Die alten Sieger sind auch die neuen? Egal! Für junge Eltern und alle Namensinteressierten ist es trotzdem immer wieder spannend, wenn Vornamenanalytiker Knud Bielefeld aus Ahrensburg detaillierte Zahlen zu Deutschlands Babynamengeschmack liefert: die 1.000 beliebtesten Vornamen des Jahres. Hinzu kommen noch nach Bundesländern aufgeschlüsselte Listen sowie die beliebtesten Zweitnamen. 177.570 Kinder aus 466 Städten hat Bielefeld dazu 2019 in seiner Datenbank erfasst, das sind etwa 23 Prozent aller in diesem Jahr in Deutschland geborenen Babys.
AL: Die „Beliebtesten Vornamen 2019“ gingen bereits vor Weihnachten durch die Medien, veröffentlicht von der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS). Marie und Paul sollten demnach die Spitzenreiter sein. Allerdings handelt es sich dabei nur um eine vorläufige Prognose. Sind solche konkurrierenden Ergebnisse für die Öffentlichkeit nicht verwirrend?
KB: Ja, das stimmt, danach werde ich auch oft gefragt. Das Interesse an meinen Auswertungen trübt das allerdings nicht. Die Unterschiede lassen sich dadurch erklären, dass die GfdS für ihre Prognose Erst- und Zweitnamen gleichrangig behandelt. Nach meiner Erfahrung ist es aussagekräftiger, diese von vornherein zu trennen, weil das Gros der Eltern den ersten als Rufnamen nutzt und der Zweitname stumm bleibt, als sogenannte Nachbenennung Verwandte ehrt oder nur als „Schimpfname“ genutzt wird: „Emma Sophie, lass das Meerschweinchen in Ruhe“ – so in der Art.
AL: Bei dir gewinnen wieder mal Emma und Ben …
KB: Ja, dass Namensmoden sich nur sehr langsam ändern und erst mal Jahr für Jahr dieselben Namen oben stehen, kennt man ja schon. Trotzdem: Der Marktanteil von Emma und Ben bröckelt. 2020 könnte bei den Mädchen Emilia oder Hanna an der Spitze stehen. Bei den Jungen hat Paul ganz gute Chancen.
AL: Hat sich in den Top Ten sonst noch etwas Bemerkenswertes getan?
KB: Anna und Lukas sind jetzt raus. Ich habe erst mal ein bisschen gestaunt, wie lange Anna tatsächlich schon Top-Ten-Name war: seit 1981! 2006 waren Anna und Lukas sogar gemeinsam die beliebtesten Namen Deutschlands. Für die beiden sind Marie und Henry nachgerückt. Bei Henry hat sich das länger abgezeichnet. Marie war schon eher eine kleine Überraschung, der Name war ja bislang vor allem als Zweitname sehr beliebt.
AL: Welche Aufsteiger fallen dir 2019 noch besonders auf?
KB: Zwei neue Retronamen haben große Steigerungsraten: Gerda steht nun auf Platz 305, Hilda auf 191. Daran merke ich auch, dass ich selbst der Generation der Menschen, die Kinder bekommen, entwachsen bin. Während mir ein Name wie Emma gleich gefiel, denke ich bei Hilda noch zuerst an eine alte Tante. Eltern von heute haben andere Assoziationen. Das muss ich mitbedenken, wenn ich nach meiner Meinung gefragt werde.
AL: Und bei den Jungen …?
KB: Der ostfriesische Name Keno hat viel dazugewonnen, er steht jetzt auf Platz 232. Vielleicht hat dazu ja auch das RTL-Format „Die Bachelorette“ beigetragen, bei der Kandidatin Gerda sich schließlich für Keno entschied? In Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen finde ich außerdem die vielen kleinen Jungen namens Willi bemerkenswert. Willi könnte vielleicht „der neue Oskar“ werden – bislang war Oskar ein im Osten Deutschlands besonders beliebter Name.
AL: Du veröffentlichst auch immer eine Auswahl recht kurioser Namen. Wie ist das, versuchen Eltern heute, immer individuellere Namen zu finden?
KB: Nein. Es ist seit Jahren so, dass 50 Prozent der Kinder einen der zirka 120 häufigsten Namen tragen. Auch was danach kommt, ist noch recht häufig. Mein Eindruck ist, dass eher sehr junge Eltern möglichst individuelle, ausgefallene Namen wählen, weil sie meinen, sie schätzten ihr Kind so mehr wert. Sie lassen sich auch eher als ältere durch die Popkultur begeistern, Serienfiguren, Schauspieler oder Sänger, und nutzen dann den Kindernamen, um diese Begeisterung auszudrücken.
AL: In den Top Ten findet man ja nichts Schräges, sondern die Namen, auf die sich die meisten einigen können. Diese Namen sind alle recht kurz, nur Emilia, Sophia und Elias haben drei Silben …
KB: Es ist tatsächlich statistisch bewiesen, dass die Namen kürzer geworden sind. Allerdings waren die Rufnamen auch vor hundert Jahren oft schon kurz, ein Friedrich wurde damals oft Fritz oder Fiete genannt. Der Unterschied ist nur, dass heute gern gleich die Kurznamen eingetragen werden.
AL: Und wie sieht‘s nun mit deinem „Namen des Jahres“ Greta aus?
KB: Tendenziell wird der Name etwas weniger vergeben. Vermutlich ist er den Menschen zu „besetzt“ durch Greta Thunberg, ganz unabhängig von ihrer Meinung zum Phänomen Greta.
