Einblicke in die Kultur der rumänischen Vornamen

Von Mark (Stammleser dieses Blogs)


Stammleser dieses Blogs wissen es: meine Frau ist Rumänin, und ich habe durch sie dieses wundervolle Land über die letzten zwölf Jahre intensiv kennenlernen dürfen. Da ich, wie viele Leser dieses Blogs, namensbegeistert bin, interessiere ich mich natürlich auch sehr für die Namenskultur des Heimatlandes meiner Frau. Ich dachte mir, es wäre schön, mal einen Artikel zu diesem Thema zu verfassen.

Geschichtlicher und sprachlicher Hintergrund der rumänischen Namenskultur

Um die Namenslandschaft Rumäniens zu verstehen, muss man zumindest ein paar allgemeine Einsichten in die rumänische Geschichte bekommen. Rumänien ist nämlich ein wahres Ausnahmeland und hat somit auch eine ganz eigenartige Namenskultur. Umgeben von slawischen Sprachräumen und, an seiner Westseite, angrenzend an die finno-ugrische Sprachinsel Ungarns, ist Rumänien ein Land mit einer romanischen Sprache, weitab von den anderen romanischen Sprachräumen, wie Italien, Frankreich, Spanien oder Portugal, die sich alle in Westeuropa befinden. Dies ist der Tatsache zu schulden, dass die Römer hier vorgestoßen und ihre Provinz Dakien (lateinisch Dacia) etabliert haben (106-275 n.Chr.). Gleichzeitig ist die rumänische Kultur auch die einzige romanischsprachige Kultur, die religiös vom orthodoxen Christentum, also der ursprünglich byzantinisch-griechischen Kirche, statt der römischen Westkirche, geprägt worden ist.

Rumänien ist also ein Land, in dem die Bevölkerungsmehrheit seit jeher eine lateinbasierte Sprache als Muttersprache spricht, in dem das Lateinische aber nie Kirchensprache war, sondern, stattdessen, das aus dem ebenfalls orthodoxen Russland stammende Altslawonische, eine slawische Sprache. Die ursprüngliche Sprache der Rumänen, vor der kulturellen Romanisierung, war das Dakische, eine mit dem Albanischen verwandte Balkansprache. Von dieser sind nur wenige Wörter (z.B. copac = Baum) und nur wenige Namen übriggeblieben. Gleichzeitig besteht ein wichtiger kultureller Einfluss der Türkei, denn der Süden Rumäniens, die Wallachei und Dobrudscha, standen über viele Jahrhunderte hinweg unter der Herrschaft des osmanischen Reiches. Gleichzeitig stand der Norden Rumäniens, Siebenbürgen, jahrhundertelang unter ungarischer Herrschaft und auch unter habsburgisch-österreichischer Herrschaft, und, natürlich, waren viele Gegenden Siebenbürgens auch deutsch besiedelt, von den sogenannten „Siebenbürger Sachsen.“ Das Land besitzt also eine überaus vielschichtige Kultur, die sich stark von den umliegenden Kulturen unterscheidet, von diesen aber auch gleichzeitig stark beeinflusst wurde.

Konsequenzen der Historie für die rumänische Namenskultur

Ein Grund, weshalb sich die Namenskultur Rumäniens stark von der Westeuropas unterscheidet, ist, dass der orthodoxe Heiligenkalender und nicht der römisch-katholische über Jahrhunderte hinweg ausschlaggebend für die rumänische Namensgebung war. Viele Heilige der Ostkirche waren Griechen oder Russen, und so finden sich im rumänischen Namensgut besonders viele griechische und auch einige russische Namen (z.B. griechisch Miron und russisch Vladimir); zudem sind die biblischen Namen ihrer Form nach griechisch bzw. russisch geprägt (z.B. Gavril anstatt Gabriel und Pavel statt Paul). Gleichzeitig aber setzte im 19. Jahrhundert ein starker Trend ein, sich auf die römischen Wurzeln zu besinnen, und so sind außergewöhnlich viele römische Namen, auch solche, die nie von Heiligen getragen wurden, in Rumänien stark verbreitet.

