Seit Dezember 2018 kann man in Deutschland neben männlich und weiblich auch divers als Geschlecht ins Geburtenregister eintragen lassen. Ich wurde seitdem des Öfteren darauf angesprochen, warum ich die Hitlisten der beliebtesten Vornamen weiterhin nur für Mädchennamen und Jungennamen erstelle. Warum gibt es kein Hitliste der am häufigsten vergebenen diversen Vornamen?
Auch ich bin der Meinung, dass eine dritte Auswertung für das dritte Geschlecht angebracht wäre. So die Theorie – in der Praxis ist das aber nicht umsetzbar, denn es werden nur sehr wenige Kinder mit dem Geschlecht divers beurkundet. Selbst wenn ich eine vollständige Liste aller entsprechenden Kinder hätte, könnte ich aus dieser spärlichen Auswertungsgrundlage keine aussagekräftige Rangliste erstellen. Bis auf weiteres wird es deshalb weiterhin nur Listen mit männlichen und weiblichen Vornamen geben und zusätzlich auch geschlechtsübergreifende Auswertungen. Das ist kein Statement, sondern Mathematik.
Gendersprache
Jetzt noch ein paar Worte zu einem verwandten Thema: Gendersprache. Es ist noch nicht so lange her, da war das generische Maskulinum in der deutschen Sprache wie selbstverständlich in Gebrauch. Frauen waren eben mitgemeint. Die Kritik daran hat inzwischen auch die breite Öffentlichkeit erreicht. Hier im Vornamen-Blog tue ich mich schon länger schwer mit dem generischen Maskulinum, denn wenn ich verschiedenen externen Auswertungen trauen kann, werden die Beiträge hier mindestens zu 80 Prozent von Frauen aufgerufen. Da finde ich es komisch, Leser zu schreiben und die Frauen mitzumeinen. Aber Leserinnen zu schreiben und die Männer mitzumeinen? Das kann ich mir – als Mann – gar nicht vorstellen, verstehe darum aber immer besser, was Frauen am generischen Maskulinum stört.
Glücklicherweise gibt es für dieses Problem viele Lösungen, zum Beispiel „Leser und Leserinnen“, „LeserInnen“, „Leser*innen“ oder „Leser:innen“. Unglücklicherweise hat sich noch keine dieser Lösungen etabliert, denn alle haben Vor- und Nachteile. Auch ich habe in den letzten Jahren hier im Vornamen-Blog mit diesen Varianten experimentiert und bin noch nicht zum Schluss gekommen, welche Auslegung der Gendersprache die Beste ist. Vorläufig habe ich mich für den Doppelpunkt entschieden und zwar aus einem sehr praktischen Grund: In dem Unternehmen, bei dem ich im Hauptberuf angestellt bin, wird jetzt offiziell mit dem Doppelpunkt gegendert und so ist es für mich naheliegend, dass auch sonst so zu machen.
Damit möchte ich euch Kommentator:innen und Co-Autorinnen aber nicht dazu auffordern, meinem Beispiel zu folgen. Schreibt gern weiter so, wie es euch gefällt. Nur beim generischen Femininum, da bin ich raus!
Bitte nicht gendern!
Nicht nur, dass es wenig Kinder gibt, deren Geschlecht nicht eindeutig bestimmt sind, hinzu kommt, dass nicht alle eine geschlechtsneutralen Namen erhalten. Wenn es biologische Indizien gibt, dass das Kind eher weiblich oder männlich ist oder weil die Eltern entscheiden, dass das Kind ein Junge/Mädchen sei (hoffentlich nur, bis es selbst entscheiden kann, wie es sich fühlt). Also kann ein Kind mit einem diversen Geschlecht nicht nur Janne, Alex oder Jona heißen, sondern auch Mila oder Leo (wenn ich mich nicht irre).
Zum Gendern. An der Uni ist das unter uns Lehramtsstudenten ein großes Thema. In Praktikumsberichten sollten wir dann SuS (Schüler und Schülerinnen) schreiben, abgesehen davon, dass man beim Tippen langsamer wird, klingt der Begriff albern. Schüler und Schülerinnen finde ich gut, war mir aber immer zu lange, sodass ich nur Schüler schrieb, mit einer Fußnote, dass ich den Begriff als geschlechtsneutral auffasse. Ich persönlich bin kein Fan vom Gendern, ich fühle mich als Frau nicht angegriffen, wenn man allgemein von Ärzten, Lehrern und Schülern spricht, da sind beide Geschlechter enthalten. Wenn ich gefragt werde, was ich werde, sage ich aber „Ich werde Lehrerin“. Wenn ich Nachhilfekinder sehe, sage ich „Schau mal, da sind meine Schüler“, es sei denn, ich sehe nur Mädchen, dann sind da meine Schülerinnen.
