Sie singt, er spielt Cello: Ein Geschwisterpaar aus Wien wird Deutschland am 17. Mai beim Eurovision Song Contest vertreten. Für mich geht diese nicht unumstrittene Entscheidung, einem Mix aus dem Urteil einer Jury um Stefan Raab und einem Publikumsvoting, völlig klar: Weil mir der Wettbewerbsbeitrag von Abor und Tynna („Baller“) gleich im Ohr geblieben ist, Bruder und Schwester sympathisch wirken und ehrlich gesagt auch – wen wundert‘s –, weil ich ihre Vornamen spannend finde.
Anders als Lena
Ich bin neugierig, ob sich der musikalische Wettstreit in Babygalerien spiegeln wird. (Prognose: nur sehr vereinzelt, nicht zu vergleichen mit dem Lena-Boom 2010, wo zu einem ohnehin gängigen Namen ein grandioses Abschneiden beim ESC hinzukam.) Die Geschwister stammen, so lehren es uns Pressetexte, aus einer Künstlerfamilie mit Wurzeln in Rumänien und Ungarn. Ihre Namen haben sie sich irgendwann im Laufe ihres jungen (Künstler-?)Lebens selbst gegeben. Wie es dazu kam oder ob es sich womöglich um familieninterne Koseformen handelt, konnte ich noch nicht herausfinden.
Die Initialen bleiben
Die richtigen Vornamen der beiden sind ebenfalls eher bis sehr ungewöhnlich: Der 1998 geborene Abor heißt eigentlich Attila, der Name seiner zwei Jahre jüngeren Schwester ist Tünde. Beide sind somit ihren Initialen treu geblieben. Also sogar gleich vier Namen, die ich mir hier vornehmen kann – das freut mich wirklich. Los geht‘s:
Attila – heute ein König
Geht euch das auch so: Beim Namen Attila ergänze ich im Geiste gleich „der Hunne“. Das kommt noch unmittelbarer als bei Erik („der Wikinger“) oder Manni („der Libero“). Dank meiner Recherche weiß ich nun auch, dass dieser Name nicht nur für den berühmten Hunnenkönig (5. Jhdt. n. Chr.) steht und die überraschende Bedeutung „Väterchen“ hat. Ich durfte zudem erfahren, dass es einen berühmten österreichisch-ungarischen Schauspieler mit diesem Namen gab: Attila Hörbiger (1896–1987). Attila ist ein „relativ ungewöhnlicher“ Name – aber doch häufiger als ich gedacht hätte: Knuds Auswertungen zufolge wurde er hierzulande in den Geburtsjahrgängen 2010 bis 2024 ungefähr 300 Mal als Erstname vergeben.
Abor, der edle Ritter
Bei Abor läuft meine Assoziationsmaschinerie auf Hochtouren. Das muss sie auch, der Name scheint eine Rarität zu sein. Zuallererst habe ich an das lateinische Wort für Baum gedacht, aber das lautet Arbor. Dann an den lateinischen Spruch „Ora et labora“, „Bete und arbeite“, den ich mal auf einem Fachwerkbalken als „Ora etla bora“ eingeschnitzt gesehen habe. Und schließlich an Gabor, den ungarischen Gabriel. Den ersten Buchstaben streichen und schon ergibt sich ein Künstlername, das war schon bei (ESC-Anspielung!) Alf Igel das Rezept …
Eine Spur, dass Abor eine Tradition als Vorname hat, habe ich schließlich aber doch gefunden: Laut Wikipedia entstand im 14. Jahrhundert in Ostfranken oder der Oberpfalz ein „höfischer Abenteuerroman“ namens „Abor und das Meerweib“. Die Hauptfigur: der „edle und kühne“ Ritter Abor.
Aus Tünde wird Tynna
Mit Literatur und Theater geht es bei Tünde direkt weiter: Dieser Name stammt Wikipedia zufolge aus dem ungarischen Sprachraum, als Wortschöpfung des Schriftstellers Mihály Vörösmarty. Dieser erfand ihn für das Theaterstück „Csongor és Tünde“ (1831), das an Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ angelehnt sein soll. Geradezu märchenhaft die Bedeutung: Tünde ist eine Verkürzung des ungarischen Wortes tündér, „Fee“.
Und Tynna? Da könnte man zunächst an eine aufgemotzte Tina (über Tyna) denken und auch an der Aussprache herumrätseln: „Tinna“, eher „Taina“ oder „Tünna“?! Letzteres ist richtig, da setzt einen der Ursprungsname Tünde schon auf die richtige Spur. Das Schriftbild von Tynna ist diesbezüglich zwar weniger eindeutig als es Tünna wäre, aber eben auch praktischer für den internationalen Gebrauch, weil beim Tippen nicht erst umständlich nach einem Umlaut gesucht werden muss. Weder verwandt noch verschwägert dürfte Tynna mit Tünnes sein, der rheinischen Kurzform von Antonius. Gibt‘s dazu eigentlich ein weibliches Pendant (von Antonia)?
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Nachtrag: Der Name Tünde kommt in der Beliebte-Vornamen-Datenbank vereinzelt vor, Abor und Tynna gibt es dort bislang gar nicht.
Danke für diese Recherche! Abor und Tynna sind wirklich einzigartige Namen.
Ich habe gelesen, dass der Nachname der Geschwister mit „Bor-“ beginnt. Deshalb hätte ich gedacht, dass Abor aus den Anfangsbuchstaben A für Attila und bor für den Nachnamen zusammengesetzt ist.
Stimmt, das ist sehr gut möglich! Dass Abor wirklich wie ein (ungarischer) Männername klingt, hat aber sicher nicht geschadet.
Mein Künstlername nach dem Schema wäre Alün 😉
Total ungewöhnliche Namen. Wobei ich Tynna ansprechender finde als Tünde (Tinder habe ich irgendwie im Kopf, obwohl die Bedeutung sehr hübsch ist).
Ich hätte neben Abor noch Arbo anzubieten https://blog.beliebte-vornamen.de/2022/12/es-war-einmal-ein-name/