Schließlich gibt es auch durch die Siebenbürger Sachsen und das Habsburger Reich ein wenig deutsches Namensgut, wobei dieses aber längst nicht so stark vertreten ist wie in den westeuropäischen romanischen Sprachräumen, da diese zur Zeit der Völkerwanderung mit germanischen Stämmen stark bevölkert wurden, was dann zu romanisierten germanischen Namensformen wie Ildebrando (Hildebrand), Guido (Wito) und Imelda (Irmhild) führte.

Rumänische Vornamen

Orthodoxe Heiligennamen griechischen Ursprungs

Zu den rumänischen Namen, die mich besonders faszinieren, weil sie so andersartig sind, gehören vor allem die alten griechisch-orthodoxen Heiligennamen, die heutzutage, bis auf wenige Ausnahmen, eher selten vergeben werden. Hier einige dieses Typs:

Paraschiva (weiblich, Aussprache: Paraskiwa)—bedeutet „Vorbereitung“ bzw. „Tag der Vorbereitung“ (also Freitag, Tag der Vorbereitung auf den Sabbath). Die heilige Paraschiva wurde mehrmals für ihren Glauben verhaftet und gefoltert und im Jahre 180 hingerichtet.

Ghenadie (männlich, Aussprache: Gennah-di-je)—bedeutet „edel, großzügig,“ abgeleitet von griechisch Gennadios.

Haralamb/Haralambie (männl., Aussprache Charalamb/Charalambi-je, das CH wie in ich) — bedeutet „vor Freude leuchtend“, von griechisch Charalampos.

Dumitru (männlich)—ein Heiligenname, der wie so viele Heiligennamen, auf den Namen einer heidnischen Gottheit zurückgeht, in diesem Fall Demeter, deren Namen vermutlich „Erdmutter“ bedeutet.

Miron (männlich)—einer meiner Lieblingsnamen, und wir hätten auch fast unseren zweiten Sohn so genannt, wenn meine Frau nicht kurz vor der Geburt entschieden hätte, dass sie ihn doch lieber nach ihrem Vater benennen wollte. Dieser Name bedeutet, wie ihm auch leicht anzusehen ist, „Myrrhe.“ Es gibt zwei berühmte Heilige dieses Namens aus dem 3. und 4. Jahrhundert; der eine war Bischof von Kreta, der andere ein Märtyrer.

Anastasia (weiblich)—bedeutet „Auferstehung“. Ein Name, der in Deutschland natürlich stark mit Russland verbunden wird, der aber in der ganzen orthodoxen Welt eine große Rolle spielt. Die männliche Version lautet Anastasie (Aussprache: Anastasi-je).

Dosoftei (männlich, Aussprache Do-soff-tej)—bedeutet „Weisheit geschenkt von Gott“. Auf einem Dorffriedhof in Muntenien fiel mir auf, dass die meisten Männer dieses Dorfes Dosoftei geheißen hatten, und die meisten Frauen Elisabeta. Der Name wirkt im deutschsprachigen Kontext besonders ungewohnt; finde ihn aber wunderschön. Das Element „dos“ ist dasselbe wie in Theodosius, das Element „sof“ ist dasselbe wie in Sofia, und das Element „tei“ verweist auf Gott (theos).

Andere in Rumänien gebräuchliche orthodoxe Heiligennamen griechischen Ursprungs:
Varvara/Barbara, Ecaterina, Veronica, Sofia, Nicolae, Atanase, Eusebiu, Eusebia, Eugen, Eugenia, Eftimie, Eftimia, Vasile, Vasilica, Tudor, Todoriţa, Arcadie, Anatolie, Dionisie, Denisa, Gheorghe, Pamfil, Pantelimon.