Abgesehen davon geht beim Gendern noch viel Schiff „weibliche MörderInnen“ habe ich vor Kurzem gehört. Bei manchen Berufen geht das Gendern auch nicht, weil sich der Stamm ändert (Arzt-Ärztin). Abgesehen davon, kann man Gendern und dennoch frauenfeindlich sein. Nicht die Worte müssen sich
ändern, sondern die Einstellungen.
Ich verstehe aber auch, wenn man sagt, dass man sich nicht repräsentiert fühlt. Dann gibt es auch Leute, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen, hier bräuchten wir tatsächlich ein eigenes Pronomen. Ich habe eine Kurzen Bericht über das Gendern und die LGBTQ-Gemeinde gesehen. Ein Vorschlag wäre „ens“ aus „Mensch“, vom Sprachgefühl her, finde ich „ens“ sehr gut im Deutschen machbar und natürlicher als „Lehrer:in“, zumal viele Leute keine Pause machen, sodass es dann wie „Lehrerin“ klingt. Stellenweise nimmt das Gendern doch abstruse Formen an, ich warte noch darauf, dass jemand Nonne, Schwangere und Mönch gendert…
Eine Aussage aus dem Bericht fand ich besonders spannend, dass Akzeptanz wichtiger ist als gendern, das sehe ich auch so.
Gibt auch schwangere Transmänner mit Bart und Babybauch 😉
Denen sollte man natürlich mit Respekt und Höflichkeit begegnen, aber das ist wirklich nur eine extrem kleine Personenzahl, daher fände ich es auch unnötig immer die „der*die Schwangere“ zu sagen.
@Sebald
Stimmt, da hast du recht.
Und es soll natürlich schief und nicht Schiff heißen.
Ich falle selbst so irgendwie in die Kategorie „divers“, habe mich aber nie am generischen Maskulinum gestört. Wenn immer mehr gegendert wird, wird das Maskulinum aber natürlich immer weniger als sexusindifferent wahrgenommen. Manchmal finde ich Gendern tatsächlich ganz hilfreich zur Repräsentation, manchmal aber auch zu umständlich (z. B. „der*die Bürger*innenmeister*in“). Ich würd das Ganze einfach nicht so dogmatisch sehen, und den Menschen selbst überlassen, inwieweit sie gendern möchten 🙂
Ich habe 2019 die Erst-, Zweit- und Drittnamen von über 600 deutschsprachigen transmaskulinen Personen auf Instagram gesammelt (überwiegend 13-26 Jahre alt). Ist natürlich keine repräsentative Stichprobe und Doppelzählungen sind nicht ganz ausgeschlossen, aber besser als nix:
Die Namensrangliste ähnelte grundsätzlich der aktuellen Babynamensliste. Es wurden also vor allem Namen gewählt, die aktuell beliebt sind (d. h. nicht unbedingt die Top-Namen der eigenen Generation). Überdurchschnittlich häufig vertreten waren Unisex-Namen und anglo-amerikanische Namen.
1. Luca
2. Finn, Fynn
3. Liam
4. Jonas
5. Elias, Elyas
6. Louis, Luis
6. Leon
7. Noah
8. Jaden, Jayden
9. Ben
9. Sam
10. Alex
10. Felix
…
(gleicher Rang = gleiche Anzahl in Stichprobe)
Die Beliebtheit von Jaden überrascht mich ein bisschen, da er anders als die andern Namen kein Top-Babyname ist (Platz 125).
Sam ist zwar ein Jungenname, aber für mich männlich besetzt.
Ich finde es sehr interessant, wenn sich Menschen ihren eigenen Vorname aussuchen, sonst sucht man Namen immer nur für andere aus.
In einem Bericht ging es um ein transsexuelles Mädchen, die sich mit fünf oder sechs ihren Namen selbst aussuchte, nach der Kinderserie „Prinzessin Sophia“. Auch wieder ein sehr beliebter Name, sowohl hier als auch in der USA, in der die Serie produziert wurde.
Aiden, Kayden, Brayden und eben auch Jayden (jeweils in diversen Schreibvarianten) waren in den USA in den letzen Jahren beliebte Namen für Babys und Transmänner, vlt ist das durch Social Media rübergeschwappt? Möglicherweise ist Jayden bei Transmännern, die nicht öffentlich auf Instagram aktiv sind, auch wesentlich unbeliebter…
Ich finde das auch sehr spannend, wie sich Menschen selbst einen Namen auswählen. Wer sich mit z. B. 14 Jahren selbst einen Namen aussucht, hat da vielleicht auch eine andere Sichtweise, als jemand der mit 34 Jahren einen Namen für sein Kind sucht. Namensvorbilder aus (Kinder-)büchern/-filmen sind mir da vereinzelt auch schon begegnet (Kovu, Marcelino, Sherlock, Skalle-Per)
In welchem Film/Roman taucht denn Skalle-Per auf?
