Mit dem Zweiten klingt es besser

Wahlplakate von Kandidaten mit zwei Vornamen

Demnächst gibt‘s bei uns eine Kommunalwahl. Angesichts der an Laternenpfählen befestigten freundlichen Konterfeis mir überwiegend unbekannter Männer und Frauen kann ich natürlich gar nicht anders als auf die Vornamen zu achten. Zuallererst fiel mir da Wolfdietrich auf. Wusstet ihr, dass es zu dieser Verschmelzung aus Wolf und Dietrich sogar eine mittelalterliche Sage gibt? Was es dazu bei Wikipedia zu lesen gibt, klingt nach Stoff für ein Game-of-Thrones-ähnliches Streaming-Highlight, mit einem Bastard, neidischen Brüdern, einen intriganten Höfling, einem getöteten Drachen, einem Ring im Weinkelch undundund. Da sieht man den hiesigen Namensträger (der übrigens 57 Jahre alt ist) gleich mit ganz anderen Augen. Na ja, fast.


Namens-Meshing

Ein kleiner Exkurs muss hier noch sein: Noch vor dem 1. April, also verlässlich, konnte man in der Presse von dem Vorschlag eines Grünen-Politikers fürs deutsche Namensrecht lesen, dem sogenannten Nachnamens-Meshing. Aus Frau Knuth und Herrn Müller könnte demnach Familie Knüller werden; in Großbritannien ist dieses „gemischte Doppel“ längst möglich. Ich mag es ja, einen Begriff für etwas zu haben – aber so richtiges Meshing, übertragen auf Vornamen, liegt bei Wolfdietrich (oder auch Annemarie) wohl nicht vor. Da wäre man eher bei Wotrich oder Anrie.

Doch zurück zu den Wahlplakaten: Gleich zwei Exemplare sind mir bislang ins Auge gefallen, auf denen sich Kandidat*innen mit ihrem Erst- und Zweitvornamen präsentieren – obwohl kein Bindestrich die Namen zu einem verbindet, der zweite Name also locker weggelassen werden könnte. Es handelt sich um einen jünger wirkenden Mitdreißiger namens Philipp Tim R. und um seine 19-jährige Parteigenossin Janne Lena H. Mein Gedanke: Zeigt sich hier vielleicht ein Trend?

Kein peinliches Anhängsel

Nach meinem Eindruck werden Zweitnamen schon länger nicht einfach nur angehängt, um den Opa oder die Patin zu ehren, egal, ob die Gesamtkombination dann gut klingt bzw. die Eltern beide Namen überhaupt schön finden. So manches Paar zerbricht sich auch über die Wahl des geeigneten Zweitnamens ausgiebig den Kopf. Mit dem so sorgfältig erarbeiteten Ergebnis kann man sich später, wenn man mag oder es womöglich schon von Kindestagen an so gewöhnt ist, gern auch überall vorstellen, statt das „peinliche Anhängsel“ (so kenne ich es eher von Leuten aus meiner Generation) verschämt zu verschweigen. Michael Patrick Kelly fällt mir dazu ein – wenn ich richtig recherchiert habe, tritt der früher bloß als Paddy Kelly bekannte Sänger seit dem Jahr 2015 unter seinen beiden Vornamen auf.

Weitere Promis, bei denen auch ohne Bindestrich zwei Vornamen mitgesprochen werden, sind zum Beispiel:

  • Florian David Fitz (allerdings wurde der Schauspieler als Florian Ingo Ulrich Fitz geboren)
  • Richard David Precht, Schriftsteller
  • Klaus Maria Brandauer, Schauspieler (Maria Brandauer hieß allerdings seine Mutter, sein bürgerlicher Name ist Klaus Georg Steng)
  • Christoph Maria Herbst, Schauspieler
  • Alexandra Maria Lara, Schauspielerin (Lara war allerdings nie ihr Nachname, sondern lehnt sich an Lara aus „Dr. Schiwago“ an)
  • Laura Malina Seiler, Influencerin

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16 Gedanken zu „Mit dem Zweiten klingt es besser“

    • Und ebenfalls frohe Ostern!

      In Anzeigen lese ich das auch öfter. Da wird z.B nicht einfach Marie 5 Jahre alt, sondern Marie Elisabeth und die Geschwister Julius Maximilian und Sophia Charlotte gratulieren mit.

      Mein Highlight, wenn auch mit Bindestrich waren die Geschwister Marie-Sophie, Anna-Lena und Kim-Kristin (wobei letztere die ungewöhnlichste Kombi hatte. Aber die Standartdoppelnamen waren vergeben. Mia-Marie wäre zu ähnlich gewesen, ebenso Marie-Claire)

    • Vermutlich ist der Unisexerstname der Grund, dass Janne noch einen Namen hat, ja. Aber auf dem Plakat ist sie eindeutig weiblich, da wäre das nicht nötig.

  1. in meiner Wahrnehmung ist dieser Trend mit allen (zwei) Vornamen seit einiger Zeit gerade in Schauspielerkreisen beliebt, nicht nur in Film/Fernsehen, sondern auch an den Theatern.

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  2. Frohe Ostern alle zusammen!