Heiligennamen lateinischen Ursprungs

Nicht alle in der Ostkirche verehrten Heiligen tragen griechische oder slawische Namen. Es gibt auch eine Reihe Heiliger mit lateinischen Namen. Dabei fehlen viele der beliebtesten westeuropäischen Heiligennamen lateinischen Ursprungs. Das Paradebeispiel hierfür ist Martin, ein in Rumänien traditionell nicht in der rumänisch-sprachigen Bevölkerung anzutreffender Name, in Westeuropa natürlich einer der wichtigsten Heiligennamen schlechthin. Hier einige typische rumänische Namen lateinischen Ursprungs, die dem orthodoxen Heiligenkalender entstammen.

Tatiana (weiblich)—Der römische Familienname Tatius scheint ursprünglich sabinischer Herkunft zu sein; die Bedeutung ist nicht mehr bekannt. Bei der heiligen Tatiana handelt es sich um eine römische Märtyrerin des dritten Jahrhunderts, deren Kult sich in der Ostkirche, nicht aber in der Westkirche, verbreitete, sodass Tatiana vor allem in Osteuropa, so auch in Rumänien, herkömmlich ist. Rumänische Tatianas werden im Alltag meist „Tania“ (also Tanja) genannt.

Sergiu (männlich, Aussprache Ser-dschuh)—Der heilige Sergius, ein römischer Soldat des 4. Jahrhunderts der für seinen Glauben sterben musste, wurde zwar auch in Westeuropa verehrt (siehe französisch Serge und italienisch Sergio), aber die größte Verehrung wurde ihm in der Ostkirche zuteil. So ist Sergey ein typischer russischer Name; in Rumänien ist die Namensform näher am Lateinischen dran. Es gibt in Rumänien aber auch die seltenere Form Serghei.

Augustin — der Kirchenvater Augustinus von Hippo wurde auch in der Ostkirche gewürdigt. Trotzdem setzte sich sein Name in den meisten orthodoxen Ländern nicht als besonders häufiger Name durch. Das war in Rumänien anders, vielleicht wegen der größeren Affinität für alles Lateinische dort.

Patriciu (männlich, Aussprache Patri-dschu)—Man würde es kaum vermuten, aber der irische Nationalheilige Saint Patrick ist im orthodoxen Heiligenkalender enthalten und sein Name ist schon seit Jahrhunderten in Rumänien ein gebräuchlicher Vorname. Der Name bedeutet „Edelmann“ bzw. „Patrizier.“ Der ursprüngliche Name des Heiligen lautete Sucat, aber er nahm diesen lateinischen Namen als Mönchsname an. Der Großvater meiner Frau hieß Patriciu. Wir hätten unter Umständen unseren ersten Sohn nach diesem Mann benannt, wenn im Westen nicht die ständige Verwechslungsgefahr mit Patricia bestünde.

Säkulare, klassische Römernamen in ihrer rumänischen Form

Auffällig bei der rumänischen Form der alten Römernamen, dass traditionell das finale S der männlichen Endsilbe „us“ weggelassen wird, z.B. wird aus Claudius ein Claudiu. Bei den weiblichen Namen wird Konsonantendopplung vermieden, so dass aus Agrippina eine Agripina wird. Zur Zeit sind Namen mit -u-Endung nicht mehr sehr beliebt; die -us-Endung wird als klassischer, eleganter, internationaler, und, ironischerweise, als moderner (obwohl klassischer) empfunden.

Aurel und Aurelia; Cornel und Cornelia; Claudiu und Claudia; Flaviu und Flavia; Emil und Emilia; Tiberiu und Tiberia; Traian (römischer Feldherr, der Dacia eroberte); Lucian; Ciprian; Ovidiu; Agripina; Augusta.

