Seit ich klein bin, habe ich eine Schwäche für Adelshäuser, alte wie neue. Ich liebe Adelsbiographien und lese sie gerne im bekannten Onlinelexikon. Mich fasziniert diese Welt, in der ich gerne mal einen Tag, aber nicht für immer leben würde.
Meine Lieblingsadlige war eine Dame mit bunten Hüten und schneeweißem Haar, die mich an meine Uroma erinnerte: Queen Elizabeth II. Als sie vor wenigen Wochen starb, war ich etwas geschockt und traurig. Dass mich der Tod einer fast hundertjährigen Dame, die ein erfülltes Leben geführt hat und der ich niemals begegnet bin, betroffen gemacht hat, mögen einige verwundern. Aber sie war immer da, in der Zeitung und im Fernsehen. Sie war so etwas wie die (Ur-)Oma der Welt. Nach ihrem Tod wurden auf allen Fernsehsendern Dokumentationen zu ihrem Leben gezeigt und ich habe einiges dazugelernt. So hat die Queen sich ihren Spitznamen Lilibet selbst gegeben, da sie als kleines Mädchen Elisabeth nicht sagen konnte. Ihre jüngere Schwester wurde in der Öffentlichkeit stets mit zwei Namen – Magret Rose – angesprochen. Aber warum? Damit die Silbenanzahl näher an der ihrer großen Schwester liegt? Außerdem hieß ihr erster eigener Corgi Susan; diese ist die Urahnin all ihrer anderen Hunde.
Wie viele Vorfahren finde ich?
Neben den Dokus, die ich verschlang, nutze ich die Zeit, mal wieder ihre Online-Biographie zu lesen und blieb am Reiter „Vorfahren“ hängen. Ich spiele manchmal ein Spiel mit mir selbst. Es heißt: „Hat Person X noch lebende Nachkommen?“, ich klicke mich als von Nachkommen zu Nachkommen und lese hunderte Jahre von Familiengeschichte. Dieses Mal machte ich es andersherum: „Wie viele Vorfahren finde ich?“. Also klickte ich mich von Artikel zu Artikel und war immer wieder erstaunt, mit wie vielen europäischen Königshäusern die Queen verwandt war. Natürlich war mir das vor dem Lesen bewusst, schließlich gilt ihre Ururoma Queen Victoria als Großmutter Europas. Aber die unterschiedlichen Namen zu sehen, machte es irgendwie greifbarer. Während des Lesens sind mir natürlich einige Namen ins Auge gesprungen, die ich euch nicht vorenthalten möchte.
Hexe oder Zauberin?
Ein Teil der Namen könnten heute auch noch so vergeben werden, wie der von Antoinette Amalie von Wolfenbüttel („Antonia war uns zu häufig“), von Magdalena Augusta von Anhald-Zerbst („Wir mögen es klassisch“) oder der von Graf Moritz von Oldenburg („Wir wollten was Freches“). Immerhin befinden sich Magdalena mit Platz 99 und Moritz mit Platz 23 aktuell in den Top 100. Die Frau des Grafen Moritz hieß Salome von Wickrath. Der Name klingt wie der einer guten Hexe oder Zauberin.
Die Eltern von Franz Josias von Sachsen-Coburg-Saarfeld (drei Bindestriche!) wiederum haben mit der Kombi aus klassisch und selten-biblisch einen Namen geschaffen, der so auch in den aktuellen Babynamen-der-Woche erscheinen könnte. Auch Enno III von Ostfriesland und Ebba Eriksdotter Wasa könnten Babys von heute sein. Enno wird ja ab und zu in der Rubrik „Wie soll ich mein Baby nennen“ vorgeschlagen, anders als der weiblichen Form Enna, kann ich dem Namen wenig abgewinnen. Die Bedeutung sollten Enno-Fans (aktuell Platz 112) ungeachtet meiner Meinung aber trotzdem wissen. Sie steht dem Klang doch sehr entgegen: „Schrecken“. Ebba wiederum reiht sich durch die Kombination aus e-Doppelvokal-a gut neben Emma, Ella, Edda und Enna (ha!) ein.
