Im Jahr 2012 beherrschte die Namenswahl eines Paares aus Sachsen-Anhalt für ein paar Tage die Medienlandschaft:
Antje (32) und Sven (35) aus Landsberg sind glücklich: Die beiden haben einen Sohn bekommen. Und über den spricht spätestens am Samstag die ganze Stadt. Denn ihr Wonneproppen heißt: SILVESTER RAKETE! … Opa Dietmar Rakete ist mächtig stolz auf den kleinen Kracher und seinen Namen: „Mich hat die Lehrerin aus dem Klassenzimmer geschickt, als ich ihr sagte, ich heiße Rakete. Die glaubte, ich wollte sie veralbern.“
BILD, 4.8.2012
Eine klare Flucht nach vorn also, nach einem generationenübergreifenden Namens-Trauma. In dem Artikel wird auch verraten, dass als Alternative zu Silvester zuerst Apollo im Gespräch war und dass der Opa „noch mehr Kracher-Enkel“ hat: Silvesters Cousine heißt Ariane. Oder genauer: Sophie Ariane Rakete. Auch bei Silvester handelt es sich „nur“ um den Zweitnamen. Vollständig wurde der junge Sachsen-Anhalter Rudi Silvester Rakete getauft, Rudi nach dem Uropa.
Nichts für Babys
Ich weiß noch gut, dass ich diese Wahl damals mindestens genauso interessant fand wie die „witzige“ – oder aufmerksamkeitsheischende – Kombination von Zweit- und Nachnamen. Rudi, das war doch ein Spitzname für Herren Ü50, nichts für Babys. Oder?
Am Wirbel um das Raketenkind vor über zehn Jahren liegt es wohl eher nicht, dass sich der Name Rudi mittlerweile in den Statistiken weiter nach oben gearbeitet hat. Jedenfalls hat er das: von Platz 468 im Jahr 2012 auf Platz 284 als bisherige beste Platzierung 2019. Rudi zählt zu jenen „Altherrennamen“, für die speziell Ostdeutsche und besonders die Sächsinnen und Sachsen eine Schwäche haben, auch wenn man beispielsweise Kurt, Erwin oder Eddy in Sachsen (noch?) den Vorzug gibt.
Auch ich habe mich mittlerweile an den Namen gewöhnt. Wenn kleinen Mädchen Leni (Platz 9), Elli (61), Emmi (115) und Hedi (182) heißen – was auch alles mal Spitznamen für Omis waren – und es zunehmend mehr Jungs namens Willi gibt (Platz 203), sehe ich nicht, was gegen Rudi sprechen sollte. (Obwohl Rudi Rakete für mich noch heute nach Comicfigur klingt, so wie Rudi Ross – der Freund von Kuh Klarabella aus den Disney-Heftchen, den aber sicher kaum einer mehr kennt –, doch das nur am Rande.) Ich werde das weiter beobachten.
Rudi-Gedanken
Als Goodie ein paar weitere Rudi-Gedanken und -Assoziationen:
- Rudi wird von Rudolf abgeleitet und bedeutet wie dieser „der berühmte Wolf“. (Allerdings lässt sich auch mein Chef, der eigentlich Rüdiger heißt, Rudi rufen.) Ob auch Rudolf eine Chance auf ein baldiges Comeback hätte? Oder erinnert der Klang unterschwellig zu sehr an A-dolf?
- Blog-Kommentatorin Lena schrieb hier mal: „Rudi: Hm. Haut mich klanglich nicht um, aber im Gegensatz zu Rudolf wenigstens relativ süß.“
- Bekannte Namensträger: Rudi Schuricke (1913–1973), Rudi Carrell (1934–2006), Rudi Dutschke (1940–1979) und Rudi Völler (Jahrgang 1960). Bloß Dutschke hieß auch wirklich so: Alfred Willi Rudi Dutschke mit vollem Namen.
- Im englischen Sprachraum gibt es Rudy und so heißt auch ein 2002 geborener Sohn von Schauspieler Jude Law.
- „Rennschwein Rudi Rüssel“ ist ein Kinderroman aus dem Jahr 1989 von Uwe Timm, der 1995 verfilmt wurde. 2008 gab es zum Buch dann noch eine ARD-Serie mit 39 Folgen („Renn, Rudi, renn!“, „Rudi und der Metzger“ u.a.).
- Alberne Wortspielereien: Ein Rudiment ist ein funktionslos gewordenes Merkmal. „Rudis Reste Rampe“ war von Ende der 80er Jahre bis 1997 der Name einer Billigwarenkette. Und: Als Kind habe ich den Rudern unseres Schlauchboots Gesichter aufgemalt und ihnen Namen gegeben: Rudi 1 und Rudi 2. (Der Anker hieß Anka.)
- Noch viel schräger gebärdete sich Nino de Angelo 2015 bei „Promi Big Brother“. Frei nach „Cast Away“ baute er sich aus Papier und einem Handtuch eine Puppe und beklagte kurz darauf bitter die Zerstörung seiner Rudi getauften Kreatur. Schöne Schlagzeile: „Nino de Angelo redet mit Geschirrtuch“.
