In einer Babygalerie ist der Name „Sturmhorst Siegbald Torsten“ aufgetaucht. Die Aufregung war groß, ein Sturm der Entrüstung ging durch soziale und traditionelle Medien.
Die Aufregung bezog sich nur am Rande darauf, dass der Name so ungewöhnlich ist (da haben wir in den Babynamen der Woche schon seltsamere Namen gelesen) oder ob der überhaupt eintragungsfähig ist (kein Problem, Sturm, Horst, Siegbald und Torsten sind anerkannte Vornamen). Vielmehr wurde den Eltern rechtes Gedankengut unterstellt, das sei ein Nazi-Name.
Mittlerweile hat sich Sturmhorst als Tippfehler herausgestellt, das Kind heißt Sturmhart. Und die Eltern haben sich von rechtem Gedankengut distanziert. Trotzdem frage ich mich, woher der Nazi-Verdacht bei diesem Namen kommt. Wer klärt mich auf?
Die Namensvergabe „Horst“ in den Tagen des Nazifaschismus wurde gelegentlich als Referenz an Horst Wessel gedeutet – so hat es zum Beispiel auch Michael Wolfssohn in seinem Buch „Die Deutschen und ihre Vornahmen“ gemacht, es ist vor so ca. 15 Jahren erschienen. (Ich habe damals nur das Vorwort gelesen.) Ich finde das wenig überzeugend und würde Horst ganz einfach als Modenamen jener Tage werten – vielleicht ein bißchen martialisch wegen des Anklangs an den Adlerhorst und des Konsonantenreichtums, aber nicht als eindeutige Sympathiebekundung für die Nazifaschisten wie etwa die Vornamens-Vergabe Adolf.
Sturmhorst klingt für mich aber auch eindeutig nach, nun ja, bildungsfernen Neonazis. Sturmhart übrigens fast genauso sehr. Wer sich einen Namen mit „Sturm“ zurechtbastelt, muß eben mit diesen Assoziationen rechnen: Volkssturm, Sturmbannführer, Sturmmann, Sturmgewehr*), Sturmabteilung etc. pp.
*) Nebenbei: In der DDR durfte das AK-47 (halt die berühmte Kalaschnikow, also eine Ordonanzwaffe der NVA) nicht „Sturmgewehr“ heißen, weil das Wort sehr richtig als suggestiver Propaganda-Begriff der Faschisten aufgefaßt wurde. Man hat sich mit dem (technisch falschen) Begriff „Maschinenpistole“ beholfen.
Gut auf den Punkt gebracht!
Hinzu kommt ja auch die unglückliche Wahl des zweiten Vornamens in der Kombination – der kleine stürmt nicht nur, er siegt auch noch obligatorisch. Auch ich sehe da durchaus Verbindung zu rechtem Gedankengut. Zumal der Geburtsort sich in jüngerer Vergangenheit ja wieder vermehrt als Heimat ebensolcher Gesinnter darstellen musste (was schade ist, ich mag diese wunderschöne Stadt sehr!!!). Also im Prinzip alles nur Vorurteile, aber in solcher Häufung, dass es sich fast nicht mehr um Zufall handeln kann. Und mal ehrlich: Als Linker/Antifaschist- ja nicht mal als Demokrat – käme man doch ehrlich auf die Idee, einem Kind diesen Namen zu verpassen.
Aber vielleicht liegen wir auch alle falsch und die Eltern geben nur die Namen der Urgroßväter weiter und rufen den Jungen schlicht Torsten. Es gab doch mal eine Zeit, da war der Rufname derjenige, der dem Familiennamen am nächsten stand, richtig? Das erkennt man ja heute dank fehlender Unterstreichung nicht mehr…
Geboren am 20. August 1940 in Amsterdam: Horst Wessel Robert L. Die Vornamen Horst Wessel wurden nach dem Krieg gestrichen.
Was mich erstaunt, ist wie populär der Vorname Wessel heute in den Niederlanden ist. Gibt es dafür landesspezifische Gründe, die hoffentlich nichts mit dem Horst zu tun haben?
@ elbowin:
Der friesische Name Wessel ist in den Niederlanden seit jeher nicht unüblich. Er war vor allem in den 90ern und 2000ern sehr beliebt, möglicherweise unter dem Einfluss von Wessel van Diepen, damals VJ beim Musikfernsehsender TMF und Producer von Acts wie Nakatomi, Alice Deejay und den Vengaboys. An Horst Wessel denkt hier keiner.