Im schwedischen Original von Ronja Räubertochter heißt Glatzen-Per „Skalle-Per“ 🙂
Danke 🙂
Ronja Räubertochter habe ich nie vorgelesen bekommen noch selbst gelesen, sondern Madita, mein liebstes Kinderbuch, Michel und Die Kinder aus der Krachmacherstraße und natürlich Die Kinder aus Bullerbü. Die aufregendsten Namen war da für mich Inga, Kaisa und Alva 😉
Dazu fällt mir dieses Interview ein, das ich mal führen durfte: https://blog.beliebte-vornamen.de/2014/09/wie-mein-name-mich-gefunden-hat/
Diese Stichprobe wirkt auf mich als transmaskuline Person recht Aussage kräftig. Es ist schon was dran an dem Klischee, dass wir uns alle die gleichen Namen aussuchen
Finde das Thema namenswahl bei trans Personen wahnsinnig spannend und freu mich immer wenn ich wen anderen sehe, der sich damit auseinandersetzt!
Für mich war die namenswahl und auch die Verkündung des neuen Namens teilweise schwieriger als das eigentliche coming out, da ein Name einfach so etwas persönliches ist und es ja normalerweise nicht wirklich vorkommt, dass man sich selber einen Namen gibt.
Ich finde die Liste mit selbst gewählten Namen sehr interessant. Ich weiß nicht, ob es zutrifft, aber ich könnte mir vorstellen, dass ein Coming-Out als Transperson schwierig genug ist, ohne dass man jetzt einen super ungewöhnlichen Namen wie Bringfried oder Pankratius wählt. Dann sucht man sich eher einen bekannten Namen, oder?
Wenn hier noch Transpersonen unterwegs sind, mich würde interessieren, ob ihr zu irgend einem Zeitpunkt mal eure Eltern gefragt habt, welchen Namen ihr als euer aktuelles Geschlecht bekommen hättet und wäre der Name auch eine Option gewesen?
Mich hätten meine Eltern entweder Manuel oder Karl-Gustav genannt, je nachdem, wer sich durchgesetzt hätte. Manuel würde fast noch auf die Liste passen 😀
Bei mir war es so, dass ich immer wusste welchen Namen mir meine Eltern gegeben hätten, wenn ich ein cis Junge gewesen wäre, mir der Name (Paul) aber einfach zu häufig war bzw ich zu viele kannte, das wäre dann komisch gewesen.
Wollte meine Eltern eigentlich deutlich mehr in den Prozess mit einbeziehen, hab mich dann aber schon bevor ich bereit war mich bei ihnen zu outen an einen Namen gewöhnt, weshalb sie dann letztendlich doch nicht so viel Mitspracherecht hatten.
Mir war es aber sehr wichtig, dass es ein Name ist, von dem ich weiß, dass sie sich auch vorstellen hätten können, ihn zu vergeben. Als zweitnamen hab ich dann den Namen genommen, den ich auch als cis Junge als zweitnamen bekommen hätte, der noch dazu recht nah an meinem alten Namen ist 🙂
Zum Thema eher gewagten vs. bekannten Namen gibt’s soweit ich weiß Studien (im recht kleinen Rahmen halt), die zeigen, dass sich trans Frauen eher außergewöhnliche Namen suchen und trans Männer eher auf gewöhnlichere setzen.
Ich glaub aber, dass es hier besonders wichtig ist, dass man niemanden mit dem Namenn (gut) kennt. Für mich persönlich wäre es komisch gewesen, wenn ich einem Freund den Namen „abgeschaut“ hätte.
Mit war also durchaus wichtig, dass der Name bekannt ist, ich wollte aber trotzdem einen eher selteneren, der zumindest in meinem Umfeld nicht vorkommt.
Außerdem glaub ich, dass ich bei der eigenen Namensgebung deutlich weniger risikobereit war, als ich evtl in der Zukunft bei eigenen Kindern sein werde. Auf meiner Liste für zukünftige Kinder stehen zum Beispiel Friedrich oder Rudolf aber mich als 18 jähriger so zu nennen schien mir dann doch zu „out there“
Oskar,
danke für deine ausführliche Antwort. Interessant, vor 18 Jahren hätte ich einen Sohn auch Paul (Jonathan) genannt, damals kannte ich auch genau einen jüngeren Menschen, der so hieß, und der Name war voll retro/cool… Haben sich wahrscheinlich auch viele andere gedacht, die damals Eltern wurden.
Die einzigen berühmten Transmänner, die mir gerade einfallen, haben mit Chaz und Elliot Namen gewählt, die ihren früheren Namen Chastity und Ellen sehr ähnlich sind.
