Warum auf Bali (fast) alle Wayan, Made, Nyoman oder Ketut heißen

Namen auf Bali

Auf der indonesischen Insel Bali ist die Namensgebung eine ziemlich übersichtliche Angelegenheit – zumindest auf den ersten Blick. Denn tatsächlich kommen dort traditionell nur vier Vornamen zum Einsatz: Wayan, Made, Nyoman und Ketut. Diese Namen gelten für Mädchen genauso wie für Jungen.


Was auf Außenstehende exotisch oder gar verwirrend wirken mag, folgt auf Bali einer ganz einfachen Logik: Die Vornamen richten sich nach der Geburtsreihenfolge.

Die vier klassischen balinesischen Vornamen

Wayan: So heißt das erstgeborene Kind, unabhängig vom Geschlecht. Alternativ sind auch Putu oder Gede möglich. Für ein erstgeborenes Mädchen ist zusätzlich Ni Luh gebräuchlich. Der Name Wayan bedeutet übrigens so viel wie „der Erste“ oder „der Älteste“.

Made (ausgesprochen: „Mah-Day“): Diesen Namen erhalten zweitgeborene Kinder. Auch Nengah oder Kadek sind gängige Varianten. Made und Nengah bedeuten in etwa „mittleres Kind“, Kadek heißt so viel wie „kleiner Bruder“ oder „kleine Schwester“.

Nyoman: Der drittgeborene Nachwuchs hört meist auf diesen Namen – oder auf die Variante Komang. Im Alltag werden diese Namen oft zu „Man“ bzw. „Mang“ verkürzt.

Ketut: So heißt das vierte Kind einer Familie. Auch hier ist eine Kurzform üblich: „Tut“.

Und was ist mit dem fünften Kind?

Spannend wird es bei Familien mit mehr als vier Kindern. Statt sich neue Vornamen auszudenken, beginnt der Kreislauf einfach von vorn. Das fünfte Kind heißt dann wieder Wayan – manchmal zur besseren Unterscheidung auch Wayan Balik, was in etwa „Wieder-Wayan“ bedeutet.

Junge oder Mädchen?

Im Balinesischen gibt es normalerweise keine Familiennamen, aber dafür geschlechtsspezifische Vorsilben, die dem Vornamen vorangestellt werden:

  • „I“ steht für männlich
  • „Ni“ steht für weiblich

Diese Vorsilben sind fester Bestandteil des vollständigen Namens und machen sofort erkennbar, ob es sich um einen Jungen oder ein Mädchen handelt.

Beispiel: Ein erstgeborener Junge heißt meistens I Wayan, eine erstgeborene Tochter h Ni Wayan.

So kann man auf Bali also allein am Namen ablesen, welches Geschlecht und wie viel ältere Geschwister eine Person hat.

Unterschiede je nach Region und Kaste

Natürlich sind auch auf Bali nicht alle gleich und so gibt es auch dort regionale Unterschiede. In manchen Gegenden sind bestimmte Namensvarianten beliebter, außerdem spielen auch kastenspezifische Traditionen eine Rolle. Trotzdem bleibt das Prinzip der Geburtsreihenfolge zentral – Balinesinnen und Balinesen sprechen sich im Alltag oft einfach mit Made oder Ketut an, ohne dass es zu Verwechslungen kommt.

10 Gedanken zu „Warum auf Bali (fast) alle Wayan, Made, Nyoman oder Ketut heißen“

  1. Danke für diesen spannenden Einblick in die Namenskultur Balis! Ich finde es immer wieder faszinierend, wie unterschiedlich Namenstraditionen sind. In Ghana werden Kinder ja nach dem Wochentag benannt, an dem sie geboren worden sind. Und in Island sind nur Namen erlaubt, die im Isländischen deklinierbar sind.
    In manchen Sprachen werden gerne Adjektive oder Substantive wie sie sind als Namen verwendet, im Deutschen ja fast immer nur über den Umweg einer anderen Sprache. In Spanien/Südamerika heißt fast jede Frau im ersten Vornamen María, wird dann aber mit dem zweiten Vornamen angesprochen. Es gibt sicher noch mehr – kennt jemand noch andere spannende Namenstraditionen?

