Vorsicht, Ypsilonitis!

Keine Bange: Ich hole nicht etwa die SPD-Politikerin Ypsilanti aus der Versenkung. Ypsilonitis, das ist eine schon seit einigen Jahren kursierende abwertende Bezeichnung für den Hang mancher Eltern zu Namen mit Y. Wobei der wünschelrutenförmige Trendbuchstabe auch gern dort zum Einsatz kommt, wo eine andere Schreibweise weit geläufiger ist (Yana, Daymien).


Schuld an meiner Themenwahl ist übrigens mein Bruder: Er hat mir zwei Hefte mit neu aufgelegten Yps-Comics geschenkt. Eine mögliche Wurzel des Ypsilon-Wahns?! Dieses Magazin aus der Jugend der heutigen Elterngeneration, das ab Mitte der 70er erschien und zur Jahrtausendwende entschlief, enthielt nämlich die Comicserie „Yinni + Yan. Die unglaublichen Abenteuer des Yps-Fernseh-Teams“. Die Hauptfiguren heißen: Yinni, Yan, Yack sowie – etwas tumb und von sich in der dritten Person redend wie nur noch der Wendler – Yorick. Das Yps-Känguruh sprach man „Üps“, so viel war klar. Aber Yinni, Yan und Konsorten stellten mich als Kind vor echte Probleme. Jahrelang sprach ich von „Fjinni“ und „Fjan“. Dass ich damit völlig falsch lag, weiß ich erst jetzt, nicht zuletzt durch ein Wortspiel in einer der Geschichten, in der ein Yak (das tibetische Rindertier) wie die Figur Yack heißt.

Buchstabe YWorin das Faszinierende dieses Buchstaben liegt – ich weiß es wirklich nicht. Ich verbinde mit ihm eher Verunsicherung. Schließlich spricht man ihn mal wie J, mal wie I oder Ü, je nach Umfeld und der Herkunft des Wortes. Noch heute irritiert er mich: Lese ich den Namen Lynn, denke ich (trotz „Alf“) zuerst: „Lünn?“. Und bei der Lektüre von Philip Pullmans „Der Goldene Kompass“ sprach ich Heldin Lyra im Geiste immer „Lüra“ (wie das Zupfinstrument). Bis es dann später im Kino „Laira“ hieß – denn die englische Aussprache wollen wir hier ja nicht vergessen.

Die Moral von der Geschicht? Vor der Vergabe eines Y-Namens lieber einmal zu viel als zu wenig nachdenken. Ylva oder Yella finde ich ziemlich eindeutig, Enya auch. Ach ja: Der Name Yan findet sich tatsächlich in der Datenbank von beliebte-Vornamen.de, 19-mal insgesamt (davon viermal als Yan Luca/Yan Luka), Yorick ist sechsmal vertreten. Beide tauchen zuerst 2006 auf – dem Jahr, in dem es den ersten Versuch eines Yps-Revivals gab.

16 Gedanken zu „Vorsicht, Ypsilonitis!“

  1. Den „Goldenen Kompass“ und die beiden folgenden Bände habe ich auch gelesen und die weibliche Hauptperson wie das Instrument ausgesprochen. Ich habe mich auch häufiger mit einer Freundin über das Buch unterhalten und die hat das auch gesagt. Die Aussprache im Film überraschte uns dann ein wenig.
    Ansonsten fällt mir eine Geschichte ein, die ich als Kind las – da gibt es zwei Brüder namens Alios und Wilhelm, der eine beschließt, sich künftig Aloys zu schreiben, woraufhin der andere auch Wylhelm sein möchte. Der Buchstabe scheint auf manche Leute einen gewissen Reiz auszuüben.

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  2. Ich sage auch Lyra wie das Instrument. Wunderlich finde ich es nicht, dass es auf englisch Laira heißt, finde ich ganz logisch.
    Aber auf deutsch ist es eben Lyra, ganz einfach.

    Ein schöner name,übrigens 🙂

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    • Finde ich auch!

      In der Originalversion des Films wäre ich darüber wohl auch weniger gestolpert, aber es war die deutschsprachige Fassung. Na gut, dass da Namen eingedeutscht werden, ist auch selten … Jedenfalls würde ich bei Vergabe des Namens Lyra darauf tippen, dass viele den dann englisch aussprechen (und das womöglich auch für das einzig Richtige halten).

  3. Nachtrag: Manchmal soll das Y scheinbar auch die richtige Aussprache verdeutlichen. Also Daymien oder Jayden statt Damien oder Jaden. Aber ich denke, der Schuss geht nach hinten los.

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    • Genau so läuft das auch in Frankreich: Für die (halbwegs) englische Aussprache eines Vornamens muss häufig das Schriftbild, und das oft zu Gunsten des Y, herhalten. So wurden dort letztes Jahr z.B. die Namen Dayana und Djayzon vergeben. Der Name Kilian wurde in Frankreich mit 35 (!) verschiedenen Schreibweisen wohl zum größten Kreativitätsopfer. Da wurde auch das eine oder andere i gern mal durch ein y ersetzt (s. Kyllian, Kylian, Kilyan).

