Nemo, Bambie und Dominique – der Fisch spielte keine Rolle

Nemo, Bambie und Dominique

Beim Eurovision Song Contest am vergangenen Wochenende waren gleich zwei Menschen mit Vornamen aus Disneyfilmen dabei. Beide Künstler*innen ordnen sich als nichtbinär ein: Nemo aus der Schweiz und Bambie (o.k., das Hirschkälbchen wird Bambi geschrieben) aus Irland. Zumindest bei Nemo, vom lateinischen „niemand“, ist ziemlich sicher, dass es sich nicht um einen nachträglich gewählten Namen handelt. Als 19-Jähriger erklärte der damals noch als männlich wahrgenommene Sänger in einem Interview: „Meine Eltern dachten, wenn ich niemand bin, kann ich alles werden.“


Der Fisch spielte keine Rolle

Disneys Clownsfisch spielte bei dieser Namensentscheidung keine Rolle: Die „musizierende Person“ (Wikipedia), die den Sangeswettbewerb schließlich für sich entscheiden konnte, ist Jahrgang 1999, „Finding Nemo“ erschien vier Jahre später. Ja, und dann Bambie Thug, bürgerlich Bambie Ray Robinson. Hier musste ich – unabhängig von dem bizarren Auftritt – an eine Freundin meiner Tochter denken, die mir vor einiger Zeit entgeistert offenbarte, dass „Bambi ja ein Junge“ sei. Sie hatte das großäugige Tierchen ganz selbstverständlich für weiblich gehalten. Tja, von einem über 80 Jahre alten Trickfilmklassiker erreichen die Kids von heute wohl nur Kuscheltiere und sonstiger Merch-Kruscht.

Fernab vom ESC hatte ich kürzlich mit einer jungen Frau namens Dominique zu tun, die netterweise dazu bereit war, sich zu ihren Erfahrungen mit ihrem Namen ausfragen zu lassen. Denn was ich spannend finde: Dominique ist, obwohl hierzulande überwiegend von Frauen getragen, unisex. Man kennt beispielsweise den Schauspieler Dominique Horwitz. Auch in meiner Schulzeit im Schleswig-Holstein der späten 80er gab es eineN Dominique. Obendrein kann sich der Name, je nachdem, wie deutlich gesprochen und betont, ganz ähnlich anhören wie der eindeutig männliche Dominik bzw. Domenik.

Meine Mutter mochte französische Namen

Den Namen Dominik findet meine 1992 in Bayern geborene Interviewpartnerin „gar nicht schön“. Mit ihrem eigenen Namen hat sie inzwischen ihren Frieden gemacht, ein Fan war sie nie. Zu lang, zu sperrig, zu sehr „die extravagante Puppe“. Aber: „Meine Mutter mochte eben französische Namen.“ Wenn sie selbst hätte wählen können, hätte Dominique gern einen kurzen Namen gehabt, „nur drei oder vier Buchstaben, das ist doch cool“. Auch Ronja („frech, wild und einfach“) hätte ihr gefallen. Gerne nutzt sie ihren Spitznamen Domi, mit kurzem o gesprochen. „Aber wenn ich mich den Leuten so vorstelle, haben die auch erst mal Fragezeichen im Gesicht.“

Huch, doch eine Frau!

Von der Verunsicherung, die ihr voller Name bezüglich des Geschlechts auslöst, kann Dominique tatsächlich ein Lied singen. „Es sorgt immer wieder für Irritationen, dass da plötzlich eine Frau auftaucht, wo ein Mann erwartet wurde.“ In Briefen und Mails wird sie häufig als „Herr“ angeschrieben. Vorbeugend etwas dagegen tun, mit „she/her“ als Geschlechtspronomen in der E-Mail-Signatur, möchte sie aber auch nicht. „Ich finde es nicht wirklich wichtig, welches Geschlecht jemand hat.“ Es täte ihr zwar etwas leid, wenn Leute ihren Irrtum („Huch, doch eine Frau!“) bemerkten. „Die meisten reagieren dann peinlich berührt.“ Aber ein bisschen lustig findet sie es auch. „Man hat dann was gut bei denen.“

Und wenn sie selbst ein Kind zu benennen hätte? „Das müsste schon ein Hosentaschenname sein“, sagt Dominique. „Einer mit wenig Erklärungsbedarf, mit dem man gut reisen kann. Mit leichtem Gepäck ins Leben!“ Sehr gut gefällt ihr auch die Vorstellung, sich als Heranwachsender „seinen Namen“ zu verdienen. Also mit dem, was man aus sich macht, den in Kindertagen genutzten Namen zu überschreiben, „wie bei den indigenen Völkern“.