Schön dass jemand Rakete heißt. Rudolf gefällt mir besser als Rudi. Rudi kann ich nicht allzu leicht aussprechen, das R geht schwerer als bei Rudolf, wer das erklären kann ist der Held des Tages.
Jetzt machst du mich aber neugierig. Wie und wo sprichst du denn das R? Im Rachen, vorne an der Zunge oder wie im Englischen?
hallo Ruth, musste erstmal darüber nachdenken. Glaube es hat damit zu tun dass die beiden u in Rudi und Rudolf unterschiedlich ausgesprochen werden, bzw allgemein welcher Vokal auf das r folgt. zB geht Carina leichter zu sprechen als Carola.
vielleicht hab ich nur einen Sprachfehler oder Denkfehler.
Die U von Rudi und Rudolf spreche ich beide gleich. Aber wenn du sie unterschiedlich sprichst, wird das vermutlich die Lösung sein, da in der Produktion eines Lautes bereits der folgende vorbereitet wird.
Rollst du die R vorn mit der Zungenspitze? Dabei kommt es auch darauf an, ob man mehrere Anschläge macht oder nur einen. Das kann auch vom Wort abhängen.
„Rudis Reste Rampe“ war von Ende der 80er Jahre bis 1997 der Name einer Billigwarenkette.
Kenne ich nur als die Truppe unter Rudi Völler, die später als „Die Mannschaft“ firmierte.
Danke für das Zitat, was für eine Ehre 😀 Tatsächlich finde ich Namen wie Rudi, Willy etc. immer weniger auffällig. Kenne aus meinem Praktikum fürs Studium auch folgende Kinder mit alt(modisch)en Namen im Vorschulalter: Heidi, Fritz, Ilona, Eleonora (genannt Elli), Emmi, Margareta (genannt Greta), Barbara, mehrere Elisabeths, Annelie, Luise, Ludwig…
Gern geschehen 🙂
Mir fällt Rudi aus „Die Bücherdiebin“ ein, Liesels bester Freund.
Ich liebe das Buch, der Name ist aber furchtbar, obwohl ich Mädchennamen auf i-Endung mag (Emmy, Leni, Melly, Hanni, Annie, Isalie, Rosalie). Toby finde ich nett, Olli geht auch noch, aber Rudi?
Das war für mich lange der Rabe aus „Siebenstein“.
Und dann das Rennschwein, weil ich die Geschichte in der Schule gelesen habe, fand ich süß.
Mein Uropa hieß Rudolf, Rudi wurde er aber nicht genannt, soviel ich weiß. Rudolf (wie das Rentier) finde ich so alt und irgendwie schwingt das Wort Rüde mit. Nur Rüdiger finde ich klanglich noch schlimmer.
Olli finde ich dafür so gar nicht schön … Kann ich mir als alleinigen Namen noch so gar nicht vorstellen. Oliver gefällt mir aber gut. So verschieden ist das 🙂
„Emmy, Leni, Melly, Hanni, Annie, Isalie, Rosalie“
Ich mag derartige Namen auch – Leni finde ich toll, ebenso Rosalie. Isalie und Emmi haben auch was für sich – ebenso Elli, Lilli, Lissi, für Jungs Toni, Maxi, Fritzi, Tommy… Sogar als eingetragene Namen mag ich sie, aber auch als Spitzname hat’s was für sich.
Vivi, wie heißen eigentlich deine Geschwister? Du hast mal Lukas erwähnt, die anderen würden mich doch glatt auch interessieren, zumal Vivien und Lukas schon etwas verschieden sind vom Stil.
@Lena
Ich heiße Vivian mit a 😉
Meine Schwester heißt Lia.
Beinah wäre ich eine Laura geworden, das hätte besser gepasst. Meinen Namen und den meiner Schwester hat meine Mutter ausgesucht, den Namen meines Bruder mein Vater.
Oh, mit a, entschuldige! 😉
Lia mag ich auch! Modern und trotzdem nicht sooo häufig.
Vivian mag ich aber lieber als Laura!
Für mich standen damals Amelie, Sara und Antonia noch auf der Liste 😀
Es gab noch Rudi Ratlos, von Udo Lindenberg
Hallo Lena,
danke für die bemerkenswerte Liste. Die Namen der Urgroßeltern-Generation bzw. generationenübergreifenden Klassiker scheinen wieder häufiger vergeben zu werden.
Ich kenne auch Kinder im Vor- und Grundschulalter namens Anna-Maria, Elli und Greta (beides so eingetragen), Gustav, Florentine, Franz, Fritz, Josua, Linda, Lisa, Ludwig, Lukas, Marta, Thomas.
Die Familie Rakete ist nicht zufällig mit dem Journalisten Jim Rakete verwandt?
Hallo Anne, oh ja – die Namen aus der Urgroßelterngeneration sind tatsächlich wieder modern – klar, nicht alle, bei Barbara bin ich richtig erschrocken, aber doch ist es zwischen Ludwig und Heidi gar nicht mehr so auffällig. Ich beobachte auch den Trend zu Abkürzungen – Elisabeth, genannt Lizi, Alena und Marlene, genannt Leni, Thomas, genannt Tommy usw.