Rockstar und Bundespräsident

„Ein guter Name ist, wenn man damit Rockstar und Bundespräsident werden kann.“

So konstatierte es, ohne große Vor- oder Nachrede, kürzlich ein Vater bei Facebook. Markig gesprochen, nur was soll man damit anfangen?


Bundespräsident wird man frühestens mit 40. Wie soll man heute wissen, welche Namen 2055 für einen integren Staatsmann oder eine integre Staatsmännin/Staatsfrau als passend empfunden werden? Zahnärztinnen, die Elsa Fiona heißen, Staatsanwälte, die auf Flynn-Leon hören, oder auch bloß die Tatsache, dass Jonah Amadeo selbst Auto fährt – all das scheint kaum vorstellbar, und doch wird es so kommen. Theoretisch könnte bereits ab 2031 ein Bundespräsident Kevin heißen. Immerhin war Kevin mal auf breiter Front beliebt und 1991 der Shootingstar (Platz 1!) der deutschen Namenscharts. Oder würde ein Aufstieg zum Staatsoberhaupt eben durch die spätere Schubladisierung von Kevin boykottiert?

Ich lese aus dem obigen Satz zwei Dinge heraus. Zunächst einmal die heute verbreitete Furcht, etwas falsch zu machen, dem Kind mit seinem Namen Wege zu verbauen, ihm zu viel vorzugeben. Etwas, das auch mich an manchen Namen zweifeln lässt, etwa an Daymien oder Rosalie. Und zweitens ein Herabblicken auf all jene, die es nicht schaffen, einen „guten Namen“ zu vergeben; ob aus Mangel an Weitblick oder an Ehrgeiz für ihr Kind, sei dahingestellt. Hm.

Kleiner Junge singt und spielt Gitarre © Anja Greiner Adam – fotolia.com
Rockstar. Foto © Anja Greiner Adam – fotolia.com

Natürlich gibt es heute Kindernamen, die man eher mit Rockstar und andere, die man eher mit Bundespräsident(-in) assoziiert. Mir fallen zuerst Lenny (aktuell Platz 80) und Miley (Platz 356) ein, versus Johannes (Platz 56) und Elisabeth (Platz 96). Diese Verbindungen speisen sich aus dem, was wir kennen: amerikanischen Musikstars sowie Bundespräsidentennamen wie Johannes, Roman, Richard, Karl, Gustav oder Theodor. Führt ein Name unweigerlich zu einer bestimmten Karriere? Bei Bill Kaulitz hat es jedenfalls geklappt.

Wollte man den Vorgaben des Facebook-Papas folgen, gälte es (aus heutiger Sicht!), einen Namen zu finden, der …

  • nicht zu jenen Namen gehört, die länger weg vom Fenster waren, und die man mit einer gutbürgerlichen Haltung verbindet.
  • international funktioniert, also zum Beispiel ohne Umlaute auskommt.
  • auch von weniger medienaffinen Bürgern richtig gesprochen, geschrieben und einem Geschlecht zugeordnet werden kann.
  • kein Y enthält, wo es auch ohne geht, und nicht als Verniedlichung angesehen wird.

Aber ob man mit dem Resultat – mittelhäufig, mittellang, mittelprächtig – wirklich glücklich wird? Sowieso wird es beim ersten Punkt schon schwierig. Schließlich haben Hipster-Eltern den etwas umständlichen Charme mancher alter Namen längst wiederentdeckt und sie quasi gegen den Strich gebürstet. Und eine britische Rockband benannte sich 2002 nach einem gewissen österreichisch-ungarischen Erzherzog: Franz Ferdinand (deutsch gesprochen). Konservativ oder cool, wer weiß das schon so genau? Künstlernamen jedenfalls – wie zu Zeiten Gerhard Höllerichs (Roy Black) – sind heute kaum mehr nötig.

10 Gedanken zu „Rockstar und Bundespräsident“

  1. Hey, hey, hey, ich war der Goldene Reiter.
    Hey, hey, hey, ich bin ein Kind dieser Stadt.
    Hey, hey, hey, ich war so hoch auf der Leiter,
    Doch dann fiel ich ab,
    Ja, dann fiel ich ab.