Die folgenden Namen werden nur mit -us-Endung vergeben: Marius, Titus, Remus und Romulus. Warum ausgerechnet diese Namen nur mit -us vergeben werden erschließt sich mir nicht, um ehrlich zu sein. Aber die Formen Mariu, Titu, Remu und Romulu gibt es tatsächlich einfach nicht.

Rumänische Namen slawischen Ursprungs

Weiblich: Ludmila, Miruna, Svetlana, Bogdana, Voichiţa.

Männlich: Vlad, Vladimir, Ladislau, Mircea, Bogdan, Dragomir, Voicu.

Der Name Mircea (Aussprache: Mirtscha) leitet sich von der slawischen Silbe mir (= Friede) ab. Der Name existiert aber nur in Rumänien; in slawischen Sprachräumen gibt es sehr viele Namen mit der Silb mir, die Ableitung Mircea gibt es dort aber nicht.

Der Name Miruna ist ebenfalls ein rumänisches Unikum und existiert in anderen Sprachräumen traditionellerweise nicht. Auch er leitet sich vermutlich von der slawischen mir-Silbe ab, möglicherweise aber auch vom lateinischen Wort für „Wunder.“

Der Name Bogdan (=Gottesgeschenk, also die slawische Entsprechung von Theodor) ist in Rumänien weit verbreitet, sowohl als Vorname, als auch als Nachname. Es ist ein traditioneller moldawischer Königsname (Moldawien heißt die Region des östlichen Rumäniens).

Vlad ist ebenfalls ein sehr verbreiteter Name und bekannt durch Vlad Tepeş, den Dracula. Allerdings wird der Name in Rumänien nicht wirklich mit Dracula assoziiert, sonst wäre er nicht so häufig. In den meisten slawischen Sprachräumen wird die Silbe Vlad nicht als Eigenname vergeben; dort sind eher Vollformen wie Vladislav und Vladimir verbreitet. In Rumänien aber dominiert Vlad.

Biblische Namen

Hier finde ich es besonders interessant, wie es oft zwei Formen desselben biblischen Namens gibt, eine eher altslawonische, und eine eher westliche. Die westlichen Formen verdrängen schon seit längerem die altslawonischen Formen.

Altslawonische Namensform Westlich beeinflusste Namensform
  1. Pavel
  2. Gavril
  3. Samuil
  4. Elizaveta
  5. Emanoil
  1. Paul
  2. Gabriel
  3. Samuel
  4. Elisabeta
  5. Emanuel

Weitere biblische Namen: Maria, Mădălina, Eva, Rut, Noemi/Naomi, Debora, Sara, Miriam, Andrei, Petru/Petre, Ezechiel, Mihai/Mihail, Noie (Aussprache: No-je=Noah), Naum (Aussprache: Nauhm=Nahum), Neemia, Ieremia, Iona, Iacov/Iacob, Obadia, Maleahi, Ion/Ioan, Iosua, Ţefania (Aussprache: Zefania=Zefanja), Ştefan (Aussprache: Schtefan), Daniel, David, Avram, Isaia, Isac, Adam, Gideon, Zaharia, Matei, Timotei, Filip, Filimon.

Besonders wichtig ist in Rumänien der Name Ştefan. Der moldawische König Ṣtefan cel Mare (Stephan der Große) ist ein rumänischer Nationalheld, und seit jeher ist dieser Name in Rumänien recht verbreitet.

Der Name Maria ist traditionell der häufigste rumänische Mädchenname.

Zur Zeit ist David der beliebteste rumänische Jungenname. Der Grund: diesen Namen gab es früher nur selten, er wirkt daher frisch, modern, amerikanisch-westlich, und doch zugleich biblisch und klassisch. Daniel ist schon seit den 1970ern aus ähnlichen Gründen beliebt. Ansonsten ist der Name Gabriel zur Zeit ein Schlager. Bei den Mädchen ist Maria weiterhin unter den Top 10, aber ansonsten dominieren nicht biblische Namen, sondern Namen wie Sofia, Victoria und Amelia.

