Die Kleinstadt Lütjenburg liegt in der Nähe der Ostsee zwischen Kiel, Fehmarn und der Holsteinischen Schweiz. Heute sind dort gut 5.000 Personen gemeldet; anno 1769 waren es gerade mal etwas mehr als 1.000. Das weiß ich genau, denn damals gab es in Lütjenburg eine Volkszählung.
Vornamenhitliste aus dem Jahr 1769
Hier die Vornamen der Lütjenburger:innen im Jahr 1769 (in Klammern die Anzahl der Personen, die mit diesem Vornamen als erstem Vornamen registriert waren):
Lütjenburgerinnen | Lütjenburger |
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Es gibt kaum unterschiedliche Schreibweisen der Vornamen, weshalb ich diese für diese Auswertung nicht zusammengefasst habe. Johan und Johann stünden sonst an der Spitze, davon abgesehen gäbe es keine gravierenden Abweichungen.
Spannend! Sind auch ein paar Fragezeichen geblieben:
Engel: Kurzformen von althochdeutschen Namen wie Engelberta, evtl. abgeleitet vom Stamm der Angeln
Malen: Kurzform von Magdalena
Abel: niederdeutsche Kurzform von Apollonia, evtl. auch Kurzform von althochdeutschen Namen wie Adalberta; biblischer Männername
Blandina: zu lateinisch blandus „schmeichelnd“; frühchristliche Märtyrin
Elsch: Kurzform von Elisabeth(?)
Fraucke: zu friesisch frouwe „Ehefrau, Herrin“
Lehncke: Koseform von Magdalena(?)
Metta: niederdeutsche Kurzform von Mechthild
Öhlgard/Ohlgard: althochdeutsch adal „edel“/ uodal „Erbe“ / ouwa „Aue“ (???) + gard „Schutz“
Petronella: italienische Verkleinerungsform von Petronia; frühchristliche Märtyrin, der Legende nach Tochter des Apostels Petrus
Salome: hebräisch „die Friedliche“
Triena: Kurzform von Katharina(?)
Marx: Kurzform on Marcus
Cay: zu friesisch kempe „Kämpfer“ oder friesische Kurzform von möglicherweise Nikolaus oder Gerhardt
Asmus: Kurzform von griechisch Erasmus „liebenswürdig“
Clas: Kurzform von Nikolaus
Carsten: plattdeutsche Form von Christian
Henning: niederdeutsche Kurzform von Johannes oder zu Heinrich
Hyeronimus: altgriechisch „heilig + Name“; Kirchenvater
Ahrend: niederdeutsche Kurzform von zB Arnold, zu althochdeutsch arn + wald „Adler + Herrscher“
Bendix: Kurzform von Benedikt
Levin: niederdeutsche Form von althochdeutsch Liebwin „lieb + Freund“
Luder: zu althochdeutsch liut+heri „Volk + Heer“(?)
Malen kenne ich mit doppeltem „e“ aus dem Märchen „Jungfrau Maleen“ der Brüder Grimm, das aus Schleswig-Holstein kommt.
cool dass du so alte Dokumente gefunden hast. und so viele Namen kennt man heute noch bzw werden noch vergeben. Luder ist aber eher ungünstig.
Gerdruth ist eine merkwürdige Schreibweise. Hat der Datenerfasser der Zählung den Namen nach Gehör aufgeschrieben oder wurde der Name damals wirklich so geschrieben?
Das ist ein gute Frage. Vermutlich wurden die Namen wirklich nach Gehör aufgeschrieben, weshalb auch immer dieselbe Schreibweise auftaucht. Das ist eben die Variante, die der Zähler kannte.
Bei Abel hatte ich ja an den Bruder von Kain gedacht bisher – spannend!
Eine Lehncke hab ich auch im Stammbaum.
Von ca. 500 Mädchen und Frauen jedes Alters hießen 100 mit erstem Namen Anna, das ist schon ein Hammer … Vermutlich gab es diverse Spitznamen oder Zweit- bzw. Drittnamen als Rufnamen. Obwohl, da hätten die Volkszähler ja auch gleich Ruf- statt Erstnamen erfassen können …?
Die Volkszähler hatte alle Namen erfasst, ich habe aber nicht alle veröffentlicht. Insgesamt hießen noch viel mehr Frauen Anna.
Elsabe erinnerte mich von der Melodie her an Salome, die ja auch einmal vertreten ist. Letzterer finde ich als Salomea ganz hübsch.
