Wie viel Lindgren ist okay?

Bekannte von uns haben eine kleine Tochter namens Lotta. Sie ist ihr erstes Kind. Den Namen kann man ja finden, wie man möchte. Aber dass genau das in den Augen mancher Menschen nicht geht – dass eine Erstgeborene Lotta heißt –, hat mich doch einigermaßen verwundert. Das Thema kam kürzlich in einem Namensforum auf, und tatsächlich vertraten gleich mehrere Schreiberinnen die Auffassung, Lotta könne eigentlich nur „der kleine freche Nachzügler“ sein. Aha.


Ja gut, in Astrid Lindgrens „Krachmacherstraße“ heißt das jüngste Kind, ein ausgewiesener Frechdachs, nun mal Lotta. Trotzdem hat der Name Lotta, immerhin eine Kurzform so erhabener Namen wie Charlotte oder Lieselotte, in meinen Ohren nichts, was ihn auf diese eine Interpretation festlegt. Er bedeutet nicht „Die Kleine“ oder Ähnliches (wie es zum Beispiel Paula tut) und kommt schon längst nicht mehr so selten vor, dass man sofort und ausschließlich an Astrid Lindgren denken müsste. Okay, er ist eine Kurzform und somit eine Verniedlichung, doch das sind Lisa oder Leni, Max oder Fritz auch, die trotzdem nicht nur für Nesthäkchen in Betracht gezogen werden. Übrigens bevölkern mitterweile auch ganz andere Lottas die Kinderbuchwelt, etwa in der „Mein Lotta-Leben“-Reihe.

Natürlich hat man zu jedem Namen seine Assoziationen, auch durch Bücher und Filme. Es ist auch völlig in Ordnung, dass die Menschen, die ihre Tochter Lotta nennen, damit etwas anderes verbinden – frisch, skandinavisch, frech … – als jene, die ihr Kind Margarethe-Elisabeth taufen. Dennoch meine ich, dass man es bei aller Liebe mit der Astrid-Lindgren-Treue nicht übertreiben sollte. Muss ein Michel unbedingt flachsblond sein, oder darf auch ein dunkler Junge oder ein Rotschopf so heißen? Und kommt als Name für Michels Schwesterchen wirklich nur und ausgerechnet Ida (neulich so gelesen in einer Familienanzeige) in Frage?

Oder Karlsson: Das ist eine Lindgren-Figur, mit der ich nie warm geworden bin. Trotzdem finde ich Karlsson als Namen – hier just diskutiert bei den „Babynamen der Woche“ – eigentlich gar nicht so übel. Vielleicht gerade, weil ich immer gleich ausgeschaltet habe, wenn „Karlsson vom Dach“ im Fernsehen lief? Jedenfalls denke ich bei Karlsson sogar eher an einen Assistenten aus dem Bremer „Tatort“. Dabei schreibt sich der Gute, wie ich soeben gelernt habe, in Wirklichkeit Karlsen.

14 Gedanken zu „Wie viel Lindgren ist okay?“

  1. Finde auch, dass Assoziationen nicht zu sehr einengen sollten. Ist bei Babynamen der Woche ja oft ein Diskussionspunkt, wie wichtig diese oder jene Assoziation ist. Manche Assoziationen sind natürlich schon sehr stark, z. B. Shakira verweist automatisch auf die Sängerin. Aber allgemein finde ich, dass jedes Individuum seinem/ihrem Namen eine eigene Präsenz verleiht, die über die Erstassoziation des Namens hinwegträgt, wenn diese Erstassoziation nicht total stark und absolut ist (wie vielleicht bei Shakira). Z. B. finde ich nicht, dass eine Angela automatisch eine kleine Merkel ist; denn den Namen gibt es ja schon lange, und er ist relative verbreitet. Lotta ist auch eben eine modernere Form des total verbreiteten Traditionsnamens Lotte und ist in Skandinavien Traditionsname. Der läßt sich nicht so total auf Lindgren festlegen und verengen, finde ich….

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  2. Es wurde hier bestimmt schon erwähnt, dass Michel aus Lönneberga im Original Emil heißt. Den ch-Laut in Michel gibt es im schwedischen gar nicht, Michael wird Mikhail oder Mikael ausgesprochen und die Kurzform davon wäre Micke.

    Man kann natürlich seine Kinder Michel und Ida nennen, weil man die Namen gut findet – und dasselbe gilt für Lotta.
    Finde ich besser als die lange Form Charlotte, da muss ich immer an Zwiebeln denken.

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    • Stimmt, das mit Emil hätte ich wohl erwähnen müssen. Trotzdem ist aber Michel der Name, der im deutschen Sprachraum fest mit den Geschichten verknüpft ist – die Originalversionen hat man ja nicht gelesen/geguckt. Und so landet Emil hier weit eher in der Alte-Namen- als in der Lindgren-Schublade und ist DER Gegenspieler zu Kevin 😉

  3. Bei Emil hängt der Name auch an einem Kinderbuch, diesmal ist es Kästner: Emil und die Detektive 🙂

    Und natürlich sind die deutschen Übersetzungen massgeblich, wo sollten sonst die kleinen Maditas herkommen?

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  4. Zu Lotta fällt mir noch ein Gute-Nacht-Kanon von Mozart ein, Textfragment aus dem Gedächtnis: Bona nox, bist a rechter Ochs, bona notta, schlaf ein Lotta.

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  5. Namen wegen irgendwelcher Assoziationen auf bestimmte Merkmale festzulegen ist doch totaler Quatsch.

    Annemarie hat mal einen Beitrag geschrieben, bei dem es um die Benennung von rothaarigen Kindern ging (falls ich mich richtig erinnere); nach den Kommentaren zu urteilen, wären, was die Assoziationen angeht, demnach alle rotharrigen Kinder namenlos 😉 *lach*
    Wobei man im Vorfeld ja nie wissen kann -es sei den beide Eltern sind Rotschöpfe 😉 – ob das Kind rothaarig wird.

    Zu Karlsson: Finde den Namen auch nicht schlecht, gefällt mir besser als der klassische doch etwas harte Karl, der mich zudem an meinen Opa erinnert… So viel zu den Assoziationen ;-P!

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  6. in ein paar Jahren haben wahrscheinlich die nächsten Generationen sowieso unsere geliebten Kinderbuchnamen vergessen. Dann stellt sich die Lottchen-Frage gar nicht (jaaaa, ich hab bei Lotta an das doppelte Lottchen denken müssen)

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  7. meine Tochter heisst mit Zweitnamen Lisanne und die Anne in Lisanne ist tatsächlich auf Anne auf Green Gables bezogen…
    (allerdings nicht englisch ausgesprochen ,`-) )

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  8. In meinem Umfeld sind letztes Jahr Drillinge geboren:
    Ida, Lotta und Emil.
    Da musste ich auch gleich an Astrid Lindgren denken.

    Außerdem sind mir schon Madita (real) und Tjorven (Hörensagen) begegnet. Die gefallen mir als eingetragene Vornamen nicht, sind ja bei Lindgren auch Spitznamen, bzw. Madita wird auch nur in der deutschen Ausgabe so genannt.

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