@Ruth: Die meisten trans-Menschen geben ihren Geburtsnamen halt nur ungern preis, da ist es also noch schwieriger Statistik zu betreiben. Ich kenne einige, bei denen der Geburtsname direkte Inspiration für den selbstgewählten Namen war (z. B. Angelique -> Angelo), aber die allermeisten wählen wohl einen vollkommen neuen Namen (vergleichsweise oft aber mit demselben Anfangsbuchstaben).
Meine Erfahrung nach fragen ziemlich viele irgendwann auch mal bei den Eltern nach, ob es vor der Geburt (oder aktuell) einen gegengeschlechtlichen Namensvorschlag gab, aber die meisten verwenden letztlich doch einen anderen Rufnamen. Sei es, weil der Elternvorschlag mittlerweile schon etwas aus der Mode gekommen ist, er mittlerweile schon durch eine andere Person besetzt ist, oder man online oder unter (queeren) Freunden schon lange vor dem Gespräch mit den Eltern einen anderen (Spitz-)Namen verwendet hat. Hinzu kommt bei manchen sicher auch, dass sie sich gerade ganz allgemein in einem Alter befinden, in dem sie sich lieber von ihren Eltern abgrenzen möchten – oder dass sich das Verhältnis zu den Eltern speziell durch das Coming-Out verschlechtert hat.
@Oskar: Mhm spannend, ich hatte bisher den subjektiven Eindruck, dass Transfrauen eher gewöhnlichere Namen wählen (z. B. Lena) und Transmänner tendenziell experimentierfreudiger sind (z. B. Skorpinius). Kenne aber auch wesentlich mehr transmaskuline Personen…
Besonders viele ungewöhnliche Namen sind mir bei nicht-binären Personen begegnet. Es gibt halt nicht so viele gängige Namen, die wirklich als unisex wahrgenommen werden, daher greifen dann einige auf Fantasie-Silbenkombinationen, „Spitznamiges“ (z. B. Mo, Jay), Namen von Farben (z. B. Gray), Naturobjekten (z. B. Sky, Fox) o. ä. zurück. Wobei da manche ihren selbstgewählten Namen auch nur im persönlichen (queeren) Umfeld verwenden und nicht bei der Arbeit etc.
Aber ja, ist schon schwierig, sich selbst einen Namen zu geben. Viele experimentieren da ja auch erst eine Weile rum, bis sie was gefunden haben, was für sie passt. Ich selbst versuch es zurzeit mit einem klassischen Heiligennamen, der v. a. im Jahrzehnt vor meiner Geburt sehr beliebt war (also nicht Sebald, bin jetzt keine 500 Jahre alt ;)). Hätten mir meinen Eltern diesen Namen bei der Geburt verpasst, würden ihn sicher alle fraglos akzeptieren. Aber so wurde ich schon mehrfach gefragt, ob man mich denn nicht einfach anders nennen könne, weil „zu sperrig“, „zu häufig“, „zu uncool“, „durch Arschloch XY besetzt“, …
Ich stelle gerade fest, dass es wohl schwieriger ist, für sich selbst einen Namen zu wählen, als für jemand anderen.
Zu den Namensrichtungen bei Transpersonen, ein Freund meines Bruder hatte einen sehr häufigen Mädchennamen, sagen wir mal Anna, und trägt nun einen bekannten Jungennamen, der seit dreißig Jahren vergeben wird, aber nie sehr häufig war.
Dann weiß ich von zwei Trans-Frauen, die eine hat aus dem von den Eltern vergeben Jungennamen die weibliche Variante gemacht (z.B Anton-Antonia).
Die andere trägt einen geläufigen russischen Vornamen, ohne irgendwelche russischen Wurzeln zu haben.
Luca seit 1996 Top Platzierung
Finn seit 1995 Top Platzierung
Jonas seit 1990 Top Plazierung
Elias seit 2004 Top Platzierung
Louis seit 1998 Top Platzierung
Leon seit 1994 Top Platzierung
Noah seit 1999 mindestens. Top 50
Ben seit 1998 mindestens Top 60
Felix und Alex sind zeitlos .
Überhaupt nichts verdächtiges.
Aber Jaden ist auf jeden Fall verdächtig.
Danke für deinen Beitrag! Ich bin absolut pro sendern bzw. habe ich neulich gelesen, dass eine Twitter-Nutzerin von ent-gendern spricht, dann das generische Maskulinum ist ja eine Form, die einem genfer entspricht während die Formen mit *, / oder : alle Gender beinhalten.
Außerdem gibt es doch eine große Anzahl an Studien, die den positiven Einfluss des (ent-)genderns gerade auf Mädchen und Frauen hat.