17 Gedanken zu „Nemo, Bambie und Dominique – der Fisch spielte keine Rolle“

  1. Sein Kind „Nemo“ zu nennen finde ich so lala. Niemand ist einfach keine schöne Bedeutung (Enna hat auch keine, aber ich mag den Klang).
    Aber ich denke auch an den Clownfisch und den Capitän. Und an die Odysseus-Szenen mit dem Zyklopen „Niemand hat mir das angetan“

    Das die singende Person Nemo einen rosa Rock trug (den fand ich hübsch) biss sich mit der Farbe, die ich für den Namen assoziiere: rot. Ich habe das nicht mit allen Namen, mir ist es eigentlich erst aufgefallen, als ich den Rock sah, dass ich manche Namen mit Farben verbinde.

    Dominik und Co ist orange, vielleicht mag ich ihn deshalb nicht und Bambie grün (aber das liegt an dem Film).

    Ich finde übrigens die Aussage „man kann alles werden“ sehr kritisch. Denn man kann auf alles hoffen, aber niemals alles werden, das kann unterschiedliche Gründe haben (körperliche, schlechte Augen sprechen gegen eine Karriere als Pilot), finanzielle (Weltreise) etc. neben Vertrauen und Hoffnung, sollte man auch mitteilen, dass Anstrengung und Ehrgeiz und Freude und auch die Erkenntnis hinzukommen, dass es manchmal dennoch nicht klappt, weil das Leben nun mal so läuft . Ich schweife so ab, weil ich zunehmend beobachte, dass einige SuS das einfach nicht begreifen wollen, die wirklich glauben, dass sie alles schaffen, teilweise, ohne was dafür zu tun.

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    • Wenn der Name eine bestimmte Bedeutung hat, den die Eltern ihrem Kind geben, dann kann das zu dem Zeitpunkt ja immer erstmal nur ein Wunsch sein, den sie für ihr Kind hegen. Wobei ich es vielmehr einen Segenswunsch nennen möchte. Das finde ich als Hintergrund im Falle von Nemo übrigens sehr schön.

      Bei der Bedeutung „niemand“ musste ich sofort daran denken:
      Nobody is prefect – and my name is Nobody!
      Diesem alten Spruch stehen die Nemos, sicher anders gegenüber, als der Rest der Welt. Finde ich ganz süss.
      Vivi, wie würde der Spruch denn korrekt auf Latein heissen? Mein kleines Latinum hilft mir leider nicht – ich war richtig schlecht und mein Lehrer und ich… es war ein offenes Geheimnis, dass wir uns gegenseitig nicht besonders mochten. Aber ich kann zumindest einschätzen, dass es extrem einfach zu übersetzen sein müsste.

      Witzig, dass du das mit den Farben sagst. Alles ich das gelesen hatte, dachte ich sofort „Rot? Das ist doch gelb (Ne) und blau (mo)!“.

    • @ Tameri

      Einen Wunsch der Eltern an ihre Kinder würde ich nie verurteilen, eher die Einstellung der Kinder, die das nicht als Wunsch, sondern als gegeben hinnehmen.

      Ich musste kurz nachsehen, das Original ist ja auf Griechisch, es gibt eine Übersetzung von Hyginus, der hat berühmte Geschichten nacherzählt. Die Zeile lautet „Niemand hat mich geblendet“ und zu meiner Überraschung wird nicht nemo, sondern utis verwendet „Utis me excaecat.“ Aber bei navigium steht, dass Hyginus das als einziger verwendet, es ist kein klassisches Latein.

    • Tameri, zu den Farben: Bist du vielleicht eine Synästhetikerin? Ich sehe Buchstaben auch farbig. Habe mit 16 erfahren, dass es dafür einen Namen gibt und es keine Spinnerei meinerseits ist.

  2. Noch zu Bambie: Wie ich jetzt ergoogelt habe – und wie vermutet -, nahm die singende Person den Namen Bambie erst nach ihrem Coming-out an. Bewusst als Kontrast zu Thug (Schurke), „weil Bambie so süß ist“.