Dakische Namen

Hier gibt es die Namen Dacian (Aussprache: Datsch-ahn) bzw. Daciana, und den Namen eines dakischen Köngis, Decebal (Aussprache: Detschebal), der gegen den römischen Feldherrn Trajan verlor (ideale Zwillingskombi wäre somit Decebal und Traian).

Germanische/deutsche Namen

Hier sticht der Name Adela hervor, denn dieser ist sehr beliebt und kommt in sehr vielen Variationen vor: Adelina, Alina, Adina. Ansonsten gibt es noch Amalia, Amelia, Luiza, Ludovica, Ema (und auch neuerdings Emma mit Doppelkonsonant), Irma, Adelaida.

Männlich: Robert, Norbert, Valter, Ludovic. Diese Namen sind alle sehr selten, am häufigsten kommt noch Robert vor.

Die beliebtesten Namen

Zuguterletzt noch die beliebtesten rumänischen Namen des Jahres 2020:

Mädchennamen Jungennamen
  1. Sofia
  2. Amelia
  3. Anastasia
  4. Maria
  5. Victoria
  6. Daria
  7. Eva
  8. Alexandra
  9. Evelina
  10. Andreea
  1. David
  2. Matei
  3. Bogdan
  4. Maxim
  5. Alexandru
  6. Damian
  7. Daniel
  8. Artiom
  9. Ion
  10. Gabriel

Quelle: Agenţia Servicii Publice.

Meine persönlichen Top Ten, wobei ich die Name meiner Kinder ausnehme:

Mädchennamen Jungennamen
  1. Maria
  2. Ana
  3. Anastasia
  4. Chilina
  5. Miruna
  6. Paraschiva
  7. Veronica
  8. Sofia
  9. Nicoleta
  10. Elizaveta
  1. Nicolae
  2. Gheorghe
  3. Miron
  4. Ambrozie
  5. Flaviu
  6. Marcu
  7. Patriciu
  8. Sergiu
  9. Laurenţiu
  10. Ovidiu

21 Gedanken zu „Einblicke in die Kultur der rumänischen Vornamen“

  1. Ein sehr interessanter Beitrag wie ich finde!
    Vielen Dank für die Mühe lieber Mark! =)

    Wie wundervoll ist bitte die Bedeutung von Haralamb/Haralambie?!

    Müsste ich aus dieser Fundgrube die Namen meiner Kinder wählen, hießen sie:

    Miron Haralamb und Aurelia Miruna
    Miron Haralamb und Aurel Ghenadie
    Aurelia Miruna und Sofia Victoria

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    • Sabrina,

      Deine Namensauswahlen finde ich sehr schön.

      Ich spekuliere, dass das „lampos“ in Charalampos tatsächlich etymologisch mit dem deutschen Wort „Lampe“ verwandt sein könnte (daher die Bedeutung „leuchten“). Da könnte ein gemeinsamer indo-europäischer Wortstamm vorliegen.

    • Hallo Mark, schön, dass Du wieder da bist!

      „lampos“ und die deutsche Lampe sind tatsächlich miteinander verwandt, aber das deutsche Wort Lampe ist ein Lehnwort. Laut Kluge ist der Entlehnungsweg verschlungen: Vom Grischischen über das Spanische lampada und schließlich übers Französiche ins Deutsche.

      Dass der Hase aber „Meister Lampe“ heißt wird bei Kluge anders erklärt: In diesem Fall ist Lampe eine Verschleifung des Namens Landbert.

