Mein ungeliebter Vorname: Annegret

Manche Namen enthalten quasi ein eingebautes Hintertürchen für den Fall, dass sie ihren Trägern nicht gefallen: Heidrun lässt sich von aller Welt Heidi rufen. Und Lisa ist froh, dass niemand weiß, dass sie eigentlich Elisabeth heißt. Ob Eltern wohl schon früher bei der Namenswahl über solche Fluchtwege nachgedacht haben? In den letzten Jahren jedenfalls habe ich häufiger gehört, dass aus diesem Grund ein Zweitname vergeben wurde („So kann Lukas Arne einmal selbst entscheiden, ob er Lukas oder Arne sein möchte“).


„Der eigene Name ist das schönste Wort auf der Welt. Wer seinen Namen hört, fühlt sich bedeutend und anerkannt“ – soweit diverse Kommunikations- und Karriereratgeber. Doch was, wenn jemand seinen Namen gar nicht mag? Wie ist das überhaupt möglich? Dazu habe ich Annegret befragt, die sich seit vielen Jahren nur noch Anne nennt. Als sie geboren wurde, hatte ihr Name seine beste Zeit – in den späten 40ern – schon länger hinter sich, man schrieb das Jahr 1970. Annegret wuchs im Raum Hannover auf, für Namen mit A- hatten sich ihre Eltern schon bei den beiden älteren Schwestern entschieden. Obwohl zumindest einer der Namen, anders als Annegret, in den Top 35 von 1970 stand, war keine der drei glücklich mit der Wahl der Eltern: „Ich hatte wenigstens noch den Vorteil, dass ich auf Anne ausweichen konnte – bei meinen Schwestern ging so etwas nicht.“

Die meiste Zeit ihres Lebens fand Annegret ihren Namen „zu lang und zu altertümlich“. Nur kurzzeitig, mit elf oder zwölf Jahren, mochte sie ihn gern, „weil er nicht so gewöhnlich war“. Von Eltern und Geschwistern wurde sie ohnehin immer Anne genannt, „Annegret nur von älteren Verwandten und wenn ich was angestellt hatte“. Wie ihre Eltern überhaupt auf Annegret verfielen, weiß sie nicht. Ihr Zweitname, Charlotte, stammt von ihrer Oma, was ihn für sie aber nicht positiver macht: „Wenn jemand aus meiner Familie mich ärgern will, nennt er mich Lottchen wie meine Großmutter – sie war kein einfacher Mensch.“

Annegret hätte sehr gern Jana geheißen, fand und findet aber auch Anne „nicht schlecht“. In der Schule freute sie sich, wenn Lehrer sie mit der Kurzform ansprachen. „Das war für mich persönlicher und ein Zeichen, dass sie mich mochten – und natürlich, dass sie den Namen Annegret nicht mochten.“ In der Ausbildung stellte sie sich erstmals nur noch als Anne vor, nur bei Behörden, Ärzten und beim Buchen von Flugtickets verwendet sie notgedrungen den vollen Namen. So hat sie heute viele Freunde und Bekannte, die gar nicht wissen, wie sie eigentlich wirklich heißt. Bis auf eine Bekannte namens Annegret und eine Verwandte, die Annelies heißt und die beide auch das Kürzel nutzen, kennt sie keine Annes und freut sich darüber. Ein Name, der ein Sammelbegriff ist, würde ihr auch nicht gefallen: „Ich möchte nicht Claudia, Tanja, Stefanie, Andrea, Petra oder Nicole heißen.

17 Gedanken zu „Mein ungeliebter Vorname: Annegret“

  1. Geht mir auch so! Ich bin ende der 70er geboren und von meinen Eltern Gabriele und drei weiteren scheußlichen Namen.gesegnet worden. Logischerweise.kann ich mich dran erinnern, dass meine Eltern mich nur So riefen, wenn ich was angestellt hätte ansonsten nur Gabi riefen. In.Schule und Ausbildung sagte man auch nur solange Gabriele bis man mich kannte. Auch viele meiner Freunde wissen nix von ihm. Meine Kinder haben 2 kurze Namen zur Auswahl von mir bekommen. Ich hoffe mal, das sie damit leben können später!