Typische Geschwisternamen von Wessel laut dem Voornaamwijzer (http://www.naamkunde.net/?page_id=295&vw_search_key=wessel):
Hidde, Jelmer, Axel, Jochem, Menno, Jurre, Tiemen, Thijmen, Jesper, Melle
Marrit, Hanne, Isa, Veerle, Merel, Hester, Esmee, Lynn, Sam, Jeanine
dazu kann man sich natürlich noch die Abkürzung
S.S. Torsten (Sturmhart Siegbald Torsten)
Denken
Mag alles Zufall sein, man weiß es nicht.
@ Marie & Michael
Er stürmt hart und siegt bald – und wenn er doch mal in den NS-Untergrund gehen muß, nennt er sich vorsichtshalber lieber Torsten (und betet zu Thor um das nächste Scheinchen-Bündel vom VS). Der Lebensplan ist also in den Vornamen vorgezeichnet. 😉
Also, ich kann mir wirklich auch kaum vorstellen, daß das Zufall und damit gleichzeitig schlichte Arschblödheit ist – und wenn, dann wäre eine noch größere Schande für das schöne Sachsen, wo sich die Leute doch ansonsten gerne für besonders pfiffig halten. (Als ich den ersten Kommentar eingekloppt hatte, wußte ich nicht, daß die Story aus Dresden kommt, danke für den Hinweis.)
Na, wenn es das mit den Unterstreichungen im Perso noch gäbe, würden in diesem Blog mindestens drei Viertel des Diskussionsbedarfs in der Reihe „Babynamen der Woche“ entfallen.
(Warum wird eigentlich nicht mehr unterstrichen? Weil man die Eltern, die einen Doppelnamen als Rufnamen vergeben wollen, nicht mehr zu einem Bindestrich nötigen wollte?)
@ Maarten
Ich hoffe, das L. steht nicht für Ley oder für Lee. 😉 „Horst Wessel“ als Vorname klingt so verrückt, daß man mit den Eltern fast schon wieder sympathisieren kann…
Das habe ich vor längerer Zeit schon versucht herauszufinden – leider erfolglos. In der DDR wurde der Rufname bis zum Schluss in Ausweisen und Urkunden unterstrichen. In der Bundesrepublik Deutschland wurde der Rufname schon 1960 amtlich abgeschafft. Aber warum nur?
Bei Wikiepedia steht „Die Reihenfolge der Vornamen stellt keine Rangfolge dar. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (u. a. BGH, Beschluss vom 15. April 1959 – IV ZB 286/58) steht es in Deutschland dem Namensträger frei, zwischen seinen standesamtlich eingetragenen Namen zu wählen. Ein Rufname ist also nicht unveränderlich festgelegt.“
Ich nehme mal an, das ist der Grund, warum die Unterstreichung abgeschafft wurde.
bei meinen 5 kindern steht der rufname umgeben von 2 weiteren vornamen.
als ich vor 23 jahren die namen meines ersten kindes eintragen liess, wurde mir beschieden, dass die vornamen bis zur erstausstellung des personalausweises GLEICHWERTIG seien.
das kind darf und muss sich dann erst fuer einen rufnamen entscheiden, spaetere aenderungen sind dann kostenpflichtig.
das kind waere unter umstaenden also jahrelang als susanne bekannt, entschied sich mit 14 fuer leonore und wird fortan so angesprochen.
die behoerden nehmen bei anschreiben grundsaetzlich den ersten eingetragenen vornamen als rufnamen.
in unserer meldestelle(hannover) wird uebrigens der rufname gekennzeichnet im computerregister, die anschreiben funktionieren trotzdem nicht. 😀
liebe gruesse,
weib
Moment mal, das ist jetzt wirklich interessant…
Einerseits waren also auch früher (also vor Einführung der „nicht-unterstreichenden Karten-Persos“) bis zur Erteilung eines Ausweises mit 14 Lebensjahren mehrere Vornamen gleichberechtigt – im Zweifelsfall aber zählte der erste?
Andererseits gibt es noch heute irgendwelche Behörden, die den Rufnamen speichern, obwohl er im Perso seit ca. fünfundzwanzig Jahren nicht mehr unterstrichen wird?
