Gute Frage 16: Wie ergeht es Levi auf Reisen?

Gute Frage

Biblische Namen hebräischer Herkunft gibt es in Deutschland schon länger, in der Generation junger Eltern sind sie keine Seltenheit, siehe zum Beispiel Daniel, David, Sarah oder Miriam. Der Name Levi hingegen ist erst seit etwa zehn Jahren in Mode (zuletzt auf Platz 45), vielleicht mitgezogen durch den etwas früher aufgekommenen Levin (Platz 93), der allerdings ganz andere Wurzeln hat.


Für mich ist Levi einfach ein Vertreter der derzeit beliebten weich klingenden Jungennamen, dazu einer der eher wenigen Namen mit i-Endung, die trotzdem nicht nach Verniedlichung klingen. Außerdem fällt mir noch die Jeansmarke ein. Dass ihr jüdischstämmiger Erfinder Levi Strauss sich erst nach seiner Auswanderung nach Amerika so nannte und als Löb Strauß geboren wurde, habe ich gerade erst gelernt.

Umso erstaunter war ich, als mir neulich ein Herr Ü70 gestand, nicht glücklich über die Wahl des Namens Levi für seinen Enkel zu sein. Begründung: Der Name könne bei Reisen in arabische Länder womöglich zum Problem werden. Ist da etwas dran? Vielleicht, weil Levi auch der Name eines der zwölf Stämme Israels ist? Dann müssten Ruben (Platz 277) und Simeon eine ähnliche Wirkung haben. Nach meiner Erfahrung gefallen alttestamentarische Namen auch Eltern besonders gut, die einer christlichen Freikirche angehören. Drückt sich hier vielleicht nur das Bedauern eines Großvaters aus, dem für seine Kindeskinder Namen, die nicht in erster Linie nach dem „schönen Klang“ ausgewählt wurden, lieber gewesen wären?

Wie sind Ihre Erfahrungen dazu, gerade auch auf Reisen? Und wer kann Licht in den Dschungel der traditionell christlichen und jüdischen Namen bringen?

19 Gedanken zu „Gute Frage 16: Wie ergeht es Levi auf Reisen?“

  1. Ich bin so etwas wie eine rheinische Promenadenmischung mit Wurzeln in allen drei großen Religionen. Deswegen habe ich statt eines Vornamens den Sammelbegriff ‚Sarah‘ bekommen. Das einzige Erlebnis das ich mit meinem Namen hatte: ich habe sowohl in einem schiitischen als auch in einem sunnitischen Land gearbeitet und bin in beiden Ländern konsequent ohne ‚h‘ am Ende geschrieben wurden. Das ‚h‘ war wohl nicht islamisch genug.
    Zu Levi, ich finde den Namen schön, aber Opa hat Recht – der Junge hat ein ganz schönes Paket mitbekommen.

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  2. Mein amerikanischer Großvater war teils ethnodeutscher, teils deutsch-jüdischer Abstammung. Obwohl ich selbst nur zu einem geringen Prozentsatz jüdischer Abstammung bin, sind für mich meine jüdischen Vorfahren letztlich genauso real wie meine deutschen Vorfahren. Meinen Kindern habe ich noch nichts über ihre anteilig gesehen geringe jüdische Abstammung erzählt, denn ich möchte nicht, dass sie sich selbst gefährden, indem sie es herumerzählen.

    Manchmal erfüllt mich meine jüdische Abstammung, so unauffällig und prozentual gesehen gering sie ist, mit Angst. Wenn ich Muslime sehe, denke ich oft daran, wie sehr sie wohl meine Vorfahren hassen und auch mich hassen würden, wenn ich mich offen mit diesen Vorfahren identifizieren würde. In den USA hatte ich viele jüdische Freunde, und die wurden von muslimischen Taxifahrern, die sie als Juden erkannten, nicht mitgenommen, und waren überhaupt immer wieder muslimischen Anfeindungen ausgesetzt. Das hat mich schwer betroffen, und ich erzähle normalerweise nie jemandem von meiner Abstammung. Hier kann ich es, glaube ich, wagen, da doch noch eine gewisse Anonymität gewährleistet ist. Ich habe tatsächlich so etwas wie eine gewisse Genozidangst in mir drin stecken.