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  2. Finde Annegret wunderschoen, aber na gut–man kann nie erwarten, dass den eigenen Kindern das gefällt, was einem selber gefällt.

    Finde meinen Namen Mark in Deutschland auch nicht so toll, obwohl er mir in den USA sehr gefällt. Wenn ich demnächst nach Deutschland zurückziehe, wird es mir leid tun, nicht mehr die schoene amerikanische Aussprache des Namens zu hoeren. Aber ist halt so–letztendlich ist das auch nicht SO wichtig…

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    • Ich glaube lieber Mark, dir gefällt das Englische und nicht das was du bist, das Deutsche. Es scheint mir du leidest vielleicht ein bisschen an Selbsthass und schämst dich ein Deutscher zu sein. So hört sich das jedenfalls für mich an!!

    • Ich schaeme mich nicht, Deutscher zu sein. Allerdings bin ich auch von Geburt Amerikaner, und Englisch war meine erste Sprache, und seit 21 Jahren (seit meinem 17. Geburtstag) lebe ich auch wieder in den USA. Ich werde die englische Sprache sehr vermissen, wobei ich die deutsche Sprache auch liebe. Mein Zweitname, Peter, gefaellt mir im Deutschen besser als im Englischen; aber mein Erstname, Mark, gefaellt mir im Englischen besser und ist im Englischen auch traditioneller als im Deutschen.

      Du solltest nicht ueber Leute urteilen, deren Kindheit und Lebensumstaende Dir nicht vertraut sind. Du nimmst Dir sehr viel heraus mit dieser Anklage.

  3. Ich kenne eine Anna, die eigentlich Annacarina heißt. Da sie den Namen so auch nicht mag, läßt sie sich seitdem sie etwa 16 ist, nur noch Anna nennen.

    Dass sie eigentlich Annacarina heißt, erfuhr ich auch erst vor knapp zwei Jahren. Für mich ist sie hält einfach Anna 🙂

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  4. Ein interessanter Artikel, der mich ein Stück weit an meine eigene Geschichte erinnert (mein Text zu diesem Thema ist unter dem Artikel zur öffentlich-rechtlichen Namensänderung verlinkt).
    Und ich kannte früher auch eine Annegret, die nur Anne genannt wurde, die war etwa so alt wie ich, also Mitte der 80er geboren. Ich empfand ihren vollen Namen für unsere Generation als viiieel zu alt.

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  5. Die Fragestellung rund um ungeliebte Vornamen finde ich sehr interessant. Im Fall von Annegret finde ich es gar nicht sooo tragisch, dass sie ihren Namen nicht mag, da sie ja problemlos auf Anne ausweichen konnte.

    Bei ungeliebten langen Namen kann man in den meisten Fällen ja noch auf eine Kurzform ausweichen. Schwieriger haben es Leute mit ungeliebten kurzen Namen. Ich habe ja schon in der neuesten Ausgabe der „Babynamen der Woche“ erwähnt, dass ich mal einen Schüler in Frankreich hatte, der seinen Namen Émile überhaupt nicht mochte und sich sogar für ihn schämte. Er wollte stets auf die längere Form Émilien ausweichen, konnte sich aber, so mein letzter Kenntnisstand, nicht durchsetzten.

    Eine andere Problematik ist die, wenn man seinen langen Namen mag, aber die „dazugehörige“ bzw. fest etablierte Kurzform nicht. Eine Freundin meiner (Paten-)Tante z.B. heißt Christina und wurde stets (ob sie wollte oder nicht) Tina genannt. Sie war es dermaßen leid nicht bei ihrem „richtigen“ Vornamen genannt zu werden, dass sie sich dazu entschlossen hat ihren Kindern Namen zu geben, die sich nicht abkürzen lassen. Ich muss da mal nachhorchen, ob die Kinder ihre Namen mögen oder ob es ihnen ähnlich geht wie o.g. Émile….

    Ich habe ja die Tendenz zu sagen, dass zwei (max. drei) Namen schon von Vorteil sind. Ich denke da gerade an meinen einen Opa, der seinen Erstnamen überhaupt nicht mochte und bereits als Kind durchsetzen konnte, dass sein Zweitname Rufname wurde; auch sonst bekam der Zweitname (offiziell) Priorität.

