Mein seltener Name und ich: Marny

Vor 56 Jahren kam ein mit psychologischen Elementen gespickter Thriller von Alfred Hitchcock in die Kinos, der nach seiner Hauptfigur benannt war: „Marnie“. Die mehr als unterkühlte Blondine wurde von Tippi (eigentlich Nathalie Kay) Hedren verkörpert, die männliche Hauptrolle eines reichen Witwers namens Mark hatte Sean Connery. Bei dem indianerzeltartigen Spitznamen der 1930 geborenen Schauspielerin soll es sich um eine familieninterne Verniedlichung von „Tupsa“ handeln, schwedisch für „Liebling“. Ob es wohl Zufall ist, dass das Resultat so ähnlich klingt wie Pippi?


Nicht Tippi, sondern Marnie war der Name, dessen Klang es den Eltern meiner heutigen Gesprächspartnerin knapp zwanzig Jahre nach Erscheinen des Hitchcock-Streifens angetan hatte. Mein Vornamens-Duden spricht hier von einer „angloamerikanischen Ableitung von Marna, einer schwedischen Form von Marina“. Doch warum die vom filmischen Vorbild abweichende Schreibweise? Die Antwort hat drei Buchstaben: DDR. Marny wuchs in Sachsen und Thüringen auf. „Die Form mit -ie war ‚zu amerikanisch‘.“ Gegen eine Gebühr von zehn Mark durften ihre Eltern den Namen umwandeln. Ich finde das einigermaßen erstaunlich: Marnie tabu trotz der großen Nähe zu Marie – aber Marny, optisch fast mit Mary zu verwechseln, geht klar?! Ausgesprochen wird Marnie/Marny wie geschrieben, wie auch in der deutschen Synchronisation des Films (das Original kenne ich nicht). Bei Marnys Schwester entschied sich das Paar übrigens ebenfalls für einen (in Deutschland) seltenen Namen: Odette, von Wikipedia als französische Verkleinerungsform des germanischen Vornamens Oda eingeordnet.

Mein seltener Name und ich

Die Frage aller Fragen: Mag Marny ihren Namen? „Mittlerweile ja.“ Als Kind habe sie sich wenig Gedanken darüber gemacht – der Name war eben da. In der Pubertät wurde es schwierig: „Gefühlt kriegten alle um mich herum einen Spitznamen, aber mit Marny ging das irgendwie nicht.“ Das ständige Erklären-Müssen empfand sie als nervig, zumal auch ihr Nachname damals buchstabiert werden musste. Auf ihre Eltern war sie in diesem Punkt nicht so gut zu sprechen, „die hatten mir das ja schließlich ‚angetan‘“.

So einfach wie wenn sie Melanie oder Doreen hieße ist es auch heute nicht mit ihrem Namen. „Er wird öfter als Mary fehlgedeutet und manchmal für männlich gehalten, wohl wegen Manny.“ Letzteres ärgert sie schon ein bisschen, schließlich könne man einen unbekannten Namen einfach kurz googeln. Nicht selten hört sie auch die Frage, ob sie aus dem Ausland sei. Manchmal macht Marny sich selbst zur Marie, weil das unkomplizierter ist – wenn bei Starbucks ein Becher beschriftet werden soll zum Beispiel.

Trotzdem: Heute gefällt ihr Name ihr sehr gut. Sie mag die Geschichte dazu und auch den alten Film mit ihrer komplizierten Namensvetterin. „Es ist schön, nicht so einen Standardnamen zu haben. Man wird damit auch nicht so leicht vergessen, selbst wenn nicht jeder sich den genauen Namen auf Anhieb merken kann. Die Leute wissen auf jeden Fall: Es war was Besonderes.“

Für ihre Töchter wählte Marny trotzdem „ganz normale“ Namen: Marlene und Jasmin. Dass man zu beiden gut Spitznamen bilden kann, war nicht unwichtig. Außerdem spielte es bei ihrer Suche eine Rolle, dass Marny und ihr Mann gern ihre eigenen Initialen weitergeben wollten, M und J, und dass sie beruflich jedes Jahr mit über hundert neuen Azubis zu tun haben. „Da hat man zu manchen Namen schon zu viele Assoziationen.“

11 Gedanken zu „Mein seltener Name und ich: Marny“

  1. Den Namen Marnie kenne ich aus „Halloweentown“, die Filmreihe habe ich als Kind jedes Jahr an Halloween gesehen, die 13jährige Protagonistin heißt Marnie Piper.

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  2. Ich liebe den Film „Marnie“ sehr; allerdings finde ich, dass Sean Connery ein totaler „Miscast“ war, was aber in der deutschen Version sicher nicht so wichtig ist, denn es hat z.T. mit seinem verrückten schottischen Akzent zu tun. Kann mir den Film kaum auf Deutsch vorstellen, da es ja z.T. darum geht, dass Marnie sich durch bestimmte subtile Aussprachen und Wendungen als Südstaatlerin zu erkennen gibt, was der Connery-Figur hilft, ihrer Vergangenheit auf die Schliche zu kommen. Den Namen Marnie fand ich auch schon immer sehr sympathisch. Muss zugeben, dass er mir doch mit IE viel besser gefällt, da er sonst vom Schriftbild her männlich wirkt. Aber na gut, es gibt ja auch Abby, Katy und manche anderen weiblichen Verniedlichungsformen, die mit Y geschrieben werden.

    Jedenfalls ein schöner Name. Würde ich als Marnie tatsächlich auch selbst vergeben.

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    • @Mark, da du „Marnie“ im Original kennst: Wie wird der Name denn dort gesprochen? Eher Ma- wie in Marie (deutsch) oder Mä- wie in Mary?

    • @Annemarie:

      Der Name wird im Englischen mit einem ähnlichen A-Vokal wie im Deutschen gesprochen, also nicht so wie Mary, sondern so wie Marley.

      Finde den Namen sowohl auf englisch als auch auf deutsch schön.

    • In Norddeutschland wird das R ja weniger betont gesprochen. Mein Vater legte immer wert auf super-sorgfältige Aussprache, so dass ich tatsächlich meine Rs kein bisschen verschlucke, und hier in Schwaben hört man das R auch allgemein sehr gut. Deshalb klingt hier Marnie nicht an Manie an–aber im Norden kann ich mir vorstellen, dass der Unterschied nicht so groß ist.

  3. Es gab auch mal eine Seite in den Nullerjahren mit einer Marni als Hauptperson, der Name wurde dort wie im Deutschen gesprochen, vom r natürlich abgesehen.
    Ich meine, dass -ar- vor Konsonant nie als ä gesprochen wird. Der koreanische Familienname 박, eigentlich Bak oder Pak, wird aus diesem Grund in Amerika meistens Park geschrieben, damit klar ist, dass es nicht Päck heißt.

    Marnie oder Marni finde ich auch hübscher als Marny, aber insgesamt ein netter Name – besser als Marina auf jeden Fall.

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    • @Ruth:

      Stimmt, Du hast die Regel erkannt–die Regel habe ich eigentlich nur unbewusst wahrgenommen. Tatsächlich:

      art
      Arnold
      arbor
      tarnish
      —alles A-Vokal, wie bei Marnie

      Gareth
      carrot
      arrogant
      tarry
      —-alles wie bei Mary.

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