Die Vornamengebung des Mansfelder Landes – Tradition ist Trend (2)

Die altmodischen Kindernamen, die sich seit einiger Zeit höchster Beliebtheit bei werdenden Eltern erfreuen und auf eine Übernahme der traditionellen Nachbenennung höherer Schichten zurückzuführen ist, können in 3 Gruppen unterteilt werden. Von denen werden vor allem die internationalen Varianten der ursprünglich altdeutsch/germanischen Namen kaum mehr als einheimisch erkannt.


Bei der anteilsmäßig größten Gruppe der Trendnamen, den biblisch stämmigen/Heiligen-Namen, verhält es sich als Trugschluss genau umgekehrt. Die meisten Deutschen sind mit ihnen so vertraut, dass sie sie für typisch deutsche Namen halten und den Grund ihrer Bekanntheit oftmals vergessen haben. Wobei man bei dieser Einschätzung territoriale Unterscheidungen treffen muss, weil durch die anhaltende Bedeutung des Christentums im Süden der Republik dieses kulturelle Wissen noch icht ganz an Bedeutung verloren hat und zum Allgemeingut verschlissen ist. Bei ihnen weisen Paul und Franz wahrscheinlich noch auf den Apostel Paulus und den heiligen Franz von Assisi hin, der auch einen Namenstag im christlichen Kalender besetzt, welcher in religiösen Familien per Geburtsdatum die Namenvergabe regeln kann.

Jungen

Erstnamen Zweitnamen
Aaron, Adem, Anton Anton
Benjamin/Ben Bastian, Ben
Clemens/Klemens Christiano
Constantin/Konstantin David, Denis
Elias, Emil, Felix, Franz, Gregor Elias, Emilio, Fritz, Gabriel, Giovanni
Hans/Hannes/Johann/Johannes/Jannik Hans/Jannik, Jason
Jacob/Jakob, Jonas, Julius
Justus, Laurent, Leandros Joseph, Kaspar
Lucas/Lukas, Marius Lino/Linus, Magnus
Maximilian/Max, Moritz Marces,Matteo/Mattes, Maximilian
Nicholas/Niklas/Nils Niclas/Klaus, Noah
Pascal, Paul, Phileas, Philip/Phil Paris, Pascal, Peter, Phillipp
Quentin, Quintus,Rafael
Silas, Simon, Theo, Timon Simeon, Thilo, Thaddäus
Valentin, Vincent

[Tabelle 1]

Von 575 neugeborenen Jungen bekamen 218 (37,9 %) einen Namen, der in Zusammenhang mit den Testamenten und ihrer Verbreitung stand. Dabei wurden uns bereits geläufige oder nicht als überkommen eingeschätzte Namen ausgeschlossen, d.h. Thomas fällt als Evergreen ebenso heraus wie Luca, der als italienische Form zum einbezogenen Lukas für die Deutschen weder altmodisch klingt noch dahingehend eingeschätzt werden kann, welchen Status er im Ursprungsland Italien generell hat. Uns fehlen dazu die namenphysiognomischen Kollektivempfindungen, wie es im Fachjargon heißt. Eine der wenigen Assoziationen, die in unseren Breitengraden dieser Name zulässt, ist wahrscheinlich Fußballspieler Luca Toni.

Die Top 5 der „neuen“ Alten begehen:

Jungen Mädchen
  1. Lucas/Lukas (21x)
  2. Niclas/Niklas/Nicklas (16x)
  3. Felix (15x)
  4. Paul (13x)
  5. Ben (12x)
  1. Hanna/Hannah/Hanah (25x)
  2. Lea (20x)
  3. Anna (14x)
  4. Lena (13x)
  5. Marie (10x)

[Tabelle 2]

Für Mädchen werden scheinbar andere Maßstäbe angesetzt. Von 549 erhielten 152 (27,7%) einen Namen, den wir auch vor einem Jahrhundert in den Statistiken finden könnten. Das ist ein deutlich niedrigeres Ergebnis als bei den Jungen. Der Unterschied liegt dabei in der Fülle der Namenvarianten, die bei Kindern weiblichen Geschlechts hinzugezogen wurden.

Mädchen

Erstnamen Zweitnamen
Adriana, Antonia Aurora
Clara/Clarina/Clarissa Klara, Doris
Elisa/Elsa/Else/Ella/Lisa Elisabeth/Elisa
Eva, Fiona, Florentine Gabriele
Johanna/Hannah/Anna/Anne Anna, Anneliese, Annemarie
Helena/Helene/Helen/Elena/Lena Helen/Helene
Josephine, Katharina Josephine/Josefine
Maria/Marie, Nikoleta Marie, Marlis, Magdalena, Margarete
Paula/Pauline, Sarah, Sophie Pauline, Philien, Sarah, Sophie/Sofia
Tabea, Theresa/Therese, Viktoria Tabea

[Tabelle 3]

Während sich bei den Jungen einige wenige Namen als stark bevorzugt herausstellten und ansonsten viele verschiedene biblische Namen einzeln auftreten wie z.B. Kaspar oder Silas (siehe Tabelle 1), gilt bei Mädchen das Prinzip der Ähnlichkeit im Klang. Es treten Kurzvarianten genauso häufig auf wie Doppelnamen, wie im Falle von Johanna (siehe Tabelle 3). Zudem fanden Elternpaare im Mansfelder Land besonders Gefallen an englischen Parallelformen, so wurde aus besagter Johanna gern Jo-Ann oder Joanna.

Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass ausländische Formen testamentarischer Rufnamen, die uns bereits bekannt sind, relativ oft verwendet wurden, zum Teil aus Unwissenheit und anderen Beweggründen bei der Namenvergabe oder um die Wahl pfiffiger zu gestalten. Dadurch wird aus altmodisch plötzlich wieder neumodisch. Somit kann man den Trend zur Tradition mit der seit Jahrzehnten anhaltenden Mode der Öffnung gegenüber fremden Einflüssen – einer Globalisierung der Namenwelt sozusagen – verbinden.

Autorin: Yvonne Thormann hat an der Universität Leipzig Kulturwissenschaften, Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft und Namenkunde studiert. Sie arbeitet als frei schaffende Autorin und Geisteswissenschaftlerin in Leipzig. (Kontakt: thormanns.post@googlemail.com)

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