Herrn Bielefelds großer Tag

Wie oft sein Telefon heute klingeln wird – Knud Bielefeld kann es nicht sagen. „Wahrscheinlich aber weit öfter als sonst.“ Und es werden ungewöhnlichere Anrufe sein als sie 46-jährige Familienväter aus Kleinstädten sonst erreichen, an einem x-beliebigen Montag. Weil dieser 30. Dezember eben kein x-beliebiger, sondern der Tag ist, an dem der Wirtschaftsinformatiker aus Ahrensburg bei Hamburg sich zu Deutschlands meistgefragter Koryphäe in Sachen Vornamen mausert: Heute veröffentlicht Bielefeld seine Liste der 2013 am häufigsten vergebenen Vornamen. Ein Thema, das die Medien alljährlich freudig aufnehmen.


Als ich Bielefeld zwei Tage vor Tag X befrage, kommt er gerade aus einem Interview für „Heute“ (Sendetermin voraussichtlich heute ab 13 Uhr). Denn natürlich will man beim ZDF bestens vorbereitet sein. So kann es weitergehen! 182.945 Geburtsmeldungen aus ganz Deutschland haben Bielefeld und sein Team – sechs Frauen und ein Mann – in diesem Jahr gesammelt und ausgewertet, das sind 27 Prozent aller 2013 geborenen Babys. Für Bielefeld ist es seit 2006 die achte Hitliste, die er quasi live systematisch erstellt. Und die Sieger heißen 2013 (mal wieder): Mia und Ben.

Die beliebtesten Vornamen des Jahres 2013

Annemarie Lüning: Du hast in diesem Jahr sogar einen Countdown auf deiner Seite installiert, der die Sekunden bis zum Erscheinen der Vornamenhitliste 2013 heruntergezählt hat. Hast du selbst mitgefiebert?

Knud Bielefeld: Die Spannung, was die Liste angeht, ist bei mir natürlich raus – ich habe die Auswertung schon am Freitag gemacht. Außerdem beobachte ich übers Jahr, wie sich alles entwickelt. Sehr gespannt bin ich aber jedes Mal, wie das Thema in den Medien läuft.

AL: Mia und Ben wieder auf Platz 1 – bist du da enttäuscht? Und denkst du, dass sich diese Serie weiter fortsetzen wird?

KB: Enttäuscht? Nein. Die Vornamenhitparade verändert sich generell nur langsam. Dass zwei Namen über Jahre an der Spitze waren, gab es schon früher. Zum Beispiel 1906 bis 1911 Walter und Gertrud oder 1935 bis 1939 Hans und Helga. Irgendwann ist ein Name dann durch, alle haben sich an ihm sattgehört, und er kommt aus der Mode. Bei Mia und Ben ist das sicher noch länger nicht der Fall. Der Vorsprung zu den Zweitplatzierten, Emma und Luca, ist so groß, dass sie vermutlich auch 2014 noch Spitzenreiter sein werden.

AL: Im Kindergarten meiner Tochter gibt es weder eine Mia noch einen Ben, dafür aber Emmas, Evas und Philippas. Wie häufig sind die häufigsten Namen wirklich?

KB: Etwa eines von hundert Mädchen des Jahrgangs 2013 heißt Mia, einer von hundert Jungen Ben – das ist nicht wirklich dramatisch. Wer es wichtig findet, einen nicht allzu häufigen Namen zu wählen, hat mit der beliebte-Vorname.de-Hitliste eine gute Hilfe an der Hand. Ob man sich für den Namen auf Platz 30 oder den auf Platz 10 entscheidet, kann viel ausmachen: Den Namen auf Platz 10 tragen fast doppelt so viele Kinder.

AL: Wenn kurze Röcke in Mode sind, boomt die Wirtschaft, so heißt es zumindest. Was sagen Namensmoden über unsere Gesellschaft aus?