Und wo wir gerade beim Thema sind: es gibt auf diesem Blog doch auch einen Artikel mit geschlecht neutralen Namen. Könnte dieser noch durch die Namen, die in einer der letzten Namenssuchen genannt wurden, ergänzt werden?
ich verwende auch die männliche Form, wie Knud schreibt: Frauen waren mitgemeint. das ist für mich einfach normal. andere Sprachen haben nur ein Pronomen für er/sie und man muss aus dem Zusammenhang erschließen was gemeint ist. da regt sich auch keiner auf, so ist es halt dort gewohnt.
Gewöhnung sagt es schon: Man gewöhnt sich dran. Für die nächste Generation wird es unverständlich sein, dass nicht gendern normal war. Genauso wie die Generation Z es schon äußerst komisch findet, dass auch Frauen zu „Einzelhandelsmännern“ ausgebildet wurden und Frauen den Ehemann um Erlaubnis bitten mussten, wenn sie arbeiten wollten.
@Marthe
„Einzelhandelsmann“ als Frau?!
Das habe ich noch nie gehört, immer nur „Einzelhandels/Bürokauffrau“
Danke für diesen klugen Beitrag!
Es gibt allerdings reichlich Forschung das „mitgemeint“ nicht besonders gut funktioniert. Zum Beispiel geben Menschen andere Antworten wenn sie bei einer Umfrage gefragt werden: „Wer ist ihr Lieblingsautor oder ihre Lieblingsautorin“ als wenn die Frage nur lautet „Wer ist ihr Lieblingsautor?“ selbst wenn Autorinnen da natürlich mitgemeint sind. Aber die Art der Frage ändert den Gedankenprozess, der in der einen Formulierung dann Frauen stärker einschließt.
Es gibt sehr viel „Forschung“ dazu. Trotzdem gibt es keine Sprache auf dieser Welt, die alle Geschlechter, Hautfarben, Behinderungen etc., gleichzeitig zum Ausdruck bringen kann. Das muss auch so sein, denn Sprache muss reduzieren, um verständlich zu bleiben, sie muss konkludente Gedanken ermöglichen, wenn all das wegfällt, bleibt ein Gewirr, Stotterpausen und Lautmalerei sind ein Produkt einer gekünstelten, naiven Gesellschaft, die Unterschiede der Menschen betonen will, statt sich darauf zu konzentrieren, dass Menschen vor dem Gesetz gleich sind und sein sollten.
Ich hatte mal Grundkenntnisse in Chinesisch. Sicher gibt es hier weitere LeserInnen, die sich besser auskennen. Über deren ergänzende Kommentare würde ich mich freuen.
Soweit ich mich erinnere, kennt die chinesische Sprache eigentlich kein Geschlecht. Die dritte Person Singular lautet immer tā, im Plural tāmen. LehrerIn heißt beispielsweise lǎoshī und wird in der Anrede dem Familiennamen nachgestellt. ChinesInnen haben – wie EngländerInnen bei teacher – dabei vor dem geistigen Auge eine beliebige Person, die unterrichtet. Wir Deutschen denken bei Lehrer aber zuerst an einen Mann und bei Lehrerin an eine Frau.
Was nicht heißt, dass nicht an anderen Stellen sexuelle Stereotype auftauchen. So werden für Mädchennamen gerne andere Zeichen (mit Bedeutung in Richtung Schönheit, Sanftheit, Anmut, etc.) verwendet als für Jungennamen (mit Bedeutung in Richtung Stärke, Mut, etc.). Außerdem setzt sich das Zeichen für gut (hǎo) beispielsweise aus den Radikalen für Frau (nǚ) und Sohn (zĭ) zusammen.
Daugava, das ist nicht „Forschung“ in Anführungszeichen so wie beim Familienduell („hundert Leute haben wir gefragt, …“), sondern seriöse echte Forschung, die zeigt, dass unser Gehirn automatisch in Rollenstereotypen denkt. Wenn wir hören „Wissenschaftler haben gezeigt, dass…“ fühlen sich zwar die Wissenschaftlerinnen eingeschlossen, weil sie es halt gewöhnt sind, aber im Kopf der Zuhörer UND Zuhörerinnen ist in den meisten Fällen ein Bild von männlichen Wissenschaftlern. Das liegt zum einen an bildlicher Repräsentation aber auch an sprachlicher Repräsentation. Und das hat reale Auswirkungen auf das echte Leben, auch das hat echte Forschung gezeigt.
Wir können nicht das gleiche tun und ein neues Ergebnis erwarten = Sprache gleich lassen und gesellschaftlichen Fortschritt erwarten. Und Veränderungist nun mal erst mal ungewohnt und mag sich erstmal sperrig anfühlen, bis wir uns eben dran gewöhnt haben. – ich bin noch mit „Fräulein“ aufgewachsen und finde es um Nachhinein doch deutlich umständlicher als zu allen „Frau“ zu sagen. Da hat sich aber auch Jahrzehnte lang kaum jemand beschwert…
Und da Forschung zeigt, dass ALLE vom schließen der Geschlechter Lücke profitieren, kann man uns allen auch ein bisschen Umgewöhnung in der Sprache zumuten. Die positiven Auswirkungen vom gesamtgesellschaftlichen Fortschritt erstrecken sich nämlich nicht nur aufs „Gefühl“, sondern da geht es um wirklich wichtige Effekte auf Gesundheit, Sterblichkeit, Armut, DALYs, Sicherheit etc.