  4. Ich finde es immer gewollt „stylisch“, wenn Eltern Fynn statt Finn schreiben -da möchte ich immer Fünn sagen; zudem sieht es -wie ich finde- auch komisch aus.

    Das Maximum an Schreibweisen, egal ob mit oder ohne Y, ist für mich aber dar Name Janik/Yanik/Jannik/Yannik/ Jannick/Yannick … Puh! ; )

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    • Nicht zu vergessen Yannic/Jannic/Yanic/Janic/Yanick/Janick 😉
      Tatsächlich schreiben sich alle vier „J/Yan(n)ic(k)“s die ich kenne unterschiedlich (Janik, Jannik, Yannic und Yannick)… jetzt wird mir der Name suspekt… 😉

  5. Ich habe meine Tochter Lin-Yana genannt. Ganz bewusst mit Y, da ich mich viel im englischsprachigen Raum bewegen. Dort wird das Y wie das deutsche J ausgesprochen. Mit hätte es nicht gefallen, wenn Jana am Anfang dann immer DJ ausgesprochen worden wäre.

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  6. Dazu fällt mir ein, dass ukrainische Geflüchtete ganz gruselig transkribiert wurden… Yana, Juliia etc. Das macht sie doch lächerlich, finde ich echt schade.
    Da ist ja damals mit den ganzen Russlanddeutschen schon einiges abgegangen… Wäre wohl auch mal ein spannendes Thema hier, nicht? Eugenismus nennt man es da auch, soweit ich weiß. Da wurde Ivan zu Eugen, Nikolaj zu Nikolaus und Waljoda zu Waldemar etc. Sehr kurios und nicht schön für die eigene Identität. Man fühlt sich doch für immer fremd, wenn der Name einfach falsch ist. – Daher frage ich mich, ob bei den ukrainischen Namen jetzt versucht wurde, es besser zu machen und eine internationale Transkription herangezogen wurde (statt einzudeutschen), die in der Ukraine auch gebräuchlich war, oder so – zulasten dessen, dass die Namen hier jetzt teils sehr seltsam aussehen.

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    • Ich dachte immer, Ivan sei der Johannes oder Hans, Eugen sei Jewgenij.

      Eine einheitliche Transkription vom Kyrillischen befürworte ich total, allerdings ist es dann frustrierend, wenn den betreffenden Personen selber egal ist, ob sie nun Jelena, Elena oder Aljona gerufen werden.

      Und wir hatten das Thema einmal am Beispiel von polnischen Namen, die verdeutscht, und deutschen Namen, die zu einem anderen Zeitpunkt verpolnischt wurden, da spielten dann auch politische Interessen mit rein.

    • Puh, ich denke, das ist ein schwierigen Thema. Was ist richtig, was ist falsch? So wird z.B. Genosse Путин (Putin) mit Poutine ins Französische transkribiert. Denn wenn er dort auch Putin geschrieben würde, dann würde er Pütah ausgesprochen (Naja, so ähnlich. Hinten natürlich mit einem schönen Nasal, für den es aber keinen vergleichbaren Buchstaben im Deutschen gibt, den ich hier tippen könnte). Und die Niederländer schreiben Poetin.

      Auch die Endsilbe -вич des Vatersnamens wird ganz unterschiedlich transkribiert. Z.B. -witsch, -vich, -vitch, -vitsj, -vič…

      Man gehe einfach mal nach Wikipedia, rufe einen beliebigen Prominenten mit kyrillischem Namen auf und wähle dann die Artikelversion in einer anderen Sprache. Und schon sieht man das Dilemma mit der Transkription.

      Wenn Ukrainerinnen hier Emilija geschrieben werden, dann liegt das am Endbuchstaben я, der „ja“ gesprochen wird. Und davor ist schon ein i. Aber schleicht sich bei der Aussprache von Emili-a nicht auch so ein ganz kleines j dazwischen, damit es „flüssiger“ zu sprechen ist: Emili-ja? (O.k., mache sagen auch Emil-ja.)

      Und wie ein Name geschrieben wird, das ist auch sehr Gewohnheitssache. Wären wir alle an Emilija gewöhnt, dann käme uns Emilia komisch und durch den „fehlenden“ Buchstaben etwas nackt vor.

      PS: Lass doch einfach mal einen Jörg beruflich viele Jahre in England oder den USA arbeiten. Da muss noch nicht einmal etwas transkribiert werden und die Kollegen beißen sich trotzdem die Zunge ab. Vielleicht lässt sich der Jörg dort dann auch sehr gerne George (Dschordsch) rufen? Vielleicht weil es vieles vereinfacht? Soviel zu „Man fühlt sich doch für immer fremd, wenn der Name einfach falsch ist.“

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