    Und noch zur Freundin meiner Tochter: Ebenso schockiert wie über „Bambi ist ein Junge“ war/ist sie über die wohl zeitgleich vorgedrungene Erkenntnis „Winnie Puh ist ein Mädchen!“. Letzteres geht auf ein 2016 erschienenes Buch zurück, in dem erzählt wird, Vorbild für die Namensgebung in dem Kinderbuch sei tatsächlich eine Bärin (!) namens Winnie gewesen. Ursprünglich hieß der Plüschbär aber wohl Edward. Aber reale Bärin hin oder her, Winnie kann man ja wohl ebenso von Winifred ableiten wie von Winfried … und den Disney-Leuten kann das eh nicht bekannt gewesen sein. Sonst hätte ihr(e) Winnie mit Sicherheit ein Schleifchen auf dem Kopf wie Minnie Maus – und so lange Wimpern wie Klein-Bambi!?! 😉

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    • Winnie the pooh ist ein er und auch Piglet ist ein er und auch Rooh.

      der Name Bambi/Bambie erinnert mich an eine Kurzgeschichte. Der Inhaber einer Tierhandlung wird nach Ladenschluss auf der Straße überfallen und um zu entkommen schenkt er dem Täter das Tier, das er immer mit sich herumträgt, die Vogelspinne Bambi.

    • Alle sind Jungs, nur Rues Mutter Kanga nicht, das hat mich als kleines Mädchen schon aufgeregt, immer gab es in solchen Sendungen mehr Jungs als Mädchen

    • Stimmt, alles männlich. Und die einzige Frau ist natürlich Mutter. Der einzige Charakter, den eine Frau spielen kann, gerade in Kindergeschichten. Das klassische Schlumpfine-Prinzip. Och man… Das hat mir auch Momo verdorben.
      Bei Winnie Puuh war mir das bisher nicht aufgefallen. Jedoch sind die Charaktere nicht stereotyp männlich geschrieben, sondern alle ziemlich neutral und liebenswert – bis auf Rabbit.

    • Wenn in der Geschichte nur Tiere spielen, dann würde ich Kassiopaia als weibliche Figur zählen. Aber bei Momo ist es nun mal eine Schildkröte in einer Menschenwelt, bei der das Geschlecht kaum von Bedeutung ist. Es gibt eine Frau, die primär die Ehefrau einer wichtigeren Figur ist. Eines der anderen Kinder heisst Maria, die mal kurz auftaucht. Und wenn man ganz hart sein möchte, hat man für dieses eine Mädchen zudem den Name der Schlumpfine des Christentums gewählt.

      https://de.m.wikipedia.org/wiki/Schlumpfine-Prinzip

  3. Zu dem Namen Dominique kenne ich einen traditionellen französischen Chanson (einen recht hübschen sogar): „Domino“, ein Lied, das für André Claveau zum Schlager wurde. Im Liedtext wird erklärt, dass Domino ein Rufname für Dominique ist.

    https://youtu.be/cAdMk1VH0Ms?si=uMY9m9XO5bAxgPco

    Mein Französisch ist äußerst begrenzt. Vor allem kann ich mir diese Liedzeile merken: J’ai besoin de toi. Die Zeile verstehe ich sogar….

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  4. Hier musste ich mich erstmal orientieren. Erst freute ich mich über den ESC-Beitrag und später war das Thema eher aus der Kategorie „mein seltener Name und ich“. Rückblickend ist das Thema Unisex.

    Wunderbar finde ich den Ausdruck „Hosentaschenname“ und die Wendung „mit leichtem Gepäck reisen“. Das ist eine sehr poetische Umschreibung für „kurz und knapp, bitte“. Ich finde allerdings gerade lange und viele Namen richtig toll, wohingegen mich kurze oder häufige Namen schnell und unangenehm langweilen. Jedoch wie hier formuliert, finde ich diesen Hintergedanken einmal verständlich umschrieben und richtig liebenswert.

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    • Das Medley unter den Blogbeiträgen 😉 Das Interview mit Dominique hatte ich schon geführt, als die Gedanken zum ESC dazukamen, und dann hat es sich verselbständigt.

    • Ich mag auch ausdrucksvolle längere Namen mit guter Bedeutung. Sie sind für mich eine ‚Dreingabe“, Segenswunsch für das Kind. Niemals würde ich Nemo vergeben. Meine Kinder heißen Anna Sarah und Valentin Johannes, die Enkelkinder (da hatte ich keinen Einfluss) Philemon Johann, Elisabeth Philomena, Theadora Dahlia, Martha Gloria.

  5. Ich kenne ein Paar aus Dominik und Dominique. Beide sprechen sich gleich. Für sie beide ist es sicher nicht so verwirrend wie für Aussenstehende. Ich versuche Dominique immer französisch auf der letzten Silbe zu betonen, um zu kennzeichnen, wen von beiden ich meine.

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    • Das ist ja wirklich eine spektakuläre Kombination! War sicher lustig, als die beiden sich kennengelernt und sich das erste Mal gegenseitig ihre Namen gesagt haben.

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