Ich kann allen, ganz besonders Vivi als angehender Lehrerin, das Buch „unsichtbare Frauen“ (C. Criado-Perez) empfehlen, die den aktuellen Forschungsstand zu Geschlechterunterschieden in vielen verschiedenen Lebensbereichen darstellt. Da schlackern einem echt die Ohren!
Ich verwende im Alltag auch die männliche Form und meine damit Männer und Frauen gleichermaßen. Ich finde man sollte das ganze nicht so eng sehen. Wie mgl es schon gesagt hat, in anderen Sprachen gibt oft nur eine Form für beide Geschlechter. Im englischen gibt es nur einen Artikel und für Berufsbezeichnungen gibt es nur eine Form für Frauen und Männer.
Ich lehne gendern aber auch nicht ab. Ich verstehe verschiedene Denkweisen zu dem Thema. Aber ich denke immer, leben und leben lassen.
Im Beruf benutze ich verschiedene Formen, z. B. „Liebe Mitabeiterinnen und Mitarbeiter…“ oder „Teilnehmer/innen“ und „sehr geehrte Damen und Herren“, sowieso.
Vivi
Die Abkürzung SuS für Schülerinnen und Schüler kenne ich inzwischen auch. Die Schule meiner Kinder benutzt SuS auch in Elternbriefen. (Zuerst wußte ich nicht, was das bedeuten soll.)
Den Begriff Transuse gibt es in Ostwestfalen auch noch. Die Bezeichnung „Susen“ für SuS kenne ich nicht, ich bin aber auch keine Lehrerin. Interessant, wozu solche Abkürzungen führen können.
Ich kenne Lehrer/innen, die wegen der SuS-Abkürzung dazu übergegangen sind, von „Susen“ zu sprechen, wenn sie Schüler/innen meinen. Für mich hört es sich an, als wäre von einer Gruppe die Rede, in der alle den Namen „Suse“ tragen, außerdem erinnert es mich an den Begriff „Transuse“ (ist der noch geläufig–habe ich seit meiner Kindheit nicht mehr gehört).
Ja, Transuse ist hier in RLP noch geläufig 🙂
@ Sebald: Vielen Dank für die Liste! Ich habe mich eine Zeitlang, um mich „weiterzubilden“, viel mit Berichten von Transpersonen beschäftigt, und hatte ebenfalls den Eindruck, dass da oft Namen gewählt werden, die auch bei Neugeborenen beliebt sind.
@ Vivi: Den Bericht über die kleine Sophia habe ich vor einiger Zeit auch gesehen und dachte dabei noch: Na, ein Glück, dass die Serienheldin einen so geläufigen Namen trägt – das Mädchen hatte doch, soweit ich mich erinnere, noch ein paar andere Namensfavoriten, die sie vielleicht ein paar Jahre später selbst nicht mehr so toll gefunden hätte, weil sie zu abgedreht waren. Als Sophia wird sie gut leben können.
Und zum Thema „sich selbst einen Namen aussuchen“ kann ich aus eigener Erfahrung etwas beitragen. Ich habe es hier vor Jahren schon erwähnt – bin eine Cisperson, also weiblicher Geschlechtseintrag bei der Geburt und weibliche Identität, konnte und wollte mit meinem Geburtsnamen aber einfach nicht leben. Als Kind habe ich dies und jenes ausprobiert und fand schließlich mit 12 den Namen, den ich mir dann als Erwachsene eintragen ließ. In den aktuellen BdW wurde ja gerade die Frage der kulturellen Aneignung thematisiert – im Grunde bin ich da „schuldig“, da ich einen russischen Namen trage, aber keine russischen Wurzeln habe. Hätte ich in etwas reiferem Alter gewählt, wäre es wohl ein in Deutschland geläufigerer Name geworden, aber die Entscheidung fiel einfach früh und ich kann mir für mich keinen anderen Namen vorstellen.
Meine Mutter mag meinen selbstgewählten Namen übrigens ebenso wenig wie ich meinen Geburtsnamen und lustigerweise ist ihr erst letztes Jahr aufgefallen, dass ihr die gängige russische Kurz-/Rufform ganz gut gefällt und sie ja die verwenden kann. Nun bin ich für sie zwar nicht Tatjana, aber wenigstens Tanja (Beispiel zur Veranschaulichung – mein Name ist ein anderer).