KB: Mode- und Namenstrends kann man schlecht vergleichen. Schließlich setzt die Textilindustrie bewusst Trends und sucht nach Neuem, um mehr zu verkaufen. Bei Namen läuft das ganz anders. Für mich steht kein Trend besonders im Vordergrund, es gibt alles über die Hitliste verstreut, ob nun englisch, biblisch, alt, neu, kurz oder lang. Die häufigsten Anfangsbuchstaben sind wie schon länger L, M und bei den Jungen J. Lovelyn ist ein Name, der 2013 erstmals in meiner Datenbank auftaucht und gleich mehreren Elternpaaren gefiel, eine Teilnehmerin von „Germany’s Next Topmodel“ stand Pate. Und dann gibt es noch den eher neuen Trend, Namen zu erfinden – Hauptsache individuell.

AL: So wie Kathalea, den du zum Vornamen des Jahres ernannt hast?

KB: Genau. In den Top 500 tauchen selbst gebastelte Namen gar nicht auf, Kathalea bislang auch nur in der Originalform Cataleya aus dem Film „Colombiana“. Das Spannende an Kathalea ist, dass man ihn auch als Neubildung aus Katharina und Lea deuten kann. Vermutlich werden das eher Eltern tun, die sich nicht auf eine Filmfigur – dazu noch Profikillerin – beziehen möchten.

AL: Welches sind die Auf- und Absteiger 2013?

KB: Im größten Aufwärtstrend befinden sich Henri/Henry, Mattheo/Matteo, Milan, Mads/Mats und Emil sowie Emilia, Mila, Sophia/Sofia, Maila/Mayla und Mathilda/Matilda. Nach unten ging es besonders für Lukas, Leon, Jason, Tim, Joel sowie Sarah/Sara, Lilli in den diversen Schreibweisen, Jana, Jolina und Lina. Was nicht heißt, dass diese Namen plötzlich nicht mehr verbreitet wären, sie sind aber um etliche Plätze nach hinten gerückt.

AL: Hielt die Hitliste 2013 Überraschungen für dich parat?

KB: Die größte ist eindeutig Pepe – in Mecklenburg-Vorpommern sogar in den Top Ten!
Außerdem wundert es mich wirklich, dass Kevin trotz allem, was bei bei diesem Namen mittlerweile mitschwingt, immer noch vergeben wird. Ob das immer im Sinne des Kindeswohls ist?

12 Gedanken zu „Herrn Bielefelds großer Tag“

    • Ben kann nicht nur als Kurzform von Benjamin, sondern auch als Kurzform von Benedict verstanden werden und Max nicht nur als Kurzform von Maximilian, sondern auch von Maxim, Maximus o.ä., daher finde ich die getrennte Auswertung gut.
      Luca würde ich nicht in einen Topf mit Max und Ben werfen, da es keine Kurzform, sondern die italienische Variante von Lucas/Lukas ist. Aus diesem Grund finde ich die getrennte Auswertung hier auch gut, sonst müsste man auch Leander und Leandro etc. zusammen auswerten.
      Namensformen gleichen Ursprungs mit gleicher oder ähnlicher Aussprache hingegen sind zusammen ausgewertet worden. Zu der gemeinsamen Auswertung von Emily und Emilie gab es in den vergangenen Wochen schon den einen oder anderen Kommentar, da einige den Namen Emilie Emil-je o.ä. aussprechen. Ich gehe bei Emilie, die vom französischen Émile hergeleitet wurde, von der Aussprache aus, die der original französischen Aussprache am nächsten ist, also von der mit i-Laut am Ende. Unter diesem Gesichtspunkt finde ich die gemeinsame Auswertung von Emily und Emilie in Ordnung.
      Wenn man Emily und Emilie getrennt auswerten würde, müsste man auch Luisa/Louisa, Lucy/Lucie, Chiara/Kiara, Luise/Louise, Carolin/Caroline/Karoline, Lynn/Linn, Evelyn/Evelin/Eveline etc. getrennt auswerten.
      Mir ist dabei gerade aufgefallen, dass Josephine/Josefine und Josefin/Josephin (Charlotte steht auch ohne Charlott und Christin/Kristin ohne Christine) im Gegensatz zu Carolin/Caroline/Karoline und Evelyn/Evelin/Eveline getrennt ausgewertet wurden. Woran liegt das?