Schade, ein Mädchen
Der Name einer anderen Urahnin: Ferdinande Henriette zu Stolberg-Gedern klingt für mich leider nach „Schade, ein Mädchen, wir wollten doch einen kleinen Ferdinand Heinrich“. Während Ferdinand aktuell auf Platz 164 steht, ist Ferdinande extrem selten. In Knuds Datenbank gibt es lediglich einen Eintrag aus dem Jahr 1904. Henriette hingegen belegt immerhin Platz 293. Die Kurzform Jette sogar 146.
Ich könnte, gerade in der deutschen Verwandtschaft der Queen unzählige aktuell klingende Kombination nennen, aber seien wir ehrlich, die ungewöhnlichen Namen reizen doch mehr.
Das Mittelalter bietet da einiges (wobei auch Graf Moritz im 12. und 13. Jahrhundert gelebt hat).
Ein süßer Name für einen Schafsbock
Wolrad II von Waldeck ist mir als erster ins Auge gesprungen. Klingt wie ein süßer Name für einen Schafsbock. Elbowin hat vor vielen Jahren in seinen „Namensfundstücken“ einen Wolrad genannt, ansonsten ist es um den Namen doch etwas mau bestellt, vermutlich ist er vielen zu wollig. Der Name ist eine Nebenform des altdeutschen Namens Volrad und setzt sich aus den Worten folc (Volk) und rad (Rat) zusammen. „Ratgeber des Volkes“ ist eine wirklich schöne Bedeutung, wie ich finde, wenngleich ich bei dem Namen ein leises „Mäh“ nicht unterdrücken kann.
Auch Egilmar, der auch als Egelmar, Engilmar und Eilmar überliefert ist, hat es in sich. Seine Frau trägt passenderweise ebenfalls einen ungewöhnlichen Namen: Richenza, ein Name, der sich in damaligen Adelsfamilien doch größerer Beliebtheit erfreute. Richenza leitet sich von dem Althochdeutschen ric (reich) ab. Wen das zu sehr an „riechen“ erinnert, wie wäre es mit Rikissa? Oder ab Rixa, mit frechem x. Mit Rixa von Hoya kann man dann sogar wieder auf eine Verwandte der Queen verweisen. Allgemein fällt auf, dass die Damen wesentlich ungewöhnlichere Namen als die Männer haben, so auch bei Heseke von Dassel. Ihr Name klingt für süddeutsche Ohren doch sehr nach Hexe. In Norddeutschland kommt diese Assoziation vielleicht nicht gleich auf, schließlich ist die „ke“-Endung sehr beliebt. Die Herkunft des Namens ist nicht ganz klar, möglicherweise handelt es sich um eine Nebenform zu Hedwig oder hat etwas mit dem Fluss Hase zu tun. Eindeutiger aber ebenso ungewöhnlich ist da hingegen der Name der Lutrud von Itter. Getrud und Irmtrud habe ich ja schon gehört, aber Lutrud? Der Name setzt sich aus entweder aus dem germanischen hlod (berühmt) oder liut (Volk) und trud (Stärke) zusammen. Lutruds Mutter war Mechthild Gepa von Itter, genannt Gepa, was mich an den Geparden erinnerte. Tatsächlich handelt es sich dabei aber um eine Kurzform zu Gerberga, was mich an „Geh in die Berge“ erinnert. Die Bedeutung ist aber eine andere. Gerberga stammt dem althochdeutschen gêr (Speer) und bergan (schützen, bewahren) und wird gerne mit „die mit dem Speer Schutz verschafft“ übersetzt. Gerberga ist ein Leitname der Liudolfinger, dass bedeutet, dass der Name häufig in der Familie weitergegeben wurde.
Gepas Uroma hieß Godila von Rothenburg. Godila ist vermutlich eine Nebenform zu Godela, diese wiederum stammt von dem althochdeutschen Namen Goda, in dem der Bestandteil gut oder Gott steckt.