    Auf jeden Fall macht mich der Name Levi immer betroffen. Ich finde ihn wunderschön, gleichzeitig kommt er mir aber naiv vor. Er wirkt noch viel jüdischer als Namen wie David oder Samuel, die einfach weltweit schon stärker auch in nichtjüdischen Kreisen etabliert sind. Ich selber könnte den Namen nie vergeben, weil es sich so anfühlen würde, als würde ich unsere jüdische Abstammung in die Welt hinausposaunen, und das würde mich mit großer Angst erfüllen.

    In Frankreich machen es ja jetzt viele Juden so, dass sie ihre Kinder zwar zuhause mit ihren jüdischen Namen rufen, sie aber auf offener Straße mit einem anderen, unauffälligen „Straßennamen“ rufen, um sich nicht offen als Juden erkennen zu lassen. Viele sehen auch inzwischen von der Kippah und dergleichen ab, weil sie sich damit nicht sicher fühlen. Es ist traurig, dass Europa sich wieder in einen antisemitischen Kontinent verwandelt, diesmal über die islamische Schiene.

    Im amerikanischen Kongress sitzen jetzt ja auch immer mehr muslimische Abgeordnete, die, wie letztens Ilhan Omar, gegen Israel und jüdische Lobbyisten hetzen und gegen eine jüdische Verschwörung warnen. Ich muss sagen, da sitzt mir dann die Nervosität tief in den Knochen.

    Nein, den Namen Levi könnte ich nicht vergeben. Das können nur Deutsche tun, die es sich irgendwie emotional leisten können, sich nicht zu fürchten.

    Mark Zuckerberg ist jüdischer Abstammung, heißt aber, ganz typischerweise, Mark, hat also einen lateinischen, neuttestamentarischen Namen, der unjüdischer kaum sein könnte. Das ist typisch für viele Juden in den USA–der Name Mark ist unter Juden total häufig, gerade weil man damit seinen jüdisch klingenden Nachnamen gut ausgleichen kann und die jüdische Identität weniger offensichtlich machen kann. Auch der sehr britische Name Murray war unter Juden sehr beliebt, um die jüdische Identität weniger offensichtlich zu machen–nur wurde der Name so sehr unter Juden beliebt, dass er dann doch zum Kennzeichen für jüdische Abstammung wurde. Sehr viele meiner jüdischen Freunde hatten Väter namens Murray…..

    In gewisser Weise freue ich mich aber, dass die Deutschen sich immer noch sicher genug fühlen, um den Namen Levi vergeben zu können. Desto mehr deutsche Levis es gibt, des do mehr wird der Namen zumindest hier in Deutschland auch seine jüdische Signalwirkung verlieren.

    Gott schenke uns Frieden….

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  3. Das sind sehr interessante Anmerkungen, vielen Dank dafür! Ich bin an den Namen wohl wirklich zu naiv herangegangen. Ich war noch nie in einem der besagten Länder und hätte nicht erwartet, dass die Kluft zwischen z.B. Sarah oder Samuel und Levi so groß sein könnte.

    In Deutschland zumindest wandelt sich die Wirkung des Namens bestimmt, Platz 45 ist ja schon beachtlich. Die meisten Eltern gehen da sicher unbefangen dran und sehen Levi in einer Multikulti-Reihe mit Henri, Juri, Jussi oder Lauri. Oder sie mögen Levin, haben aber Angst vor der Nähe zu Kevin. Oder aber sie finden – und da fühle ich mich dann an Diskussionen um den aus ganz anderen Gründen belasteten Namen Amon erinnert (siehe auch: https://blog.beliebte-vornamen.de/2014/01/amon-und-ariel/ ) -, dass man „es doch einfach mal gut sein lassen“ und Namen einfach für ihren Klang schätzen müsse. Wobei es bei Amon ja ein Namensträger ist, an dem es hakt, und nicht die kulturelle Ableitung. Hm …

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    • Aber auch Amon Göth würde heute kein Mensch mehr kennen, wenn er nicht durch den Spielberg-Film „Schindlers Liste“ popularisiert worden wäre. Auch kein Historiker, der nicht gerade den Judenmord als Spezialgebiet hat. Und sooo wichtig war dieses Lager Płaszów bei Krakau in der nazistischen Vernichtungsmaschinerie nun auch wieder nicht.