AL: Du erhältst immer wieder auch individuelle Anfragen von Namenssuchenden. War da 2019 etwas Besonderes dabei?
KB: Eher nicht, der Tenor ist meist derselbe: Man will einen Namen, den alle mögen sollen, aber es soll bitte noch niemand so heißen … Einige Eltern willigen dann auch ein, quasi öffentlich in unserem Blog zu suchen, das läuft meist sehr gut.
AL: Gibt es sonst noch Neues von beliebte-vornamen.de zu berichten?
KB: Ich habe einen weiteren Schatz aus meiner Datenbank gehoben und bei vielen Namen in meinem Lexikon die Häufigkeit eingetragen. Außerdem bin ich jetzt auch auf Instagram vertreten, mit hundert Followern aber noch weit davon entfernt, ein einflussreicher Influencer zu werden. Ich wollte dahin, wo junge Erwachsene und Eltern von morgen bevorzugt unterwegs sind. Außerdem ist es bei Instagram möglich, das Thema Namen auch mal weniger ernst zu nehmen, das gefällt mir. Auf Facebook fühlen sich die Leute schnell auf den Schlips getreten.
Willy Brandt, Willy Millowitsch oder Willi Herren, „Willi wills wissen“, „Free Willy“ oder doch eher einfach der eigene Opa Willi – wer oder was könnte den Anstoß für die neuen Willis gegeben haben?! Und warum gerade im Osten? Fragen über Fragen 🙂
Sehr spannend finde ich auch wieder die Vorliebe der Sachsen für Eddy, Egon, Erwin – sowie Kurt und Rudi.
Es gibt einen Kurzfilm „Planet Willi“ bei der Sendung mit der Maus, über einen Jungen mit Down-Syndrom.
Dazu auch ein Buch „wo ein Willi ist, ist auch ein Weg“ über den gleichen Jungen. Zumindest der Film war sehr charmant.
Ich kann mir vorstellen, dass einige werdende Eltern, die bereits Kinder haben, Sendung mit der Maus schauen. Das wäre vielleicht mal interessant herauszufinden, ob Zweitgeborene häufiger Namen aus Kinderbüchern oder -Filmen haben als Erstgeborene 😉
Ich wünsche euch allen hier ein frohes und gesundes neues Jahr.
Mir geht es genauso wie Knud, dass ich gar nicht mehr so mitbekomme, welche Namen unter den Neugeborenen gerade in sind. Wenn die eigenen Kinder größer werden, ist der Kontakt zu Familien mit Kleinkindern nicht mehr so gegeben. Ich habe mich über den Namen Pepe gewundert und die große Beliebtheit von Oskar ist an mir vorbei gegangen.
Marie – ich kenne zwei junge Frauen und eine 8jährige Marie. Der Name ist als alleiniger Rufname zumindest nicht ungewöhnlich.
Die neue Beliebtheit von Willi finde ich auch bemerkenswert, vor allem wenn die wirklich nur Willi/Willy heißen und nicht Wilhelm. Wilhelm würde ähnlich wie Friedrich zur Retro-Welle passen. Einen 10jährigen William kenne ich allerdings, der es cool findet, Willy gerufen zu werden. Vielleicht ist es das, dass Willy als cool empfunden wird.
Erwin – einer ist in der Klasse meiner Tochter. Hat einen Migrationshintergrund – wie auch immer – (ich kenne ihn nicht näher).
Also, ich bekomme schon mit, welche Namen unter den Neugeborenen gerade in sind. Das ist steht ja sogar im Mittelpunkt meines Vornamenhobbys. In aller Bescheidenheit: Ich bilde mir sogar ein, dass sich da niemand besser auskennt als ich. Allerdings entfernt sich mein persönlicher Geschmack mit den Jahren von den Vorlieben der werdenden Eltern. Vor 13 Jahren, als mein Sohn geboren wurde, gehörte ich noch voll dazu. Jetzt sind die Eltern im Schnitt 20 Jahre jünger als ich und haben teilweise ganz andere Assoziationen zu den Vornamen – vor allem was die Retro-Namen angeht.
Nebenbei, ich war im Fernsehen:
NDR: https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/schleswig-holstein_magazin/Babynamen-2019-Ben-und-Emma-in-Schleswig-Holstein-vorn,shmag68974.html
SAT1: https://www.sat1regional.de/das-sind-die-beliebtesten-vornamen-fuer-neugeborene-im-norden/
Knud – du stehst sogar regelmäßig in einer regionalen Zeitung von Ostwestfalen. In der Silvesterausgabe war ein Artikel über die neueste Hitliste.
Und was die neuesten Trends bei den Neugeborenen betrifft – wer sollte sich da besser auskennen als du.
Den Geschmack der jungen Eltern teile ich auch nicht immer. Allerdings an Hilda und Irma kann ich mich gewöhnen, während ich Willi nur als Rufname für einen Wilhelm okay finden würde.
An die klangvolle Hilda kann ich mich trotz der vielen älteren Damen wesentlich besser gewöhnen als an die plumpe Emma, die jeder so toll findet.
Gerda finde ich etwas besser als Emma, aber definitiv nicht schön genug. Daran ändern auch operierte C-Promis aus meiner eigenen Generation nichts.
Willy könnte der neue Henry werden. Wäre mir aber zu süss für einen Erwachsenen.
IN werden sollten meiner Meinung nach Agatha, Lioba und Wilhelmine/a.
Für Jungen finde ich Arno und Hermann schön und seriös.