Reisen wir nun weiter in die Vergangenheit zu dem Welfen Konrad II und seiner Ehefrau Waldrada. Konrads Großvater Welf I (vermutlich vom althochdeutschen (h)welf -Tierjunges; junger Hund, Wolf; Fuchs) wiederum ist Urahn dieser Dynastie und als Graf für das Jahr 819 belegt. Das war vor 1203 Jahren! Als Ahnenforscherin bin ich richtig neidisch. Während ich mühevoll Dokumente studieren muss, können die Windsors ihre Familiengeschichte einfach online nachlesen, wenn sie das wollen, wobei die bestimmt eigene Ahnenforscher und Originalstammbäume haben und ich wette Susan hat auch einen.
2 Tippfehler:
– Magret Rose (wobei ich mir nicht sicher bin, ob Princess Margret oder Margaret richtig wäre, ich tippe auf letzteres)
– Anhalt-Zerbst, jeweils mit t am Ende
😉
Margaret ist richtig 🙂
Ach je, da habe ich nach Gehör geschrieben. Ich kenne eine deutsche Magret, daran wird es wohl liegen.
Danke ihr beiden!
Tatsächlich Magret? ohne r vor dem g? Das ist ungewöhnlich.
@Maria Theresia
Ja, ohne r, sie heißt eigentlich Margarete (eine Bekannte von Verwandten, ich habe sie seit Jahren nicht gesehen und kann daher leider nicht nachfragen) , wenn ich mich nicht irre, wird aber Magret gerufen und geschrieben
Waldrada klingt gut, danke für die ungewöhnlichen Namen, Vivi!
Bitte 🙂
Ich finde Rixa hat was und Godila auch.
ich kenne sogar eine Godela persönlich
Eine echte Godela, ich hätte gedacht, dass der Name nicht über das Mittelalter hinaus kam.
In Belgien begegnet man in der Altersgruppe 50+ immer mal wieder einer Goedele, also es ist dort kein total ungewöhnlicher Name.
„Schade, ein Mädchen, wir wollten doch einen kleinen Ferdinand Heinrich.“
So ein Gedanke kam mir mal, als ich einer kleinen Philippa begegnet bin. Ich fand das irgendwie traurig. Seitdem frage ich mich, warum wir eigentlich nie umgekehrt den Eltern kleiner Jungs unterstellen, dass sie so was gedacht haben könnten, wie: „Schade, ein Junge, wir wollten doch eine kleine Philippa-Henriette haben. Naja, nennen wir den Kleinen zum Trost halt Philipp-Henry.“
Ich kenne mittlerweile zwei Philippas zwischen 8 und 14 und eine (ebenso gesprochene) Filipa, da kommt der Es-sollte-ein-Philipp-sein-Gedanke längst nicht mehr auf (war aber auch von Anfang an nicht stark).
Ich denke, es hat mit den Paten zu tun, zumindest für die katholische Bevölkerung. Bei meinen Gängen durch die Kirchenbücher sind mir SEHR viele Ferdiandes, Fernandines und Fernandas begegnet (bisweilen war man sich über die „richtige“ Schreibweise nicht im Klaren, denn in den Geburtseinträgen ihrer Kinder werden sie gern unterschiedlich benannt), und in der Spalte mit den Taufpaten findet sich dann in der Regel ein Ferdinand.
Ähnliches bei einer lt. Taufeintrag „Maria Antonetta“:
bei 2 ihrer 7 Kinder heisst sie Antionette, zweimal Antonia und bei den restlichen 3 Antonetta. Immer ohne Maria, und es handelte sich definitiv um EINE Frau.
„… da kommt der Es-sollte-ein-Philipp-sein-Gedanke längst nicht mehr auf…“
Philippa war nur ein Beispiel. Und Ferdinande klingt für uns heute natürlich viel gewöhnungsbedürftiger als Ferdinand, was den Gedanken nahelegt. Aber vielleicht war es zu einem früheren Zeitpunkt in der speziellen Gegend oder auch einfach nur in der einen Familie ein Modename? Wir werden es nie sicher wissen.