      Vor dem Film hätte man bei Amon maximal (und auch das nur in den höheren Ständen) an folgendes gedacht:
      – An die griechische Bezeichnung bzw. synkretistische Adaptation des ägyptischen Gottes Amun.
      – An die nach ihm benannte Fossilienart der Ammoniten aus dem Erdaltertum und dem Erdmittelalter.
      – An die kuriose deutsche Band Amon Düül aus den 1970ern.

      Bei Levin muß ich immer an zwei Gestalten aus der Münchner Räterepublik von 1919 denken: Eugen Leviné und Max Levien. Das liegt aber nur daran, daß ich mich schon als Schüler intensiv mit der Geschichte des deutschen „Nachkrieges“ (1918-1923) befaßt habe. Kein normaler Mensch in Deutschland weiß heute noch davon.

      Im Grund ist das ein erkenntnistheoretisches Problem: Man ist immer in Gefahr, seine eigenen Exzentrizitäten und Passionen zu verabsolutieren und nicht zu sehen, daß diese die meisten Leute nicht die Bohne interessieren. Mark argumentiert als „Mann* zwischen den Kulturen“ und Christ. Cassis etwa als Romanistin. Ich argumentiere als monokultureller Deutscher und Mann zwischen den Religionen. Die allermeisten Deutschen haben aber (Gott sei Dank, vielleicht) anderes im Kopf.

      *) Die Linksliberalen haben es geschafft, daß das Wort „Mensch“ mittlerweile fast ein Nono-Wort geworden ist; fast so sehr wie das Wort „Respekt“, das ich grundsätzlich nicht mehr verwende.

    • Zu Amon: Kann schon sein, dass hier der Film „schuld“ ist, ich weiß nicht mehr, ob der Name im Geschichtsunterricht fiel. Allerdings gibt es ja auch das Buch gleichen Titels, das eine Weile Bestseller war. Und ich wüsste keinen anderen prominenten Namensträger (etwas, was gerade dir, Harki-Jan, sonst wichtig ist). Bei einer minimalen Onlinerecherche stolpert man sofort über Göth … was natürlich etwas ist, das frühere Generationen noch nicht konnten, also googeln, und für uns die Namensfindung somit komplexer macht, Naivität erschwert.

    • Hö, Annemarie, interessant. Ich wußte bis heute nachmittag nicht, daß es da vor dem Film schon ein Buch gegeben hat… Und das obwohl wir als rechte Studenten natürlich leidenschaftlich über den Zweiten Weltkrieg diskutiert haben – aber eher so spannende Sub-Themen wie: „War es richtig, 1941 Rußland anzugreifen?“ „War es richtig, Italien bei seinen Balkan-Abenteuern zur Hilfe zu eilen?“ „War es richtig, daß wir den USA Ende 1941 offen den Krieg erklärt haben?“ „Waren Francos Neutralität und Japans Weigerung, Rußland im Osten anzugreifen, politisch klug oder moralisch verwerflich? Oder beides?“ Sowas. Der Holocaust hat uns einfach nicht sonderlich interessiert. Und historische Romane haben wir sowieso nicht gelesen (oder nur „unter der Bettdecke mit Taschenlampe”), es war verpönt – es sei denn, man hatte sich gerade mit der Geschichte der Geschichtswissenschaften und Geschichtsbildern zu befassen.

      Blasen und Käseglocken gab es es auch schon vor dem Internet und vor Twitter und Facebook.

      Übrigens muß man sich auch klarmachen, daß der reale Amon Göth unendlich schwachsinniger und primitiver war als der luzide-diabolische Spielberg-Göth.

      Nein, ich kennte auch keine zeitgeschichtliche, relevante Person namens Amon. Und natürlich googelt heute jede schwangere Frau, bevor sie sich einen Namen aussucht – und landet sofort bei dem Spielberg-Film.

    • Wow, hier geht es ja mal wieder höchst spannend, politisierend und lehrreich zu.
      Mein Senf des Tages:

      Zum Namen Levi: Vom Klang her gefällt er mir gut, er weckt im Gegensatz zu den meisten aktuell verbreiteten alttestamentarischen Namen bei mir auch keinerlei negative Assoziation. Ich würde ihn allerdings nur im religiös- kulturellen Umfeld empfehlen-
      Aus eben den Gründen, die Mark sehr treffend beschrieben hat.

