Die ganze Wahrheit über Luther

Die ganze Wahrheit über Luther

Ich bin ja bekennender Halloween-Fan. Aber das jahrelange Gemaule mir persönlich bekannter Halloween-Hasser („31. Oktober ist Reformationstag … und die Kinder sollten lieber Rummelpottlaufen  wie wir früher.“) hat sich bei mir irgendwie festgesetzt. Jedenfalls so sehr, dass ich in diesem Jahr mal über den Namen des Theologen und Reformators Martin L. (1483–1546) schreibe.


Patriarch und Grinch

Dabei geht es mir in erster Linie um Luther als Vornamen. In Filmen und Romanen aus dem englischen Sprachraum begegnet mir dieser Name immer mal wieder. Da wäre etwa Luther Crackenthorpe, der ungemütliche Patriarch aus „16 Uhr 50 ab Paddington“. Dieser Miss-Marple-Roman von Agatha Christie erschien 1957. Oder der grinchartige Luther Krank aus „Verrückte Weihnachten“ mit Tim Allen und Jamie Lee Curtis (2004) (der es mir ermöglicht, einen Weihnachtsnamen in einem Hallow… nein, Reformationstagstext unterzubringen).

Oliver und Luther

Den Dritten im Bunde habe ich in einer liebeswerten „RomCom“ auf Netflix mit dem umständlichen Titel „Die statistische Wahrscheinlichkeit von Liebe auf den ersten Blick“ (2023) entdeckt. Das Pärchen darin heißt Hadley (Amerikanerin) und Oliver (Brite). Olivers Bruder Luther spielt aber auch eine Rolle. Oliver und Luther – für mich eine befremdliche Geschwisterkombination. Aber im Grunde befremdet mich schon der Vorname Luther an sich. Und es drängt sich mir die Frage auf, ob dieser Namensmode zumindest ursprünglich mal eine Hommage an Martin Luther zugrunde lag. Wenn das so ist, weshalb gibt es das in Deutschland nicht auch bzw. gerade?

Aus Michael wird Martin

Kleiner Exkurs: Der amerikanische Bürgerrechtler Martin Luther King (1929–1968) wurde nicht mit diesem Namen, sondern als Michael King Junior geboren. Sein Vater änderte den eigenen Namen und den seines Sohnes unter dem Eindruck einer 1934 gemachten Europareise zu Ehren des von ihm bewunderten Martin Luther. Tatsächlich aber, so lehrt uns Wikipedia, hieß nicht einmal der protestantische Reformator selbst bei seiner Geburt Luther. Sein Vater nannte sich Hans Luder, der Nachname wurde in verschiedenen Varianten geführt.

Luther war kein Luder

Luther soll seine Nachnamensform mit etwa 30 Jahren von einem Alamannen-Herzog (Leuthari II.) oder vom griechischen Wort für „frei“ (eleutheros) abgeleitet haben. Der altgermanische Name Leuthar – aus „liut“ für Leute und „heri“ für Heer – stammt aus einer Zeit, als es das System mit Vor- und Nachnamen hierzulande noch nicht gab. Die Online-Enzyklopädie kennt übrigens auch eine Person, die vor Martin L. diesen Namen trug: Luther von Braunschweig, einen um 1275 geborenen „Hochmeister des Deutschen Ordens“. Doch Moment, da steht noch „auch Luder bzw. Lothar“. Luther, Leu- oder Lothar, Vor- oder Nachname, religiös beflügelte Hommage oder nicht, wer weiß es schon so genau.

Gretchenfrage an der U-Bahn

Zum Schluss noch eine Geschichte, die sich an einer Ahrensburger U-Bahn-Station genau so zugetragen hat. Mein Mann, mit dem Wappen seines Fußballvereins auf dem Shirt, wurde von einem Herrn angesprochen, ob er Christ sei – auf seinem Shirt sei doch ein Kreuz (na ja) und er hätte doch gerade über Luther gesprochen. Hatte er nicht. Es war lediglich der Name der Tochter einer Bekannten gefallen. Sie heißt Lotta.

8 Gedanken zu „Die ganze Wahrheit über Luther“

  1. Nachdem Luther als Vorname in anderen Ländern vorkommt, wäre er also auch zulässig in Deutschland, obwohl es eigentlich ein Nachname ist?

    Und gibt es denn tatsächlich Menschen in Deutschland, die Luther oder Martin Luther mit Vornamen heißen?

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    • Ja, Luther wurde in Deutschland definitiv schon als männlicher Vorname beurkundet.

      In den USA ist Luther gar kein so ungewöhnlicher Vorname mit mehreren prominenten Namensträgern (z. B. der Soulsänger Luther Vandross). Vor diesem Hintergrund ist die Ablehnung dieses Namens in Deutschland kaum vorstellbar.

  2. Es gibt auch noch die Krimiserie „Luther“, läuft auf Netflix.

    Oliver und Luther finde ich zumindest durch die Endung ähnlich, aber zu Oliver würde ich vielleicht Leander und zu Luther einen anderen nachnamigen Vornamen wählen, vielleicht Hunter

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  3. Der Zusammenhang „Luther – ἐλεύθερος“ eine Art Volksetymologie.

    Der eigentliche Grund für die Änderung war einfach der Spott, dem er als „Martinus Luder“ ausgesetzt war.
    Luder war schon damals klanglich negativ behaftet („betrügerisch“, „liederlich“). Die Schreibweise mit th ist schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts aufgetaucht und hat sich verbreitet. Luther selbst hat sich damals zwischen den Sprachschichten bewegt. Die Bevölkerung sprach überwiegend niederdeutsch, die Oberschicht hochdeutsch. Er selbst war beiden Sprachformen mächtig, also hat er seinen Namen in die hochdeutsche, edler klingendere Form geändert: Luther.

    In 28 Briefen an wenige Humanisten (zum Beispiel Erasmus) hat er Eleutherius als Nachname verwendet.
    Das entsprach einfach der humanistischen Tradition, deutsche Namen zu gräzisieren. So auch Schwarzerd -> Melanchthon, Neumann -> Neander …). Diese Form hat er aber erst nach Luther und nie für offizielle Schriften verwendet.

    Wie wäre es denn zum Reformationstag noch mit anderen Reformatoren?
    Johannes Calvin
    Philipp
    Justus Jonas
    Huldrych/Ulrich
    Andreas
    Urbanus
    Ambrosius

    Oder Luthers Frau und Kinder:
    Katharina
    Johannes
    Elisabeth
    Magdalena
    Martin
    Paul
    Margarete

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    • Wie man damals seinen Nachnamen modellieren konnte, finde ich wirklich spannend – und dass Luther offenbar ein Nachnamens-Mobbing-Opfer war, lässt ihn überraschend modern erscheinen. Manches ändert sich wohl nie 🙂

  4. Und prompt heißt es heute in einem Leserbrief in unserer Lokalzeitung „Warum wird statt Halloween der Kinderspaß Rummelpottlaufen zu Silvester nicht wiederbelebt?“.

    Tatsächlich war Rummelpottlaufen schon in meiner Kindheit vor 50 Jahren aus der Mode und ich weiß auch warum: Weil Eltern und Kindern zu Silvester was Besseres vor haben, als von Haus zu Haus zu laufen. Am Reformationstag passt das viel besser.

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