Trotzdem finde ich es weiterhin komisch, warum wir den Eltern von Victorias, Louisas oder Theas usw. schneller unterstellen, das die lieber einen Victor, Louis oder Theo usw. bekommen hätten als umgekehrt. Oder ist es hier jemandem schon mal anders herum gegangen?
Zu „Schade ein Junge“ fallen mir Milas, Mias, Mio, Elian und Lias ein.
Bei Thea, Victoria und Luisa habe ich den „Schade ein Mädchen“-Gedanken nicht. Wenn sich der Jungen und Mädchename durch „ia“-unterscheidet, ist der Gedanke eben nicht da. Auch Petra oder Martina erwecken dieses Gefühl nicht.
Wenn der Mädchenname aber sehr selten und der Jungenname sehr häufig vergeben wird oder die weibliche Version extrem sperrig ist, dann taucht der Gedanke aber häufiger auf.
Bespiele wären eben Ferdinande, Frederica etc.
Eben dieses Unterstellen macht mir auch ein bisschen Bauchschmerzen. Ich unterstelle den meisten Eltern, dass sie sich über ein gesundes Kind egal welchen Geschlechtes freuen.
Die Eltern, für die eine Tochter aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen weniger erwünscht ist, tun mir sehr leid, ich hoffe, dass ihre Situation sich verbessert.
Aber als Gegenentwurf zu Ferdinande bastele ich jetzt ein paar abgeleitete Jungennamen:
Ruthus.
Romyan.
Hannael.
Evo.
Lisarion.
Noëmian.
Hedvigius.
Lindas.
@Ruth
Ich unterstelle den meisten Eltern auch, dass ihnen das Geschlecht egal ist. Wir Frauen sind genauso viel wert wie Männer. Ich hatte gedacht, dass nicht extra erwähnen zu müssen.
In diese Richtung geht mein „Schade ein Mädchen/Jungen“-Gedanke nicht. Ich denke dann immer, dass den Eltern der Jungen/Mädchenname so gut gefallen hat, dass kein anderer Name in Frage kommt und man ihn einfach für das andere Geschlecht abändert (sowie Ferdiande und Mias).
Für Noemian sehe ich eine relle Chance. Hannael ebenfalls, vielleicht als Hanael, dann passt es Johan.
Wow, vielen Dank, dass hier ist eine Schatztruhe interessanter Namen, und es ist faszinierend sich vorzustellen, dass Queen Elizabeth tatsächlich von, z.B., einer Ebba Eriksdotter Wasa abstammt, oder von einem Ostfriesenhäuptling.
Besonders freue ich mich über Lutrud. Habe hier schon oft meine Liebe zu langen, dunklen Vokalen kundgetan, und mit Lutrud bin ich da ja klanglich gut bedient. Tatsächlich klingt der Name für mich sehr schön, das weiche L am Anfang, das rollende, knackige TR, und dann diese emphatischen dunklen Us–einfach herrlich! Lutruds Schwestern heißen dann Gudrun und Oda, alles schön dunkel und gedehnt. Der Name Lutrud düfrte „Stärke des Volks“ bedeuten, von „liut“=Leute, Volk, und trud=Stärke, etymologisch verwandt mit dem englischen Wort „truth“=Wahrheit.
Richenza fasnziniert mich auch sehr! Die „enza“-Endung ist ja sehr ungewöhnlich. Richardis, Richlinde, Richhild, und Rictrude sind alles interessante Rich-Namen. Letzteren, Rictrude, gab es vor allem in Frankreich (und mit französischer Aussprache hört sich Rictrude ja auch ganz wunderbar an). Von all diesen Namen ist Richenza aber der ungewöhnlichste, eigentümlichste. Ich finde, er hat was!
Auch Franz Josias mag ich sehr. Ist mal was anderes als Franz Joseph, passt aber hervorragend zueinander.
Ja, das die Queen mit Ebba und Enno verwandt ist etc, dass finde ich auch so spannend 🙂
Richenza finde ich wegen der Endung auch spannend. Aber mich erinnert „Rich“ zu sehr ans Riechen.