      Es entzieht sich meinem Verständnis, was es daran zu leugnen geben könnte, lieber @Harki 😉

      Danke für die Erläuterung, weshalb Freikirchler altt. Namen wählen, Harki.
      Das habe ich mich kürzlich gefragt, als ich eine Großfamilie flüchtig kennenlernte, deren Kinder unter anderem „Naftali“ und „Abigail“ hießen. Ich wunderte mich schon, weshalb keine „Maria“, „Elisabeth“ oder „Anna“ dabei war.
      Dank Harki, dem enfant terrible dieses Blogs, bin ich wieder einmal schlauer.
      Tatsächlich sind mir die Heligennamen hier im katholischen Österreich unter allen als christlich einzustufenden Namen die am meisten vertrauten. Als Atheistin, bzw. tendenziell pantheistischen Agnostikerin kann ich die großen Kirchen allesamt nicht sonderlich gut leiden. Hätte ich die Wahl zwischen dem Jesuiten-Franz und Blödford-Strohm würde ich mich glatt für eine Freikirche entscheiden. 😉
      Herzliche Grüße

    • Missverständnis: Das Buch, das ich meinte, ist nicht „das Buch zum Film“, sondern erst wenige Jahre alt und kein Roman, sondern eine autobiographische Auseinandersetzung der Enkelin Göths mit ihrer Familie. Es heißt „Amon. Mein Großvater hätte mich erschossen“.

    • „Dank Harki, dem enfant terrible dieses Blogs“

      Danke, Adelheid für das große, große Kompliment! 🙂 🙂

      Erfahrungsgemäß stammen (heute) übrigens die meisten Katholikenhasser aus einem katholischen Umfeld (das ist bei Dir ja offensichtlich auch der Fall) und die grimmigsten EKD-Hasser aus dem evangelischen Norddeutschland. 😀

      Mein persönliches Christentums-Ranking, grob vereinfacht und im wesentlich mit Bezug auf Deutschland:

      1. Katholizismus & Orthodoxie :o)
      2. Evangelikale & Reformierte :-/
      3. Evangelische Landeskirchen. >:-(

      (Meine persönliche Frage ist halt: Islam oder Katholizismus? Zwischen allen Stühlen sitzt es sich zuweilen recht gemütlich, aber oft auch recht zugig.)

      Herzliche Grüße retour

      Harki

  4. „Erfahrungsgemäß stammen (heute) übrigens die meisten Katholikenhasser aus einem katholischen Umfeld (das ist bei Dir ja offensichtlich auch der Fall)“

    Da verstehst du mich falsch:
    Ich hasse weder die Katholiken, noch den Katholizismus per sè.
    Im Gegenteil: im Volksbrauchtum des alpenländischen Raumes haben sich wunderschöne, teils aus kelto-germanischen Zeiten überlieferte Traditionen und Sagen erhalten, so etwas fasziniert mich. Auch die Heiligenverehrung mag ich sehr: Bietet sie den Gläubigen doch etwas zugänglichere Mittler und Vorbilder. Als Kind liebte ich die Geschichten der hl. Elisabeth von Thüringen und die von Franz v. Assisi.
    Besonders ist die Verehrung der Gottesmutter, die stärker ist als die Jesu oder des (abstrakten) Gottvaters (von dem man sich kein Bild machen darf).
    Man führe sich hierzu nur einmal die Lauretanische Litanei zu Gemüte. Gänsehaut.
    Die faktische Erhebung Mariens in den Gottesstand entbindet das Christentum dieser Leseart von jeglichem Vorwurf Misogynie. Was freilich von der Institution(!) der kath. Kirche nicht behauptet werden kann. Und dann diese widerliche Systemanbiederei! Marx, Woelki und Konsorten…. Eine Schande.
    Ganz wie damals zu Deutschlands dunkelsten Zeiten…. aber lassen wir das.
    Generell bin ich kein Fan des Monotheismus, der strenggenommen grundsätzlich faschistoide Züge aufweist. Hamed Abdel Samad hat das in einem seiner Bücher sehr gut analysiert.

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  5. Und einen Kommentar zur Islamophilie eines gewissen Herrn hier muss ich doch noch loswerden, sonst kann ich nicht schlafen:

    Die Errungenschaften der alten Araber in allen Ehren, nur leider haben diese mit dem heute praktizierten Mainstream-Islam und der Entwicklungsgrade der 57 musl. Länder ungefähr so viel zu tun wie die Lehren Jesu Christi mit den Hexenverbrennungen und dem Ablasshandel der frühen Neuzeit!

