Mein seltener Name und ich: Berlind

„Wir haben noch keinen Namen, und ich bin schon vier Tage über ET“ – solchen Hilferufen begegne ich in den Weiten des Netzes immer mal wieder. Allzu sehr vor Kreativität überschlagen muss man sich dann allerdings nicht. In gefühlt 98 Prozent der Fälle verkünden die glücklichen Eltern schließlich doch einen Namen, an dem sie schon länger herumüberlegt haben. In letzter Minute etwas komplett Neues in sein Herz zu schließen wäre wohl auch etwas viel verlangt.


Ob es wohl früher mehr Eltern gab, die ohne fixen Favoriten in die Geburt gegangen sind? Bei den Eltern meiner heutigen Interviewpartnerin war es jedenfalls so. Sie kam 1977 in Nordhessen als Hausgeburt zur Welt. „Meine Mutter hatte zu Beginn der Wehen noch keinen Mädchennamen. Wäre ich ein Junge geworden, hätte ich Vasco geheißen. Sie blätterte also in den Wehen liegend im Namensbuch und ist nicht weiter als bis zum B gekommen, weil ich es dann wohl eilig hatte.“ And the winner was – Berlind.

Der Name Vasco kam Jahre später noch zum Zug: „Meine Eltern haben ihren Hund so genannt.“ Berlind hat einen älteren Bruder namens Ivo. Seinen Namen mochte sie schon immer gern. Mit ihrem eigenen hat Berlind in ihrer Kindheit und Jugend manchmal gehadert. „Ständig wurde nachgefragt: Wie heißt du?! Mit einem besonderen Namen fällt man immer ein wenig auf. Ich stehe aber nicht so gerne im Vordergrund.“ Oft wurde ihr Name nicht verstanden oder verändert – in Berhild, Gerlind, Berrit, Bernhild … Obendrein missfiel ihr die „etwas nuschelige“ Aussprache ihres Vaters: „Er hat die zweite Silbe fast verschluckt, was sich dann beinahe wie Bernd anhörte. Das konnte ich gar nicht leiden.“ Hatte sie einen Traumnamen? Ja, tatsächlich, und zwar auch nicht gerade Massenware: „Ich hätte gern Scarlett oder Vivien geheißen – natürlich geprägt von ‚Vom Winde verweht‘.“

Mein seltener Name und ich

Nachdem ich gerade erst über Birka geschrieben habe, ist es heute schon wieder ein „baumiger“ Name: In Berlind(e) steckt das althochdeutsche Wort für Linde und einen Schild aus Lindenholz, aber auch für „sanft, weich, mild“ und außerdem „Bär“ auf germanisch. „Lindenholz ist leicht schnitzbar, aber schwer zu zerstören. Also ein guter Schutz im Kampf“, weiß Berlind. Als Erwachsene hat sie sich mit ihrem Namen arrangiert: „Ich finde ihn nicht total toll, aber auch nicht schrecklich.“ Dass er den Leuten eher im Gedächtnis bleibt als gängige Namen, gefällt ihr nun ganz gut. „Das Buchstabieren mache ich schon fast automatisch. Oder ich sage: Berlin mit d hintendran. Viele würden mich sonst mit t schreiben.“ Ab und zu bekommt Berlind auch Post mit männlicher Ansprache.

In der Schulzeit war Berlinds Spitzname Berli. Ihre Mutter macht aus ihrem Namen auch mal Lindi oder Linda. An der Betonung hat Berlind selbst noch etwas gedreht: „Ursprünglich wurde die erste Silbe betont. Nach meiner Schulzeit, als meine sozialen Kontakte stark gewechselt haben, habe ich meinen Namen aber immer auf der zweiten Silbe betont, weil mir das deutlich besser gefällt. Dennoch spreche ich das ‚-lind‘ nicht wie in ‚Berlin‘ aus, wo das i einem ie gleichkommt, sondern eher wie in ‚Linde‘. Ein bisschen schwierig zu beschreiben.“ BerLIND also, nicht BERlind oder Berliend – richtig?!

Berlind hat zwei Söhne, die 2002 und 2012 geboren wurden. Bei ihrem Großen wollte sie eigentlich „einen gewöhnlicheren Namen wegen meiner Erfahrung, aber es gefiel mir keiner, sodass es doch ein etwas außergewöhnlicher geworden ist“: Laurin Yul, genannt Yul (Jul gesprochen). „Er kann Laurin nicht leiden, deshalb nutzen wir den Zweitnamen. Ich fand die Bedeutung von Yul so schön: Hinter den Horizont blickend.“ Leider wird aus Yul öfter mal Jüls, Juls oder Dschuls. Da ist der Name von Berlinds Jüngstem weitaus unkomplizierter: Er heißt Henri Robert, der Zweitname stammt von seinem Uropa.

3 Gedanken zu „Mein seltener Name und ich: Berlind“

  1. Berlindis ist mir auch schon aufgefallen als besonders schöner germanischer Vorname, und die Form Berlind finde ich ebenfalls sehr, sehr schön. Allerdings bevorzuge ich die dem traditionellen deutschen Lautsystem gemäße Aussprache mit der Betonung auf Ber.

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  2. Berlind ist ein wirklicher hübscher Vorname, gefällt mir ausgesprochen gut. In der Häufigkeitsstatistik sicherlich in den letzten -wenn überhaupt- Regionen aufzufinden.
    Berra oder Beeke finde ich auch schön.
    Mir ist auch eine Person namens Sonnhild, Spitzname Sonnhildis bekannt.

    MfG

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  3. Auch ich heiße Berlind und habe vieles genauso erlebt.
    Meine Mutti, las vor meiner Geburt, 1959 im Spreewald, einen Groschenroman mit dem Titel“ Wohin gehst du, Berlind?“
    Sie wollte etwas Besonderes und wenn ich als Kind über meinen Vornamen jammerte, war die Antwort: “ Elke, Petra und und heißt jede. Rufst du eine, kommen alle!“
    Heute bin ich eigentlich froh einen seltenen Vornamen zu tragen. Es eben doch etwas BESONDERES.

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