  2. Da ist er ja wieder, wie schön! Vielen Dank auch von mir, lieber Mark, sehr interessant!

    Wo würdest du denn den Namen meiner Tochter einordnen? Dass er gerade als Babyname nicht angesagt ist, weiß ich ja schon 🙂

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    • Der Name Deiner Tochter leitet sich ja von Aurelia ab. Aurelia war lange einer der beliebtesten klassisch-römischen Namen (ohne Heiligenname zu sein, bzw. falls es eine heilige Aurelia geben sollte, war die jedenfalls nicht der Grund für die Beliebtheit des Namens). Gerade weil der Name Aurelia im 19. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 20. so beliebt war, hat er heute eine eher altbackene Assoziation in Rumänien, ist aber vielleicht inzwischen schon wieder reif für eine Retro-Wiederentdeckung, so wie das auch mit Sofia und Anastasia passiert ist.

      Die Rufform des Namens Aurelia, die Deine Tochter als Namen trägt, war zunächst einfach ein nach typisch rumänischem Muster gebildeter Spitzname für Aurelias. Mit der Zeit verselbstständigte dieser Spitzname sich und wurde auch zum offiziell vergebenen Namen. Durch diese Rumänisierung des Namens Aurelia wurde der Name volkstümlicher. Gerade diese Volkstümlichkeit trägt dann heute auch zur altbackenen Aura bei. Aber wie gesagt, der Name ist, glaube ich, reif für eine Wiederkehr. Würde nicht überrascht sein, wenn er vielleicht in zwanzig Jahren wieder schick ist, aber man weiß ja nie genau, wie solche Dinge ablaufen werden. Ich, auf jeden Fall, finde den Namen Deiner Tochter wunderschön und würde ihn ohne Weiteres auch selbst vergeben. Meine Frau kannte eine Reihe alter, stämmiger, etwas derber Bäuerinnen mit diesem Namen und würde ihn wegen diesen Assoziationen nicht vergeben. Aber diese alten Damen sind größtenteils schon seit längerem verstorben, und so wird dann auch diese Assoziation verblassen.

    • Es gibt eine heilige Aurelia von Regensburg, der Gedenktag ist der 15. Oktober. (Habe gerade mal nachgesehen.) Sie dürfte aber keinen Einfluss auf die rumänische Namensgebung haben.
      Vermutlich hatte diese Heilige auch wenig Einfluss auf die Beliebtheit des Namens in Deutschland. Aurelia war ja nie besonders häufig.

    • Vielen Dank! Mit der „altbackenen Assoziation“ passt Aurica ja ganz gut zu Annemarie 🙂 Es ist mir heute etwas peinlich, dass ich mich vor 14 Jahren nicht soo tiefschürfend über den Namen informiert habe … Ich fand ihn einfach bloß schön.

  3. Freut mich, dass du wieder da bist, Mark! :-))

    In den 70ern und 80ern war der Name Lavinia noch beliebt und bei den Jungen Marian. Heute wahrscheinlich auch nicht mehr. Aber Alexandra scheint sich seit sehr langer Zeit zu halten.

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  4. Hallo Mark!
    Ich freue mich, mal wieder von dir zu hören. Besonders interessant finde ich die rumänische Geschichte und die Besonderheiten bezüglich der Vornamen.

    Und zu den Namen:
    Amelia verwundert mich immer wieder. Nicht, weil ich den Namen besonders mag, ich sehe ihn eher neutral. Aber Amelia taucht in vielen Ländern auf den vorderen Plätzen auf.

    Es sind ja einige Namen dabei, die auch in Deutschland gut funktionieren. Mir gefallen: Miriam, Marius, Victoria, Eva, Alexandra, David, Daniel

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    • Amelia ist in Rumänien vor allem wegen des Einflusses der Anglosphäre so beliebt. Da macht sich der britische und US-amerikanische Einfluss geltend. Wenn wir im Sommer in Rumänien sind, sehen wir immer sehr viele britische Autos–Sommer-Rückkehrer aus Großbritannien. Es gibt in Großbritannien eine große rumänische Diaspora, zu der auch meine Schwägerin und ihre Familie gehören. Dadurch besteht ein sehr starker Wechselbezug zwischen Großbritannien und Rumänien. Viele Rumänen haben auch Familienmitglieder, die in die USA ausgewandert sind, oder sie haben selbst mehrere Jahre dort gelebt und Geld verdient, um sich dann zuhause ein schönes Haus bauen zu können.