    :-*

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  6. @Jan:

    Ich habe viel Zeit in Umfeldern verbracht, in denen Muslime auf Juden trafen. Was ich da erlebt habe, hat mich tief geprägt.

    Es geht nicht darum, wie viel Prozent meine jüdische Abstammung beträgt–es geht um Außenwirkung. Wenn meine Söhne stolz herum erzählen, dass sie Juden sind und vom Abraham der Bibel abstammen, dann festigt sich im Umfeld ein Eindruck, den ihnen schädlich werden könnte, wenn diese Infos an die falschen Leute kommen. In Apolda hätte ich da Sorgen wegen Neonazis; hier in diesem Teil Württembergs eher wegen radikalen Muslimen, von denen es hier eine ganze Reihe gibt.

    Ich selbst bin zwar nicht direkt Jude, aber ich weiß von meinen jüdischen Vorfahren. Das gibt mir eine andere Identifikation mit dem Judentum, als ich diese sonst haben würde. Diese versteckte Identifikation führt zu einem anderen und intensiveren Empfinden des unter vielen Muslimen stark ausgeprägten Antisemitismus. Ein Name wie Levi würde bei mir dazu führen, dass ich diese versteckte Identifikation als zu stark nach außen gekehrt empfinden würde–obwohl das bei der heutigen Mode in Deutschland weniger relevant ist, so lange man in Deutschland bleibt.

    Ich hatte mir tatsächlich einen Zettel angelegt, mit Koransurenangaben, um hier einiges zu zitieren; habe den Zettel aber wieder verloren, und keine Zeit, die Recherche zu wiederholen. Wie dem auch sei. Ausschlaggebend für den Antisemitismus im Islam ist ja nicht nur, was der Koran sagt, sondern auch was im Hadith steht, der das Leben Muhammads tradiert. Der Hadith ist noch um einiges antisemitischer als der Koran. Mir ist natürlich bewusst, dass es hier zum Teil auch um eine persönliche Fehde mit den Juden von Medina geht. Allerdings ist dieser Kontext jetzt nicht besonders mildernd, wenn man sich die Aussagen betrachtet. Gleichzeitig gehen viele Aussagen zu Juden über den historischen Kontext hinaus. Und letztlich werden auch alle „Ungläubigen“ verdammt. Dschihad wird zwar zum Teil geistlich beschrieben, zum Teil aber auch ganz klar als physische Gewalt definiert und gefordert. Dabei besteht ein Grundunterschied zur Gewalt im Alten Testament darin, dass diese nicht über ihren historischen Kontext hinaus ausgeweitet und zur allgemein-heilsgeschichtlichen Aufgabe gemacht wird, wie im Islam. Hinzu kommt noch Jesu klare Absage an weltliche Herrschaft (was den mittelalterlichen Machtmissbrauch und auch modernere Machtmissbräuche christlicher Kirchen besonders perfide macht) und vor allem das Beispiel des Kreuzes, dazu noch die Bergpredigt mit ihrer Lehre von der Feindesliebe.

    Im Islam gibt es eine Ambivalenz gegenüber den zwei anderen abrahamitischen monotheistischen Religionen. Allerdings führen viele in den heiligen islamischen Schriften angelegte Lehren und auch das Beispiel des Propheten zu einer Rechtfertigung der Gewalt gegen auch diese Varietät von „Ungläubigen.“

    Und was die Israelfrage angeht–ich möchte nicht israelische Politik verteidigen. Trotzdem ist da eine Grundsatzfrage: darf Israel existieren? Letztendlich ist die Antwort der meisten Muslime, Nein. Palästina ist Dar-al-Islam, und dem israelischen Volk wird letztendlich das Existenzrecht abgesprochen, es sei denn, dass sie sich mit einer Diaspora irgendwo außerhalb der Urheimat zufriedengeben.

    Was die judeo-christliche Zivilisation des Abendlandes betrifft–gemeint ist natürlich, dass das Christentum dem Judentum entspringt und viele Züge des Judentums beibehält.