  1. Ich frage mich wirklich, wie diese Statistik aussehen würde, wenn man nicht nur 27% aller 2013 geborenen Babys auswerten würde, sondern wirklich 100% ???
    Sorry, aber das ist für mich eine absolut nicht aussagefähige Statistik. Mein Chef würde mich kündigen, wenn ich ihm sowas vorlegen würde.
    Sorry Chef, ich habe nur die Krankenstatistik von 27% unserer Mitarbeiter gemacht und die restlichen 73% habe ich unter den Tisch fallen lassen.

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    • Ich weiß nicht, warum du die Statistik so schlecht machst.
      Es gibt nun mal keine offizielle Statistik in Deutschland und es macht sich trotzdem jemand die Mühe um eine Tendenz aufzuzeigen. Das kann man sich sicherlich hochrechnen, auch wenn dann alles vielleicht noch etwas anders aussehen würde.
      Aber letztendlich behauptet niemand, dass das DIE total aussagekräftige Statistik ist. Aber immerhin keine, in der Erst- und Zweitnamen gleich gewertet werden (wo dann gern Sophie am beliebtesten ist, obwohl der gar nicht mal so häufig gerufen wird, da oft nur stummer ZN), sondern getrennt usw…
      Das find ich gut, auch wenn es „nur“ 27% aller Geburten umfasst.

      Für deinen Chef arbeitest du, da kann dieser auch 100%ige Arbeit verlangen.
      Diese Seite wird aber privat betrieben von Knud und er macht es nicht für irgendeinen Chef, der ihm etwas dafür zahlt.
      Da kann auch niemand verlangen, dass er hinter allen Standesämtern usw. aus ganz Deutschland her ist (Wieviel Zeit würde das in Anspruch? Einer allein könnte dies wohl kaum bewältigen) und diese dann noch auswertet. Abgesehen davon, dass man vielleicht nicht mal alle Daten bekommt.
      Also nimmt man es an (ich freue mich drüber!) oder lässt es bleiben, aber beschwert sich nicht noch.
      Find ich ne Frechheit für die Mühe, die sich jemand macht!

    • Melanie, was glaubst du wie Studien oder die ersten Prognosen bei Wahlen funktionieren? Da würde keiner auf die Idee kommen, sich zu beschweren, weil nur 0,x% erfasst sind. So lange nicht nur ein Bundesland untersucht wird, sondern gleichmäßig alle Bundesländer, zum Teil Städte, zum Teil ländliche Gebiete, ist die Vorhersagekraft sehr gut. Aber du darfst gern eine 100%ige Statistik machen – in deiner Freizeit versteht sich.

      Von meiner Seite aber: Vielen Dank, Knud, für die tolle Arbeit, die du jedes Jahr leistest.

    • Die Frage ist, was soll denn die Statistik aussagen? Ist es so wichtig, ob Jonas Platz 4 oder Platz 5 ist?
      Ich bin ganz sicher, dass die Liste bei 100% der Geburten nicht sehr viel anders aussehen würde. Die Ranglistenpositionen würden sich ein bisschen verschieben. Aber ganz bestimmt wäre ein Top 10-Name aus meiner Stichprobe nicht nur Platz 20 in der 100%-Auswertung. Wem das hier nicht genau genug ist, der muss die Liste nicht nutzen, etwas besseres gibt es aber nicht für Deutschland. Ich habe den Eindruck, als wenn es für viele aussagekräftig genug ist und sich meine Mühe doch lohnt.

      Bei repräsentativen Meinungsumfragen werden oft nur wenige hundert Menschen gefragt und daraus hochgerechnet. Dagegen ist eine Stichprobe von 183.000 großartig, zumal ich die Quellen ja auch repräsentativ ausgewählt habe.

  2. Da kann ich nur zustimmen. Soviel ist bei mir in Statistik hängengeblieben, dass 27% als Grundlage ein sehr guter Ausgangswert ist, soweit die Verteilung stimmt.

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  3. Vielen Dank für die ausführlichen Listen jedes Jahr.

    Eine kleine Anmerkung zu den Top 500: Die Plätze 148 und 303 bei den Mädchennamen sind identisch (Aaliyah/Aliya).

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