      Der Name Amelia passt von der Form her seht gut ins rumänische Namensschema, wirkt in Rumänien aber frischer und internationaler als das traditionellere Amalia. Ich selbst finde für Rumänien Amalia schöner, empfinde aber auch Amelia als nicht ganz unpassend.

      Miriam heißt übrigens meine jüngste rumänische Nichte.

  5. Danke Mark!

    Mir ist besonders Filimon positiv aufgefallen. Den Paulusbrief an Philemon hatte ich gar nicht in Erinnerung, nur die Metamorphose ‚Philemon und Baucis‘ als Musterbeispiel von Gastfreundschaft und Treue (wenn auch ein wenig kitschig). Die Bedeutung „der Freundliche“ ist natürlich auch hübsch, und als internationaler, bodenständiger Spitzname würde sich immer noch „Phil“ anbieten.
    Der biblische Philemon war zwar Sklavenhalter, aber im historischen Kontext betrachtet sollte man das wohl nicht zu hart verurteilen.

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    • Filimon finde auch ich klanglich besonders ansprechend. Die Philemon-und-Baucis-Geschichte mag ich sehr, und interessanterweise greift Goethe sie am Ende von „Faust II“ auf, wo Mephisto ein Philemon-und-Baucis-Paar leider umbringt.

  6. Ein sehr interessanter Artikel.

    Einige Name wie Dacian und Patriciu hätte ich spontan mit k gesprochen, weil sie von römische Namen abstammen.
    Mircea (auch mit k) hätte ich für einen Mädchennamen gehalten.

    Ich finde die römischen Namen auf u wirklich erfrischend, anders als die sperrigen auf -us 🙂 .

    Was die Namen betrifft, einige sind sehr vertraut (Sofia, Maria, David), andere wirken ungewohnt (Bogdan etc).

    Besonders gut gefallen mir Imelda (für den Namen habe ich eine kleine Schwäche), Ludovica (könnte auch bei uns öfter vergeben werden, als Zweitname sehe ich Potenzial),
    Adelina, Adina, Adelaida, Mădălina, Elisabeta, Maria, Miron und Maxim.

    Ich bin immer wieder überrascht, wo überall Amelia vergeben wird. Der Name ist okay (ich mag Amalia viel lieber), aber dass er sich so großer Beliebtheit erfreut…

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    • Was Imelda angeht, da habe ich mich an der Stelle etwas verwirrend ausgedrückt. Der Name sollte als Beispiel dafür dienen, dass in westeuropäischen romanischen Sprachen germanische Namen in großer Anzahl romanisiert wurden, weil während der Zeit der Völkerwanderung z.B. Westgoten Spanien besiedelten und Langobarden Norditalien besiedelten. Tatsächlich ist Imelda spanisch (vielleicht auch italienisch).

      Das Rumänische hat vergleichsweise nur sehr wenig germanisches Namensgut aufgenommen.

  7. Ich hatte nie sehr viel mit Leuten aus Rumänien zu tun, habe aber im Laufe meines Lebens zwei Rumäninnen mit dem Namen Roxana getroffen. Beide waren älter als ich, müssten heute in den 40ern sein.
    Laut Lexikon ist der Name persisch. Wie kommt es, dass er in Rumänien offenbar beliebt ist oder mal war?

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    • Roxana war die erste Frau Alexanders des Großen. Die Rumänen haben eine Schwäche für klassische Heldennamen, ob das nun Odiseu, Traian, Decebal, Remus/Romulus oder auch der überaus beliebte Alexandru ist. Roxana wurde wegen der antiken, legendären Aura Alexanders des Großen zum beliebten weiblichen Namen.

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