@cassis
Der Gedanke, dass „Prinzessin Sophia“ einen geläufigen Namen hat und die echte Sophia damit gut durchs Leben kommt, kam mir auch. Aber selbst wenn die Prinzessin Amadea, Lorella oder Miliana gehießen hätte, wäre der Name zumindest den Kinder vertraut gewesen und wenn’s passt, dann passt‘s 🙂
Doch in Disneyserien tragen die Figuren eigentlich alle recht normale, häufig englische Name.
Sofias Stiefgeschwister heißen Amber und James (hübsch, dass a, m und e aufgegriffen wurden). Da ich das gerade nachschauen musste (ich habe die Serie vor Jahren mit meiner kleinen Schwester gesehen), viel mir auf, dass die Serie eigentlich „Sofia die Erste“ heißt und Sofia mit f geschrieben wird.
Ich verstehe ja noch immer nicht, was an „Bürger*innen“ jetzt soo viel besser ist als bei „Bürger/innen“ oder „BürgerInnen“? Klar bei den Formular-Designer*innen klingelt mal wieder die Kasse, aber sonst?
Ich fühle mich übrigens auch als „Bürger“ angesprochen und kein bisschen weniger weiblich oder diskriminiert.
Außerdem hat @Vivi schon recht, dass die Reform sehr lückenhaft ist, wie heißt denn nun das diverse Geschlecht nach Abschluss seines Medizinstudiums – der Arzt, die Ärztin, das Örzt? Wessen Aufgabe wäre es denn gewesen, den passenden Begriff zu kreieren?
Bei Bürger*innen sollen Personen, die sich keinem der zwei Geschlechter zugeordnet fühlen, eingeschlossen sein. Dafür steht der Stern mit seinen Strahlen, der in alle Richtungen ausstrahlt. Soweit ich weiß, sind aber auch Bürger:innen und Bürger_innen ähnlich besetzt. BürgerInnen und Bürger/-innen dagegen macht „nur“ Männer und Frauen sichtbar.
Neben dem Punkt, dass sich einige Menschen bei einigen Schreibweisen ausgeschlossen fühlen, spielt auch die Barrierefreiheit eine Rolle. So können Screenreader für Sehbehinderte die Varianten unterschiedlich gut verarbeiten. Allerdings sind sich die Expert:innen noch uneinig, welche Lösung die beste ist.
Ja, in der Angelegenheit gibt es noch viele Lücken und Klärungsbedarf. Das wird noch ein paar Jahre dauern, bis sich da ein Standard etabliert hat. Darum auch meine pragmatische Entscheidung, einfach erstmal die Entscheidung meines Arbeitgebers aufzugreifen, bis es neue Argumente gibt. Wer weiß, vielleicht war das alles nur ein Strohfeuer und in zehn Jahren schreiben wir wieder wie 1980.
Wir alle können dazu beitragen, den passenden Begriff zu kreieren! Es gibt keine Institution, die dafür zuständig ist. Wenn dir ein genialer Begriff einfällt, dann wird der deutsche Sprachraum diesen begeistert aufnehmen und verbreiten und über kurz oder lang wird der Begriff Teil der Rechtschreibung werden.
vielleicht kommt dann die Umwelt/Klimawandel Gruppe und legt fest dass man bitte wieder zur ursprünglichen Schreibweise zurückkehren soll(männliche Form) um Papier zu sparen.
„Dafür steht der Stern mit seinen Strahlen, der in alle Richtungen ausstrahlt.“
Das finde ich eine schöne Erklärung.
„So können Screenreader für Sehbehinderte die Varianten unterschiedlich gut verarbeiten.“
Okay, wenn es Sehbehinderten hilft, dann habe ich durchaus Verständnis für die Reform.
Ich störe mich halt immer an der Vorstellung mancher Menschen, dass u. a. Sonderzeichen verantwortlich seien für ihre Emotionen. Und wenn das neue Sonderzeichen das Gefühl auch nicht wegmacht, was dann? 😉
Das ist nicht „Forschung“ in Anführungszeichen so wie beim Familienduell („hundert Leute haben wir gefragt, …“), sondern seriöse echte Forschung, die zeigt, dass unser Gehirn automatisch in Rollenstereotypen denkt. Wenn wir hören „Wissenschaftler haben gezeigt, dass…“ fühlen sich zwar die Wissenschaftlerinnen eingeschlossen, weil sie es halt gewöhnt sind, aber im Kopf der Zuhörer UND Zuhörerinnen ist in den meisten Fällen ein Bild von männlichen Wissenschaftlern. Das liegt zum einen an bildlicher Repräsentation aber auch an sprachlicher Repräsentation. Und das hat reale Auswirkungen auf das echte Leben, auch das hat echte Forschung gezeigt.