Wenn ich Post von der Obrigkeit bekomme (wohne auch in Hannover), ist sie immer an meinen Rufnamen adressiert, obwohl das nicht mein erster Vorname ist. Keine Ahnung, ob das wegen irgendwelcher zentraler Melde-Datenbanken o.ä. so ist oder einfach, weil ich selbst eben immer nur meinen Rufnamen angebe, wenn es gilt, ein Formular auszufüllen…
die abfrage und kennzeichnung der rufnamen erfolgte vor 5 jahren bei der ummeldung wegen umzug. die letzten 3 geburten wurden am identischen meldeamt angezeigt und eingetragen.
kuerzlich erst, zum wiederholten male post von der schulbehoerde an mich(alleinerziehend mit alleinigem sorgerecht) UND den vater des kindes, unser kind name 1(nicht rufname) muesse eingeschult werden. beide unterschriften noetig…..
nachfrage beim chef der meldestelle ergab, dass der auf der geburtsurkunde eingetragene vater IMMER mit erscheint. aenderung oder abfrage der sorgerechtsfakten sind nicht vorgesehen.
gekennzeichneter rufname des kindes spielt an dieser stelle offenbar auch keine rolle.
ich muss es nicht verstehen. 🙂
meine grossen kinder finden es sehr stoerend, wenn sie post mit ihrem ersten eingetragenen vornamen erhalten. da sie bereits einen ausweis mit rufnamenentscheidung besitzen, fuehlen sie sich mit dem ersten vornamen nicht gemeint. 🙂
Tja, meine Mutter heißt Inge Antje G., In der DDR war der Rufname schön unterstrichen (Antje, Inge nach der Mutter, Wohl wurde es damals vom Standesamt aber auch falsch herum eingetragen, sollte wohl auch Antje Inge heißen…wie auch immer…)
Inzwischen bekommt sie auch Post an Inge G.
Andere Story: Anfang des Jahres war ich mit meinem jüngsten Sohn mehrere Tage im Krankenhaus (Gut 10 Monate alt damals). Es muststen mehrer Untersuchungen gemacht werden. Der Lütte heißt Erko Richard Carl, Erko als Rufname. Wir kommen in den Behandlungsraum und der Arzt spricht mich an, ich möge den kleinen Richard doch mal auf die Liege setzen…lag es jetzt an dem nicht so ganz gewöhnlichen Vornamen oder an was anderem?
Huiuiui… die Kombi haut einen aber „sturmhart“ von den Socken. Bei „Sturmhorst“ käme dann noch der „du Horst“-Effekt dazu, insofern dann doch lieber Sturmhart. Ich würde bei keinem der drei Vornamen die Eltern direkt in die rechte Ecke sortieren, aber alle drei auf einmal sind dann doch ein wenig zu viel des guten. Sturm, Sieg und dann noch ein nordischer Gott – noch dazu in einem Namen, der sich frei mit „Thors Waffe“ übersetzen lässt – aua. Die Assoziation kommt einfach sofort auf.
Warum der Rufname nicht mehr unterstrichen wird, weiß ich zwar nicht (ich bin auch zu jung, um mich an „diese Zeiten“ noch zu erinnern), ich sehe aber nicht wirklich ein Problem damit. Ich kann den Leuten ja einfach sagen, wie ich angesprochen werden möchte – und wie die Behörden mich nennen, ist mir dann auch ziemlich egal. Hauptsache, sie benutzen einen meiner Vornamen, welchen auch immer.
Ist das ein Kandidat für den Vornamen des Jahres 2015? Genug Wirbel hat er ja gemacht 😉
Oder wird es Angela Merkel (Nachname: Ade)
… ich bin gespannt!
Sturmhorst war ja ein Tippfehler und kein Vorname, darum scheidet der aus. Aber Sturmhart oder Angela Merkel könnten durchaus als Vorname des Jahres in Frage kommen 🙂
Ein weiterer ganz harter Vorname, der mir aufgefallen ist:
Eisenhart (von Loeper), Jahrgang 1941, heißt der Sprecher der Stugart-21-Gegner.
Jetzt warte ich darauf, die Namen Steinhart, Beinhart und Knallhart in der freien Wildbahn zu finden.
Hähä, man kann sich da sehr gut vorstellen, was das für ein Typ ist: Biographischer Hintergrund (sozial, wirtschaftlich und politisch), eigene politische Präferenzen, materielle Verhältnisse, Aussehen, Auftreten. Ich widerstehe der nicht unerheblichen Versuchung, das näher auszuführen.