    So neu finde ich das eigentlich gar nicht, dass Zweitnamen auch ohne Bindestrich „öffentlich“ mitverwendet werden. Auch schon unter 1970er/80er Jahrgängen kenne ich genauso viele Leute, bei denen ihre (meist generationstypischen) Zweitnamen stets mitverwendet wurden – vor allem, wenn die Erstnamen einsilbig, unisex oder Sammelnamen waren: Kim Stefanie, Kai Peter, Jan Niklas usw.
    Natürlich sind mir genauso viele Leute begegnet, bei denen, wenn man sich mal als Gag des Tages seine „peinlichen“ Führerschein-Fotos zeigte, herauskam, dass sie eigentlich Claudia Christel, Anne Ursula oder Christian Willy usw. heißen.

    Die Zweitnamen unserer Kinder sind auch Nachbenennungen, jedoch haben wir auch die moderneren Varianten vergeben, also z. B. Johann statt Jens oder Thea statt Dörthe.

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    • Bei Leuten in meinem Alter fallen mir wirklich nur mit Bindestrich gedoppelte Rufnamen ein: Kai-Markus, Jan-Christian, Ann-Kathrin, Eva-Maria, Marie-Luise, Tim-Oliver, Jens-Uwe …

      Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass ich mehr Leute mit Bindestrichvornamen kenne, die trotzdem nur mit dem ersten Teil ihres Vornamens angeredet werden, als Leute mit zwei Namen ohne Bindestrich, die trotzdem beide immer mitgesprochen werden 🙂

    • @Annemarie
      Das ist ja witzig, dass Leute mit nur einem Teil ihres Bindestrich-Namens ausgesprochen werden, kannte ich lange Zeit nur bei Nachnamen. Erst vor 4-5 Jahren habe ich eine Heilpraktikerin kennengelernt, die sich offiziell nur „Heidi-G.“ nennt (also gesprochen natürlich nur „Heidi“) 😉

    • Ich kenne das auch, dass Leute nur mit dem ersten Bindestrichnamen angesprochen werden. Bei den Frauen ist der Zweitname dann Marie/Maria.

      Ich bin mit einer Anna Maria zur Schule gegangen, die häufig mit beiden Namen gerufen wurde.

    • Also ich kenne eigentlich so gut wie keinen, der einen Bibdestrichnamen hat, aber im Alltag konsequent damit angesprochen wird. Oder doch – eine Mitschülerin wollte unbedingt Eva-Maria genannt werden, was aber auch auf Verwunderung stieß, da es als sehr unüblich empfunden wurde (im Alltag).

  3. Mir fiel bei den Doppelnamen ohne Bindestrich sofort die Schauspielerin Thekla Carola Wied ein, die in meiner Kindheit/meinem Teenageralter eine große Präsenz im deutschen Fernsehen hatte. Im Alltag wird sie bestimmt nur mit einem Namen gerufen, aber als Künstlerinnenname macht das „Thekla Carola“ natürlich viel mehr her als einfach „Thekla Wied.“

    Meine Französischlehrerin nannte mich immer Marc-Pierre (ich heiße Mark Peter), das fand ich immer sehr schön, und dachte mir, was für eine nette Tradition das in Frankreich ist, dass viele Leute mit zwei Namen gerufen werden: Jean-Luc, usw.

    Es ergibt für mich Sinn, dass in der heutigen Gesellschaft mehr Wert auf Zweitnamen gelegt wird. Wie Du sagst, Annemarie, die Namenskombis sind durchdachte Gesamtkunstwerke und oft den Eltern sehr wichtig, und sie geben den Namensträgern auch mehr Individualität, als eine schlichte Janne oder ein einfacher Philipp besäße.

    Apropos Individualisierung: Mir tat immer der US-Präsident George W. Bush leid, weil er sich von seinem Vater durch das W. absetzen musste. Sein Vater durfte einfach George Bush sein, sein Sohn musste immer dieses umständliche W. mit einfügen lassen.

    Als Akademiker veröffentlichte ich ein Buch, und ich empfand tatsächlich eine leichte Versuchung, auch meinen Zweitnamen auf dem Buchband miteinzubeziehen. Doch dann verwarf ich das als Eitelkeit, und so bin ich einfach als Mark vermerkt.

    Was Autoren angeht: viele deutsche Autoren werden immer mit zwei Namen genannt, andere aber nur mit einem, obwohl diese auch mehrere Namen hatten. Z.B. wird Friedrich Schiller nie mit weiteren Namen genannt (er hieß, glaube ich, Johann Christoph Friedrich, oder so), Goethe wird aber immer Johann Wolfgang genannt. Auch bei Christoph Martin Wieland, Wilhelm Heinrich Wackenroder und Gotthold Ephraim Lessing gehören die Zweitnamen immer dazu, bei Joseph von Eichendorff, Ludwig Tieck und Heinrich von Kleist aber nicht.

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    • Stimmt, Thekla Carola Wied – ich habe sehr gern „Ich heirate eine Familie“ geschaut 🙂 Und gerade gegoogelt: Carola ist tatsächlich nur für den Künstlernamen eingefügt, es ist der Name ihrer Schwester.

  4. Ich fand schon immer Christopher Robin aus Winnie Puh einen sehr schönen Namen, obwohl mir die einzelnen Namen so gar nicht zusagen. Als Kombi klingt das gleich ganz anders.

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  5. Es wirkt irgendwie abgerundeter finde ich. Wobei das auch eher gilt, wenn der Erstname modern und der Zweitname klassisch sind. Bei Janne Lena und Philipp Tim empfinde ich das gar nicht so, da außer Philipp alles Kurzformen sind. Bei den genannten Prominenten aber schon, es hebt sie auch irgendwie ab. Eine Laura Seiler oder einen Christoph Herbst gibt es wahrscheinlich in jeder größeren Stadt.

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