    😉

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  2. Wenn man Bill Kaulitz erwähnt, könnte man interessanterweise auch die anderen Bandmitglieder genauer begucken. Sein Bruder Tom, den ich recht neutral einordnen würde und aber Gustav (Klaus Wolfgang) und Georg (Moritz Hagen). Beide vom Namen her eher Bundespräsident, oder? 🙂

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    • Als diese Jungs allmählich berühmter wurden, fielen mir diese gegensätzlichen Namen auch auf! Bill, der gewöhnliche Tom (bei uns jedenfalls) und Gustav und Georg, die ich unwahrscheinlich toll fand (die Namen!).

      Ich finde, mit meinem Sohn Hugo habe ich alles richtig gemacht: alternativ und konservativ 🙂

      Wenke

    • Wenn man Bill Kaulitz erwähnt, dann darf als Gegenpol Bill Clinton nicht unerwähnt bleiben. Noch zudem, weil es sich ja dabei mehr oder weniger auch um einen „Künstlernamen“ handelt – den richtigen kennt ja kaum einer.

    • Ihr habt ja so recht! An Bill Clinton musste ich auch noch denken. Bei den Amis mit ihren z.T. „verborgenen“ offiziellen Namen (William Jefferson) kann man mit seinem Spitznamen offensichtlich beides werden: Rockstar und Mr. President (bloß nicht gleichzeitig ;-)).

      Georg und Gustav mag ich auch beide sehr. Tom ist zwar viel häufiger als Bill, fällt für mich aber in eine ähnliche Sparte – als USA-taugliche Kurzform eher Rockstar als Politiker.

  3. Gerade bin ich über den Sänger Johannes Oerding (Jahrgang ’81) gestolpert. Also im übertragenen Sinne 😉 Es geht also doch mit Bundespräsidentennamen, ohne dass man sich in Joe oder Johnny umbenennen müsste. Allerdings singt der Herr auch deutsch.

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  4. Mir fallen als Beispiele die drei Herren der Sportis (Sportfreunde Stiller) ein: Peter, Florian und Rüdiger.
    Wohl auch alles eher Namen für Bundespräsidenten, oder.

    Die sinden allerdings auch deutsch; doch ob die Sprache beim Gesang wirklich eine so große Rolle spielt, da bin ich mir nicht so sicher: Wenn’s rockt, dann rockt’s 😉

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  5. Grundsätzlich möchte ich dem zitierten Herrn durchaus zustimmen:
    Man sollte als Eltern auch immer im Blick haben, dass der Nachwuchs durchaus mal erwachsen wird und in der einen oder anderen Richtung Karriere machen könnte. Und da wirken vollständige und „korrekt“ geschriebene Vornamen halt einfach professioneller.

    Es muss ja nicht gleich der Bundespräsident angepeilt werden, auch Ärzte oder Anwälte sind durchaus Personen, bei denen man eine gewisse Seriosität erwartet, die für mich bei Kety-Mia und Remie Gerome (zwei Beispiele aus kürzlichen Babynamen der Woche) irgendwie nicht so ganz gegeben sind.

    Mag natürlich sein, dass das in 30 Jahren, wenn die heutigen Babies groß sind, schon wieder ganz anders aussieht, weil sich das allgemeine Empfinden der Namensrealität angepasst hat.

    Ebenso soll niemand seinem Kind einen Namen aufdrücken müssen, den Vater und Mutter hassen, der aber eben eine hohe Wahrscheinlichkeit hat, dass mal ein „Dr.“ davor steht.
    Da gibt es ja zum Glück aber auch immer noch Alternativen.

    Trotzdem finde ich persönlich, dass ein Kind zumindest einen vollständigen Namen verdient hat, den es in seine Bewerbungen und an die Tür der späteren Kanzlei/Praxis/… schreiben kann, und dass Koseformen und Verniedlichungen etwas für das private Umfeld sind.

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