziehungen leider oft eher dadurch geprägt sind, dass über den Klang gespottet wurde.

    Aber gleichzeitig beobachte ich auch einen wachsendes Selbstbewusstsein bis hin zu stolz darüber, dass der Name etwas über die Familiengeschichte aussagt, und dass sich jüngere Namensträger (oft 3. Generation) da auch selbstbewusster behaupten. Wenn ein Klassenkamerad einen blöden Witz macht, wird dem ganz cool gespiegelt: Pech für dich, dass du keine Ahnung von Persisch/Arabisch/Igbo hast.

    Als Lehrerin muss ich auch sagen, ich hab in der Regel keine Probleme damit mir die außergewöhnlichen Namen zu merken. Ich erfrage am Anfang die gewünschte Aussprache, schreibe mir ggf. eine kleine Lauthilfe auf der Klassenliste daneben und wenn ich den Namen zwei, drei mal ausgesprochen habe, ist der fest verankert.
    Durcheinander wirbel ich immer nur die ach so internationalen kurzen: Tom oder Tim, Lias oder Linus, Max oder Alex, …

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    • Ich frage meine Schüler auch immer zuerst nach der Aussprache. Ich merke mir Namen immer ziemlich schnell. Am schnellstens natürlich von Schülern, die durch ihr Verhalten (positiv oder negativ auffallen). Es sind wirklich die „einfachen“ Namen, die ich ab und zu vertausche, gerade wenn ich auch durch die Hospitationen ständig in anderen Klassen bin und die Schüler ähnliche Namen haben: Pauline, Polina, Paulina z.B

  8. Ich glaube nicht, dass jetzige Babys Rassismus ausgesetzt sein werden, da sie in einer globalisierten Welt aufwachsen.
    Es gibt mittlerweile sogar ein Blackwashing historischer Personen in Filmen um zu zeigen, wie divers man ist.

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    • Ich hoffe mal, dass Babys nicht mit Rassismus konfrontiert werden, aber die Welt ist es leider stellenweise noch nicht so weit.

      Blackwashing in Historien-Filmen und Serien ist da aber ein anderes Thema, denke ich. Da geht es ja um den Versuch, vergangenes Unrecht wiedergut zu machen und so Rassismus entgegenzuwirken. Eine löbliche Idee, aber ein, wie ich finde völlig falscher Ansatz. Man wirkt Rassismus nicht entgegen , nur weil ich unwichtige Nebenfigur 312 von einem People of Colour spielen lässt oder einer real existierend historische Persönlichkeit. Ich finde das persönlich ebenso kritisch wie whitewashing, aber das ist dann weit von den Namen weg.

    • Nein, es war nicht ironisch gemeint.
      Wir leben in einer Welt, in der eine Familie Mohr ihre Apotheke nach einem Shitstrom umbenennt, aber die Antidiskriminierungsbeauftragte Deutsche als „Kartoffeln“ beschimpfen darf. Die Woke-Bewegung möchte uns vorschreiben, wie wir unsere Haare tragen und welche Bücher wir lesen und Filme wir sehen. Das hatten wir doch schonmal in den 30er und 40er Jahren.

      Hiermit verabschiede ich mich aus diesem Forum. Lasst den Shitstrom beginnen.

    • Aber bitte nur Wechselstrom, wegen der Diversität. (Das war satirisch gemeint.)

      „Annemaus“ wird es ja nicht lesen, aber für alle anderen: Woke-bewegte Menschen lenken die Aufmerksamkeit auf rassistische, sexistische und soziale Diskriminierung. Ich finde es widerlich, das mit dem Nazi-Regime zu vergleichen. Und darum hat „Annemaus“ ab sofort in diesem Blog Hausverbot. Sie darf hier nichts mehr lesen und schreiben. Sagt ihr das bitte, falls ihr sie mal zufällig trefft.

  9. Sheherazade ist wunderschön, natürlich denke ich an eine Prinzessin aus dem Morgenland. Aber warum soll ein blondes Mädchen aus Norddeutschland nicht so heissen?
    Es gibt auch eine blonde Melanie und eine dunkle Bianca, ehemalige Schulfreundinnen meiner Tochter.
    Ich hoffe das Verständnis füreinander nimmt zu. Verbohrte Leute wird es vermutlich immer geben, aber eben auch viele andere, weltoffene.
    Selber habe ich Vorfahren aus verschiedenen Ländern, meine Mutter hatte hugenottische Vorfahren und die Erinnerung daran gepflegt, ihre Familie war deutsch von Staatsbürgerschaft, ihre Großmutter Dänin. Meine Großeltern väterlicherseits stammten aus Riga, mein Großvater hatte in Moskau studiert und an der Universität meine Großmutter, Russin, geboren am Schwarzen Meer in der Ukraine kennengelernt. Meine Eltern waren beide dunkelhaarig mit dunklen Augen, ich bin es auch gewesen, bevor ich grau wurde. In Italien wurde ich oft für eine Italienerin gehalten, das südliche Erbe meiner Großmutter, in Frankreich auf Französisch nach dem Weg gefragt. Unsere Kinder sind ebenfalls dunkel. Mein Sohn hat eine Aramäerin geheiratet aus dem syrisch/türkischen Grenzgebiet, die Kleine Theadora ist dunkel und hatte kaum Chancen anders auszusehen. Im Vergleich mit den Kindern meiner Tochter, die einen Mann, Typ Friesisch verheiratet ist, sieht Thea südländisch aus. Sagt jeder, der die Kinder zusammen trifft. Für mich schließt sich ein Kreis. Meine Schwiegertochter ist sehr stolz auf ihre Herkunft. Theadora ist nach byzantinischen Kaiserin Theodora benannt.

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  10. Ach je, ich wollte gar keine große Grundsatzdiskussion auslösen.
    Aber ich begrüße Knuds Entscheidung, bei Nazivergleichen Konsequenz zu zeigen.

    Es ist nur einfach so: Wer nicht „Deutsch“ im konservativen Verständnis aussieht, und weitere nicht-westeuropäische Kulturhintergründe in der Familie hat, ist bei der Namenswahl einfach +zusätzlich+ anderen Fragen ausgesetzt, die grob gesagt mit ansozialisierten Vorurteilen zu tun haben (von denen manche rassistisch sind).
    Man kommt aus der Nummer nicht raus. Entweder wird der Name allein oder Name+Aussehen in Kombination dafür sorgen, dass man mit solchen Vorurteilen konfrontiert wird.
    Da finde ich es einfach unglaublich spannend, unterschiedliche Perspektiven zu solchen Abwägungen werdender Eltern zu hören, und das Fazit von den Namensträgern.

    Sheherazades Eltern konnten sich ja quasi frei für diesen hierzulande schon rein statistisch ungewöhnlichen Namen entscheiden. Wenn sie ihr Kind Lisa genannt hätten, wäre nie jemand irritiert gewesen. Wer einen persischen Nachnamen und entsprechendes Aussehen hat, wird halt auch schräg angeschaut als Lisa.

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