    Der Vollständigkeit halber muss ich noch kurz den Einwand einer Freundin in puncto „mehrere Vornamen“ erwähnen. Sie erzählte mir von einer Bekannten, die ihrer Tochter drei Vornamen gegeben hat, damit sich die Kleine dann, wenn sie ins Kindergartenalter (!) kommt, einen ihrer drei Vornamen als Rufnamen selbst auswählen kann. Da könne schließlich die Frage aufkommen, ob eine gewisse Entscheidungsüberforderung nicht eher zum Identitätsverlust als zur Identitätsfindung beiträgt!

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    • Aber es dürfte doch sehr viel schwieriger sein die Langform durchzusetzen, als einen amderen Namen. Gerade bei Christina stehen ja auch andere Kurzformen zur Auswahl. Ich habe zum Beispiel ziemlich erfolgreich durchgesetzt nicht Becca oder Becky genannt zu werden.

  6. Dass man seinen Namen nicht mag, kommt bei recht vielen Menschen vor. Ich zum Beispiel finde meinen Namen auch nicht schön, obwohl ich deswegen oft Komplimente bekommen. Bei mir kann es natürlich auch am Alter liegen (bin 15) 😉

    Solange man auf einen anderen Namen „ausweichen“ kann, finde ich es in Ordnung. Auch in meinem nährene Umfeld gibt es zwei Fälle:

    1. Meine Großmutter heißt Christina, bis zu meinem 10. Geburtstag dachte ich, sie heißt Christa, da sie nie anders genannt wurde und auch mit Christa unterschreibt, obwohl es nicht ihr richtiger Vorname ist. Christina kann sie „nicht ausstehen“ (Zitat:))

    2. Meine Mütschülerin heißt Henriette. Sie ist ebenfalls erst 15 und findet ihren Namen auch „schrecklich“, da er ihrer Meinung viel zu altmodisch klingt und ja auch ist. Mittlerweile hat sie sich sozusagen „umbenannt“ auf Henny. Sie heißt nun bei facebook & Co Henny, auch die Lehrer bittet sie darum, sie mit Henny anzusprechen, und tatsächlich nennt sie nun kaum einer mehr Henriette. Ich jedoch finde es schade… Henriette finde ich nämlich schöner als Henny 😉

    Es ist also sowohl bei jung als auch bei alt ein Prozess, der manchmal nur eine Phase ist oder eben andauert.

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  7. Als Teenie habe ich mal 3 Schwestern kennengelernt, die ursprünglich aus Dithmarschen stammten und dann als Teenager in eine größere Stadt in Richtung Ostsee umzogen.
    die 3 haben für mich bis heute (zumindest die Jüngste) recht altmodische Namen erhalten und alle 3 haben sich anders genannt.
    Anneliese, die am ältesten ist, nennt sich bis heute Lies. Anne kam nicht in Frage, da in ihrer Schule viele Annas und Annes waren.
    Die mittlere heißt Gudrun. Ihren Namen irgendwie verkürzen ging nicht wirklich, sie hat sich, seit sie 10 Jahre alt ist Runa genannt. Bis zu ihrer Hochzeit vor 10 Jahren hatte ich nicht einmal gewußt, das sie eigentlich Gudrun heißt.
    Die Dritte hat es ,meiner Meinung nach, für eine ´81 Geborene am schlimmsten erwischt: Hannelore. Sie nennt sich bis heute Hanne und selbst bei Bewerbungen hatte sie das Lore weggelassen, weil sie den Namen überhaupt nicht mag.

    In Dithmarschen hatten die 3 keine Probleme wegen ihrer Vornamen, allerdings änderte es sich als sie 1990 umzogen. An ihrer neuen Schule wurden sie wegen der altmodischen Namen aufgezogen.

