Das Bedürfnis, seinem Kind einen seltenen Vornamen zu geben

Interview seltene Vornamen

Warum entscheiden sich Eltern immer häufiger für seltene oder außergewöhnliche Vornamen? In einem Interview für ein lokales Medium habe ich die Hintergründe und Motive beleuchtet, die viele Mütter und Väter dazu bewegen, ihrer Namenswahl eine persönliche und ungewöhnliche Note zu geben.


Frage: Herr Bielefeld, woher kommt dieses Bedürfnis, seinem Kind einen seltenen Vornamen zu geben?

Meine Antwort: Nun, das Bedürfnis hat verschiedene Ursachen. Erstens: Viele Eltern haben selbst erlebt, wie es ist, einen sehr häufigen Vornamen zu tragen – denken wir nur an die typischen „Julias“ oder „Sebastians“ aus den 80er Jahren. Da kam es ständig zu Verwechslungen in der Schule oder im Freundeskreis. Das möchten sie ihren eigenen Kindern ersparen.

Zweitens: Es gibt auch den sozialen Druck, nicht langweilig oder unkreativ zu wirken. Im Freundeskreis möchte man nicht derjenige sein, der seinem Kind einen vermeintlich „gewöhnlichen“ Namen gibt.

Und drittens: Einige Eltern erhoffen sich, dass ein besonderer Name ihrem Kind helfen könnte, auch als Person etwas Besonderes zu sein.

F: Das ist interessant. Hat denn die Zahl der Menschen mit seltenen Vornamen tatsächlich zugenommen? Und wenn ja, woran könnte das liegen?

A: Ja, das kann ich bestätigen. Es werden immer mehr seltene Vornamen vergeben. Ein wesentlicher Grund sind natürlich die Motive, die ich gerade genannt habe. Aber es gibt noch weitere Faktoren: Durch die weltweite Vernetzung – denken Sie an Social Media oder internationale Filme und Serien – entdecken Eltern heute viel leichter außergewöhnliche Namen aus anderen Kulturen.
Zudem sind Standesämter bei der Anerkennung ungewöhnlicher oder neu erfundener Vornamen heute viel großzügiger als noch vor einigen Jahrzehnten. Das gibt Eltern mehr Freiheit bei der Namenswahl.

F: Und wie sieht es mit den nicht genehmigten Vornamen aus? Hat deren Zahl auch zugenommen?

A: Dazu kann ich ehrlich gesagt wenig sagen. Mir liegen keine konkreten Informationen zu nicht genehmigten Vornamen vor. Das ist letztlich die Aufgabe der Standesämter, die darüber entscheiden.

F: Verstehe. Aber lassen Sie uns über die Auswirkungen sprechen: Begegnen Menschen mit seltenen Vornamen im Alltag eher positiven oder negativen Reaktionen?

A: Da höre ich überwiegend von negativen Erfahrungen. Einige Menschen mit sehr ungewöhnlichen oder auffälligen Vornamen klagen regelrecht über die Wahl ihrer Eltern. Sie sind genervt davon, dass ihr Name häufig falsch geschrieben, falsch ausgesprochen oder schlichtweg falsch verstanden wird. Viele mögen es auch nicht, wegen ihres Namens ständig im Mittelpunkt zu stehen.

Positives Feedback in Bezug auf seltene Vornamen? Daran kann ich mich ehrlich gesagt nicht erinnern.

F: Spannend. Ein Thema, das sicher viele Eltern beschäftigt. Vielen Dank, dass Sie bei uns waren!

6 Gedanken zu „Das Bedürfnis, seinem Kind einen seltenen Vornamen zu geben“

  1. Wenn man sich Annemaries Interview-Reihe „Mein seltener Vorname und ich“ durchliest, zieht sich wie ein roter Faden die Aussage durch: „Früher war ich von meinem Namen genervt (wegen falscher Aussprache/falscher Schreibweise/zu viel Aufmerksamkeit), heute habe ich meinen Frieden damit gemacht“. Viele mögen ihren ausgefallenen Namen im Erwachsenenalter sogar, einschließlich mir selbst. Ich denke, als Kind ist es vor allem wichtig, dazuzugehören und möglichst in der Gruppe nicht aufzufallen. Da kann ein ungewöhnlicher Name ein Problem sein. Als Erwachsener hat man dann irgendwann seine eigene Identität gefunden, hat mehr Selbstbewusstsein und versteht vielleicht auch die Motive der Eltern für die Namensvergabe besser. Der Name ist dann kein Störfaktor mehr, sondern wird idealerweise Teil der Persönlichkeit.

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    • Da bin ich bei dir. Wobei die Namen aus Annemaries Reihe ja allesamt gar nicht so extrem außergewöhnlich sind.
      Die Leute, die ich mit meiner Einschätzung meine haben Namen im Stile von Pampel-Muse, Godzilla Superstar und Miami Beach. Deren echte Namen behalte ich für mich und von denen war leider keiner an einem Interview für dieses Blog interessiert.

