Mein seltener Name und ich: Juls

Vor 66 Jahren waren die Möglichkeiten, sich über Namen schlau zu machen, verglichen mit heute extrem überschaubar. Juls‘ Eltern hatten deshalb wenig Chancen, die Geschichte zu überprüfen, die ihr Vater beziehungsweise Schwiegervater ihnen auftischte: Er schlug Juls vor, das sei ein skandinavischer Name. Der Klang gefiel, der Name war gekauft. Tatsächlich erinnert Juls an jul, das schwedische, dänische und norwegische Wort für Weihnachten. Aber ein Name?!


„Es kam erst viel später raus, dass das eine Tüdelei von meinem Opa war – er hatte sich das ausgedacht“, erzählt Juls. Leider hat der Hamburger seinen Großvater kaum kennengelernt. Über den Namen waren die beiden aber verbunden: Juls – und sein Opa Julius.  Genau wie Julius, bloß ohne das -iu- mittendrin, spricht sich sein Name, nicht etwa „Dschuls“ oder „Schül“. „Viele Menschen mögen mich erst nicht so recht ansprechen, weil sie nichts falsch machen wollen, der seltene Name macht sie befangen. Wenn ich das merke, presche ich schon mal vor und sage, dass sie einfach drei-, viermal Juls sagen sollen, dann klappt das schon.“

Mein seltener Name und ich

Nach seiner Einschulung wurde ihm das erste Mal richtig bewusst, was ihn von anderen unterschied: „Die hießen alle Thomas, Andreas, Peter und so.“ Die ersten Monate in der Schule waren auch die einzige Zeit in seinem Leben, in der er mit seinem Namen nicht glücklich war. „Das gab sich aber bald wieder.“ Er ist „stolz wie Oskar“, Juls zu heißen, und hätte sich auch vorstellen können, den Namen an seinen Sohn weiterzugeben. „Mein Bruder ist mir aber zuvorgekommen.“ In dem Standesamt, in dem sein Neffe vor 28 Jahren angemeldet werden sollte, fand der Name zunächst keinen Beifall. „Mein Bruder musste erst erklären, dass er seinen Sohn nach mir nennt.“ Zur Unterscheidung wurde der jüngere Juls manchmal „Julsi“ gerufen, was „Juls dem Älteren“ aber nicht so gut gefällt. „Bei mir hat so was nie jemand versucht.“

Juls hat die Tradition auf seine Weise fortgeführt, indem er für seine Kinder, mittlerweile Mitte 20, ebenfalls ungewöhnliche Namen ausgesucht hat: Eléen – eine Helena-Variante – und Jooris lange vor dem Joris-Boom. „Ich finde es klasse, wenn Eltern ein bisschen kreativ werden. Natürlich nennt man sein Kind nicht ‚Gitarre‘ oder so. Der gesetzliche Rahmen lässt aber auf jeden Fall viel mehr zu als bloß Schema F.“ Auch außerhalb der Familie hat Juls‘ Name inzwischen Eltern inspiriert: Bekannte, die ehemalige Kindergärtnerin … sie alle verliebten sich in den besonders und doch vertraut klingenden Einsilber. „In Hamburg gibt es nun bestimmt ein halbes Dutzend Juls‘ – fast ein kleiner Boom.“

10 Gedanken zu „Mein seltener Name und ich: Juls“

  1. Zwei Skandinavier, die eher in Namensbüchern stehen dürften, habe ich noch gefunden: den schwedischen (oder mongolischen?) Yul https://www.beliebte-vornamen.de/17808-yul.htm – mit Yul Brynner als prominentem Träger – und den norwegischen Truls. Ob Juls‘ Opa wohl einen dieser Namen im Kopf hatte oder doch pfiffig eine gekürzte/genuschelte Version des eigenen Namens etablieren wollte? Wer weiß.

    Vielleicht gibt es ja auch unabhängig vom Vorbild meines Gesprächspartners irgendwo den einen oder anderen Juls …?

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  2. „Natürlich nennt man sein Kind nicht Gitarre“
    den Satz finde ich sehr lustig originell.
    vermutlich wird es in einigen Jahren erlaubt sein Kinder nach Gegenständen zu benennen.

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  3. Wie lustig, erst gestern ist mir der Name Juls ins Auge gesprungen, im Abspann von „Kästner und der kleine Dienstag“. Ich glaube, einer von den Kinderdarstellern hieß so.

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  4. Ich finde ja „kreative“ Namen grundsätzlich nicht falsch. Wie Juls schon sagt, gibt es natürlich Grenzen, aber die überschreitet sein Name sicher nicht, sei er noch so selten und ausgedacht. Mir gefällt er.

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