    Die 2 Annegrets die ich kenne haben beide kein Problem mit ihrem Namen. Die eine ist auch schon älter (Jahrgang 56 oder 57)die 2. ist 1987 geboren und wenn sie auf den namen angesprochen wird, oder den Spruch, wie altmodisch er sei , zu hören bekommt, sagt sie , er ist nicht altmodisch, sondern Skandinavisch! (Auch wenn ihre Eltern keinen Bezug zu Nordeuropa haben, nicht einmal weiter nach Norden als Nordhessen gekommen sind)

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  8. Skandinavisch ist Annegret nun nicht gerade ….

    Ja, Anneliese, Gudrun und Hannelore sind schon sehr altbacken in diesen Jahrgängen. Eine JETZIGE Anneliese ist nicht ganz so ungewöhnlich, wenn auch selten.
    Die Namen Lies, Runa und Hanne sind total schön (aber eben nicht offiziell bei den dreien) und gehen immer, finde ich.
    Ich kenne übrigens auch 2 Schwestern, in ähnlichem Alter, namens Gudrun und Ingeburg, was ich auch sehr altbacken fand. Die Eltern leben in Österreich und wollten ein „Siebenbürgen“ Zeichen setzen. Der Bruder heißt viel normaler Florian.
    Allerdings erlebe ich in Österreich und Süddtl. auch 30jährige Haralds, Jochens und Petras, was für mich auch super-altbacken ist in der Generation …

    Wenke

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  9. Bei all den modernen, oberflächlichen Namen hören sich die „Altbacken“ Namen wie ein frischer Wind an und so schön bodenständig klingen sie. Anna hingegen hört sich für mich ziemlich 0 8 15 an!
    Wenn man sich, aber so viel Gedanken über seinen Namen macht und ihn hasst, dann ist das ein Zeichen das es einem zu gut geht, denn es gibt wirklich viel schlimmeres!!!

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  10. Ich werde für meine Aussage jetzt sicherlich gesteinigt werden.

    Ich würde meinem Kind den Namen Anne gerne geben, doch ich lebe in einer Stadt mit sehr vielen türkischsprachigen Einwohnern. Da Anne das türkische Wort für Mama ist, werde ich mit diesem „Vornamen“ täglich lauthals beschallt wenn ich in der Stadt unterwegs bin.
    Natürlich, es gibt genug andere Kinder, die lautstark und penetrant nach ihrer „MAMA!“ schreien, doch das ist für mich ein eigenständiges Wort und kein Vorname.
    Ich hoff, ich habs irgendwie erklären können. …..

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  11. Altmodische Namen an sich finde ich nicht schlimm. Vor allem passen sie meist besser zum Nachnamen. Allerdings finde ich, auch hier sollten gewisse Grenzen nicht überschritten werden. An unserer Schule gab es ein paar Klassen über mir einen „Adolf“ und eine Kollegin meiner Mutter hat ihre Tochter „Ehrengard“ genannt.

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  12. Ich bin Jahrgang ‘98, heiße auch Annegret und kenne ebenfalls die Schwierigkeiten mit dem Namen.

    Vor allem in der Schule wurde sich über den Namen oft lustig gemacht. Leider gab es aber mehrere Annas und Annes in meiner Jahrgangsstufe, weswegen die Abkürzung keine Option war. Und das -gret wurde oft abgewandelt in Grete/Gräte (bzw. Fischgräte) was eine absolute Katastrophe für mich war. Dies führte dazu, dass ich zunächst keinen Spitznamen jeglicher Art haben wollte, da diese sich dann für mich immer anfühlte, als ob sich über mich lustig gemacht wird.

    Inzwischen hab ich mich sowohl an meinen Namen, als auch an meinen Spitznamen (Anne) gewöhnt. Meine älteren oder auch besseren Freunde nennen mich bei meinem vollem Namen und in der Uni oder bei nur kurzweiligen Begegnungen stelle ich mich zumeist mit Anne vor, was aber vor allem daran liegt, dass sich die meisten diesen Namen schneller merken können.

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  13. Ich kenne auch eine Annegret, die sich sogar auf ihrer Visitenkarte als Anne „abkürzt“.
    Ich muss bei Annegret immer an eine total nette Arzthelferin denken, bei der Blutabnahmen mal kein Horror waren, darum habe ich sehr positive Assoziationen zu diesem Namen.

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