Wir können nicht das gleiche tun und ein neues Ergebnis erwarten = Sprache gleich lassen und gesellschaftlichen Fortschritt erwarten. Und Veränderungist nun mal erst mal ungewohnt und mag sich erstmal sperrig anfühlen, bis wir uns eben dran gewöhnt haben. – ich bin noch mit „Fräulein“ aufgewachsen und finde es um Nachhinein doch deutlich umständlicher als zu allen „Frau“ zu sagen. Da hat sich aber auch Jahrzehnte lang kaum jemand beschwert…
Und da Forschung zeigt, dass ALLE vom schließen der Geschlechter Lücke profitieren, kann man uns allen auch ein bisschen Umgewöhnung in der Sprache zumuten. Die positiven Auswirkungen vom gesamtgesellschaftlichen Fortschritt erstrecken sich nämlich nicht nur aufs „Gefühl“, sondern da geht es um wirklich wichtige Effekte auf Gesundheit, Sterblichkeit, Armut, DALYs, Sicherheit etc.
Ich kann allen, ganz besonders Vivi als angehender Lehrerin, das Buch „unsichtbare Frauen“ (C. Criado-Perez) empfehlen, die den aktuellen Forschungsstand zu Geschlechterunterschieden in vielen verschiedenen Lebensbereichen darstellt. Da schlackern einem echt die Ohren!
So ein schönes Thema. Am besten gefiel mir:
„Klar bei den Formular-Designer*innen klingelt mal wieder die Kasse, aber sonst?“
Die Lobby der Formular-Designer*innen hat das Thema losgetreten, um sich eine goldene Nase zu verdienen. Jetzt wissen wir’s. Das sieht denen ähnlich!
Wissenschaftlich betrachtet bin ich ganz klar auf der Seite des Genderns, weil es schliesslich ganz klar einen Unterschied macht. Gleichzeitig seh ich aber auch, dass es hier und da den Sprach- und Schriftsprachfluss stören kann, daher schenk ich mir es manchmal in der privaten Kommunikation, wenn der zwanglose, soziale Kontakt im Vordergrund steht. In diesem Fall schenkt man sich ja generell so manche sprachliche Korrektheit. Sobald es aber förmlicher oder öffentlicher wird, erachte ich es als unentbehrlich. In schriftlichen Arbeiten als Fussnote zu kennzeichnen, dass man sich das Gendern spart, aber trotzdem immer alle meint, ist zwar zulässig, gilt aber als unhöflich. Dieser Fauxpas ist mir auch schon passiert.
Ich schliesse mich an, dass wir vermutlich die Generation sind, die sich umgewöhnen muss und die nächste wird hoffentlich einmal fragen: „Was??? Früher hat man einfach immer nur von Männern gesprochen und die Frauen nur mitgemeint?! Und Kinderarbeit war in Deutschland zwar verboten, der Import von Produkten aus Kinderarbeit wiederum erlaubt???! Voll Mittelalter!!!“
Ich würde mir wünschen, dass die Kinder von Morgen einmal solche Dinge sagen werden/können, zumindest sinngemäss. Sprache soll sich ja angeblich laufend wandeln.
Die oben erwähnten Vergleiche mit anderen Sprachen sind hier im Übrigen völlig sinnfrei, denn es handelt sich um eine Hürde/ Bürde des Deutschen. Diese ist noch nicht ganz überwunden, aber man ist auf dem richtigen Weg und den geh ich mit, mal schauen wo er hinführt…
Es ist wirklich spannend sich als erwachsene Person einen eigenen neuen Namen auszusuchen. Diese Gelegenheit hat man aber auch, wenn man ein Pseudonym als Autor:in tragen möchte oder man im Internet in einem seriösen Vornamenforum einen Nickname wählt oder man sich einfach nur überlegt „Wie würde ich im echten Leben heissen wollen, wenn ich die Wahl hätte – für sämtliche Geschlechter?“. Letzteres ist am wenigsten Real Life, im Gegensatz zu einer offiziellen Eintragung bei den Behörden und der Bekanntgabe im Kreis seiner Mitmenschen.
Was ich aber allen werdenden Eltern ans Herz legen möchte: Eure Wahl, die ihr für euer Kind getroffen habt, würdet ihr selbst so heissen wollen? Das kann manchmal eine entscheidende Frage sein.
Ich habe mich in Facebookgruppen sowie Zeitungsberichten über Transmann Vornamen beschäftigt.
Der am häufigsten gewählte Name ist Liam. Wenn man Liam in der Personensuche bei FB eingibt und die jeweilige Stadt eingibt kommen in Ostdeutschen Städten wie Zittau Görlitz Hoyerswerda fast nur Transmänner. Diese schreiben öffentlich auf ihren Profilen Ftm (Frau zu Mann) transmann transboy etc. Ein Liam ist dann mit 12 weiteren Liams befreundet. In einer Transexuellen Gruppe bin ich dann auf 72 Liams gestoßen.