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  2. Das ist ja furchtbar, noch schlimmer als bei den Römern mit ihren nicht mal zwanzig Männer-Vornamen. Gibt es ihr irgendwelche Zusatznamen? Oder individuelle Spitznamen?

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    • Normalerweise wird man dort meines Wissens nach nur offiziell so genannt, hat aber einen Spitznamen, der wie der eigentliche Name verwendet wird. Als hieße ich auf dem Papier zwar Ersti, würde aber überall nur Lena genannt.

  3. Es MUSS irgendwelche Spitz-, Kose- oder Rufnamen geben.
    Ich meine, wenn I Wayan und seine Frau Ni Wayan (beide ohne Nachnamen) einen gemeinsamen Sohn haben, der logischerweise I Wayan heißt, der mit einer anderen Ni Wayan wieder ein Kind hat, das Wayan heißt, wird’s irgendwann einfach zu kompliziert.
    Ganz abgesehen von den armen Lehrern, die in jeder Schulklasse 15 Wayans, 12 Mades und 5 Nyomans haben…

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    • So ist es auch. Eine Bekannte meiner Familie heißt z. B. Malu- ihren offiziellen Namen weiß ich gar nicht.

    • Wenn der allgemeine Trend hin zum Einzelkind geht, dann wird es tatsächlich ausserordentlich einseitig.

      Wir haben hier vermutlich keinen journalistischen Anspruch, aber bei derartigen Beiträgen, würde ich mich über eine (seriöse) Quelle freuen ‹3

    • Das erste Mal davon gehört habe ich von einem Balinesen namens „I Made“. Der hat mir das so erklärt. Eine zweifelsfrei verlässliche Quelle kenne ich nicht.

    • Ist schon richtig. Nach dem Viertgeborenen ist dort „Schluss“, denn das fünfte Kind kann dann bspw. Wayan Balik (noch ein Wayan) heißen. Es sind eben auch noch andere Zugänge zu Namen möglich, die sich an bspw. der Kastenzugehörigkeit orientieren und die allermeisten Familien geben den Kindern auch einen zweiten und dritten (Hindu-)Namen, sodass man die Leute nicht so sehr verwechseln kann.

      Erinnert mich an frühere Dörfer hierzulande. Da hieß auch jeder zweite geworfene Einwohner Christine oder Peter, je nachdem, was im Dorf gerade en vogue war, und man differenzierte sie dann per Zweit- oder Drittnamen. Alles nicht so ungewöhnlich. Auch in Teilen Afrika gibt es ähnliche Dinge, wenn die Kinder nach dem Tag in der Woche, an dem sie geworfen wurde, benannt sind.

      Weil nach (seriösen) Quellen gefragt wird. Vielleicht sind die seriös genug (gibt noch paar andere, wo Bali in Bezug zu anderen Namen genannt und beschrieben wird, etwa Name Games von Goodkin, D. (1998), aber die genannten reichen sicher):
      – Adisa, V. (2024): Encyclopedia of Bali Island. Penerbit Andi.
      – Setyaningsih, N., Mulatsih, S. & Kurniawati, N. (2021): Structural 2020. Proceedings of the 2nd International Seminar on Translation Studies, Applied Linguistics, Literature and Cultural Studies, STRUKTURAL 2020, 30 December 2020, Semarang, Indonesia. EAI.
      – White, L. (2019): Into the Heath of Bali. iUniverse.

  4. Aus Thailand kenne ich es auch so, dass es einen formellen, traditionellen, eingetragenen Vornamen sowie einen davon völlig unabhängigen, random Rufnamen gibt. Ersterer Name existiert hauptsächlich auf dem Papier, wird allerdings auf der Arbeit als „offizieller“ Rufname verwendet! Und den inoffiziellen Rufname nutzen Familie und Freunde.

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