Öhlgardt ist wirklich ungewöhnlich, habe ich noch nie gehört, klingt doch sehr ölig. Ulrica finde ich hingegen gar nicht schlecht, obwohl ich kein Fan von Ulrike bin.
Am erstaunlichsten finde ich aber Abel als Mädchenname. Adel für Adelheid hätte ich ja noch verstanden, aber Abel?
Bei den Männern gibt es auffällig viele Einsilber:
Hans, Claus, Paul, Marx, Cay, Georg ,Carl, Clas, Frantz, Hein
Bernd, Jens, Ernst, Thim,
Tim
Von den Namen klingen Tim, Levin und Niclas erstaunlich vertraut. Cay und Thim könnte man auch heutzutage in die „mit y und h wird’s individueller“-Ecke stecken. Auch Charlotta passt hier gut hinein, das hatte ich immer für eine moderne Neuschöpfungen von Charlotte und Carlotta gehalten.
Es sind viele Namen dabei, die mir gefallen, obwohl ich einige nur als Zweitnamen vergeben würde.
Meine Top 15:
Maria
Elisabeth
Lucia
Sophia
Magdalena
Johanna
Susanna
Augusta
Ida
Juliana
Lisbeth
Ottilia
Malena
Margareta
Rebekka
Bei den Jungs sind es nur 13 geworden:
Caspar
Christian
Daniel
Mathias
Niclas
Jacob
David
Jasper
Valentin
Ahrend
Bendix
Levin
Tim
Oh, bei Georg habe ich wohl an die englische Schreibweise gedacht.
Vielleicht ist Tim ja als Kurzform von Timotheus zu betrachten und THim als Kurzform von Dietmar, bzw. altertümlich THeotmar/THietmar (vgl. THilo)?
Oder die Eltern meinten, mit TH sähe der Name gebildeter aus, schließlich ist die Kombi in griechisch/hebräischen Namen sehr präsent ;-D
Immerhin wird das T im Hochdeutschen ja tatsächlich aspiriert, also ist die Schreibweise eigtl gar nicht so unsinnig.
Womöglich konnten viele Eltern selbst gar nicht lesen und schreiben.
Mein erster Gedanke: der Aufschreiber hatte wohl ein Faible für das C – das K kommt nur zweimal vor und auch nur, wie kann es anders sein, als CK 😉
Soweit ich weiß, gab es früher keine allgemein verbindlichen Rechtschreibregeln. Die gibt es, glaube ich, erst seit Ende des 19. oder Anfang des 20. Jahrhunderts.
Vorher hat jeder so geschrieben, wie er dachte. Nicht nur bei Namen, sondern auch bei vielen anderen Wörtern finden sich aus dieser Zeit unterschiedliche und z.T. für unser Empfinden merkwürdige Schreibweisen.
Noch in meiner Grosselterngeneration war man bei den Ämtern nicht so kleinlich, ob man jetzt Gertrud, Gertrude oder Gertruda hiess. Das konnte schon hin und wieder variieren. Wer hätte das denn auch kontrollieren sollen und selbst wenn es jemandem auffiel, ist das ja wohl eine vernachlässigbare Kleinigkeit.
Das war vor knapp hundert Jahren so, zu einem Zeitpunkt als die Bürokratie schon vorangeschritten war. Das stelle ich mir weitere 200 Jahre früher nochmal eine deutliche Nummer unverbindlicher vor.
Das spiegelt auch meine Erfahrung aus der Ahnenforschung wieder. Auch Namensvarianten wurden scheinbar nach Lust und Laune ausgetauscht, z.B. der damals unter meinen Vorfahren allgegenwärtige Johann durch Hans, manchmal auch Johannes, Joannes oder Jan. Beim Geburtseintrag stand tendenziell eher die längere Variante ausgeschrieben mit Zweit-, Dritt- oder sogar Viertnamen, bei Heirats- und Sterbeeinträgen eher die Kurzform aus ein bis zwei Vornamen. Auch die Reihenfolge der Vornamen änderte sich manchmal über die verschiedenen Einträge hinweg. Noch dazu variierten sie je nach Zeitperiode durch verschiedene Sprachen. So wurde z.B. Veit zu Vitus latinisiert oder Adalbert mit slawisch Wojciech gleichgesetzt. Etymologisch haben die letzteren beiden zwar wenig miteinander zu tun, aber die Bedeutungen stimmen überein.