    • An eurem Dialog sieht man schon, wie schwierig es ist, Aussagen zu diesem Thema zu treffen: Jeder versteht unter „Seltener Name“ was anderes. Der eine denkt an Namen von der Kategorie Gwendolin oder Aurica, der andere an Fifi Trixibelle oder Miami Beach.

      Mein Empfinden zu meinen Interviews ist auch etwas anders (ohne jetzt durchgezählt zu haben): Ja, viele sagen, dass es Phasen gab, in denen sie sich mit ihrem Namen schwergetan haben, aber von denen reden etliche nicht nur davon, sich irgendwann mit ihrem Namen arrangiert zu haben, sondern auch von einer regelrechten Liebe zu ihrem Namen. Und gar nicht so wenige haben nie mit ihrem selteneren Namen gefremdelt und mochten ihn immer sehr gern. Mehrere haben auch ihren Kindern seltenere Namen gegeben oder würden das tun.

      Solange man noch ziemlich jung ist, eckt man doch schon deshalb nicht so oft mit seinem Namen an, weil Kinder im Vorschulalter noch gar kein Gefühl dafür haben, welcher Name selten ist und welchen man öfter hört. Und allgemein sind durch die von Knud beschriebene größere Häufigkeit von seltenen Namen diese nicht mehr so große Aufreger wie früher als jeder drei Nicoles und zwei Michael in der Klasse hatte. Das macht es leichter, sich selbst auch etwas zu trauen.

    • Ihr müsst auch bedenken, dass ich in meiner Reihe nur Leute Ü18 interviewe – viele sind sogar schon Ü40. Das heißt, die Erfahrungen mit ihrem Namen, die sie genervt haben, haben sie in einer ganz anderen Zeit gemacht. Ich glaube nicht daran, dass bei Kindern von heute mit ungewöhnlichen Namen in 20 Jahren eine vergleichbar ausgeprägte Tendenz der Erfahrungen auffallen würde.

      Wobei ich, wohlgemerkt, nur von den „normaleren“ seltenen Namen spreche und nicht z.B. von solchen, die von den Eltern ohne Not und Hintergrund auf selten gepimpt wurden wie Aanyka statt Annika oder so (fiktives Beispiel) 😉

  2. Nach meiner Erfahrung kommt es sehr darauf an, welche Art von seltenen Vornamen jemand hat.

    Ist es einer, der nur selten vorkommt, aber bekannt ist oder zwar sehr ungewöhnlich, aber völlig unkompliziert, sind die Leute eher zufrieden als, wenn der Name viele Erklärungen mit sich bringt.

    Ich persönlich kenne recht viele Menschen mit ungewöhnlicheren Rufnamen und im Schnitt sind die mit ungewöhnlichen Namen zufriedener als die mit Top-Namen ihrer Generation.

    Ich selbst habe zu meinem sehr seltenen Zweitnamen bislang nur positive Rückmeldungen bekommen.

    Letztendlich weiß man nie, wie man es richtig macht.
    Die Mutter einer Freundin hatte einen der Top-Namen ihres Jahrgangs (Marke: Sabine, Andrea). Das hat sie so genervt, dass sie ihren Kindern bewusst seltene Namen gegeben hat.
    Die eine davon ist super glücklich mit ihrem Namen (Marke: Jeppe, Idun). Die andere ist mir ihrem heute viel geläufigeren Namen (Marke: Liana, Malea) super unglücklich und hat ihren deutlich selteneren Zweitnamen zum Rufnamen gemacht.

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  3. Unter seltenen Vornamen verstehe ich schlicht solche, die zahlenmäßig nicht häufig vorkommen (ggf. in Bezug auf eine Generation / Region). Schrille Vornamen sind meist auch selten, aber nicht jeder seltene Vorname ist schrill.

    Gibt es eigentlich eine Statistik über die kumulierte Häufigkeit, wieviel % der Neugeborenen einen Namen innerhalb (u. im Umkehrschluss außerhalb) den Top 10, 20, 50, 100, 200, 500, … tragen? (Dachte, ich hätte hier mal Listen mit Prozentangabe gesehen, aber finde sie nicht mehr.)

    Interessant finde ich, dass im Interview von einem „sozialen Druck, nicht langweilig oder unkreativ zu wirken“ gesprochen wird. Ich selbst habe es eher andersherum empfunden, dass gesellschaftlich erwartet wird, dass einem das gefällt, was tausenden anderen auch gefällt; und man die Wahl eines seltenen (NICHT schrillen) Vornamens eher erklären/rechtfertigen muss, als die eines Top Namens.

    Ich gestehe, auf mich wirken Top Namen in manchen Fällen tatsächlich, als sei man der Masse hinterhergeschwommen. Ich kenne aber auch Eltern, die durchdachte u. stimmige Gründe hatten, ihren Kindern bewusst Top 10 Namen zu geben, und bei denen ich die Wahl gelungen bzw. zur Familie passend finde.

    Seltene Vornamen nehme ich meist positiv wahr; selbst solche, die mir geschmacklich weniger gefallen. Vllt., weil ich Vornamen generell ein interessantes Thema finde, u. ein unbekannter Name natürlich mehr Gedankenanstöße liefert, als ein schon x mal gehörter.

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