    Ich überschätze die westliche Welt nicht–die westliche Kultur hat sich verrannt und ist kaum noch lebensfähig. In der Vergangenheit war die westliche Kultur auch nie eine Utopie. Auch das christliche Mittelalter war in vieler Hinsicht schauerlich. Es besteht ja auch keine Einheit zwischen Christus und der westlichen Kultur–Christi Reich ist nicht von dieser Welt, obwohl wir als gläubige Gemeinschaften dazu berufen sind, sein Reich der Liebe und Gnade schon in dieser Welt auszuleben. Der große Unterschied zwischen Christentum und Islam liegt darin, was von den zentralen Autoritätsfiguren der beiden Religionen vorgelebt und gelehrt wurde. Und dieser Unterschied ist gravierend. Das wirkt sich auch in der heutigen islamischen Welt–auch der hier in Deutschland präsenten islamischen Welt–recht fatal aus.

    Womit wir wieder bei Levi wären–ja, in der islamischen Welt, könnte der Name wirklich Schwierigkeiten bereiten. Alle Signale jüdischer Identität sind im islamischen Kontext mit Problemen–manchmal großen Problemen–verbunden.

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    • Zum religiösen Antijudaismus kommt gerade in der arabischen Welt auch der aus Europa und den USA importierte Antisemitismus hinzu. Das 3. Reich ließ bekannte Hetzschriften (unter anderem Hitlers „Mein Kampf“, „Die Protokolle der Weisen von Zion“ mit einem Kommentar von Rosenberg und Henry Fords „Der internationale Jude“) ins Arabische übersetzen und in der Region verbreiten.

      Nach 1945 wurden diese Schriften gerne auch von regierungsnahen Verlagen nachgedruckt. Mit den EInwandern aus der Region kommt der exportierte Antisemitismus hierher zurück.

  7. Das solltest Du als Evangelikaler eigentlich wissen.

    Es ist schon etwas nervend, von Dir unnötigerweise Unwissenheit vorgeworfen zu bekommen.

    Der Begriff Urheimat ist natürlich nie präzise–denn irgendwoher kamen die Leute immer. Auch die Germanen stammen ja nicht aus Deutschland. Auch nicht aus Schweden. Letztendlich stammen Sie aus einer der Urheimaten der Menschheit, wie dem Irak. Was ich damit natürlich meine (aber die Tradition des „charitable readings“ praktizierst Du eher nicht), ist, dass es die einzige Stammheimat ist, auf die sich Israelis berufen können, es sei denn, sie wollen die jahrhundertelange Diaspora in aller Welt fortführen. Die Josephsgeschichte glaube ich natürlich; genauso glaube ich, dass Gott den Israelis das Land geschenkt hat. Ich sage nicht, dass ich die Lösung für das Israelproblem habe; nur, dass ich es problematisch finde, dem israelischen Volk ein Recht auf Heimat gänzlich abzusprechen, was im islamischen Kontext aber oft geschieht.

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  8. Ich muss einmal kurz los werden, dass es keine Halb-, Viertel, Zwölftel-Juden gibt. Das ist eine Erfindung der NS-Zeit. Entweder man ist es, oder nicht. Je nach Tradition durch eine jüdische Mutter, durch Konversion, durch den Vater plus jüdische Erziehung, durch…

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  9. Ich habe mit dem Namen Levi ein ganz anderes Problem, was gar nichts mit religiösem Extremismus zu tun hat. Ich kenne Levi als Schimpfwort für einen liederlichen Menschen, der z. B. als Kind die Kleidung beim zu Bett gehen nicht ordentlich auf dem Stuhl zusammenlegt, sondern auf dem Schlafzimmerfußboden verteilt. Die Eltern eines kleinen Levi kann ich nicht fragen, ob es nicht stört, seinem Kind ein Schimpfwort als Namen zu geben – vielleicht kann man mir hier weiterhelfen? Ist das Schimpfwort nur regional bekannt? Ich kenne es aus Mittel- und Nordhessen. Oder stört die Eltern das nicht, weil der Name ja wie Lewi ausgesprochen wird, das Schimpfwort aber wie Lefi. Vielleicht entsprechend der Ausspracheregel, dass ein V als W ausgesprochen wird, wenn es aus dem Lateinischen stammt (hier aus der lateinischen Vulgata-Bibel), und sonst als F. Für mich wäre der Name auch mit W-Aussprache ausgeschlossen, weil er mich zu sehr an das Schimpfwort erinnert.

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    • Ich habe von diesem Schimpfwort noch nie gehört. Levi war früher ein typischer jüdischer Vorname, so dass die Verwendung dieses Namens als Schimpfwort wahrscheinlich einen antisemitischen Hintergrund hat.

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