Dietrich oder Frederick – umbenannte Helden

Ich weiß ja nicht, wie das bei Ihnen ist – aber ich war mal ein großer Fan von Enid Blytons „Geheimnis um …“-Serie. Geheimnis um ein Haus im Wald, Geheimnis um eine siamesische Katze und so weiter. Die Namen der Kinder, die dem Dorfpolizisten Wegda immer wieder eine lange Nase zeigen, haben sich mir fest eingeprägt: Rolf alias Rudolf, Philipp, der stets Flipp genannt wird, Gina/Regine, Betti/Elisabeth – und allen voran der etwas eingebildete Meister der Maskierung Dietrich Ingbert Carl Kronstein, von seinen Freunden nach seinen Initialen Dicki genannt. Dass die Namen eher ältlich waren – kein Wunder, der erste Band erschien im Original 1943, auf deutsch 1953 –, trübte mein Lesevergnügen in keiner Weise. Ich glaube sogar, es fiel mir gar nicht auf.


Aber jetzt: Vor 13 Jahren, so Wikipedia, wurden die Bände neu übersetzt. Die Dialoge wurden modernisiert, was ich nicht immer gelungen finde. Vor allem aber sind die Namen neu: Rolf heißt jetzt Larry (Laurence), Gina Daisy, aus Flipp wurde Pip, aus Betti Betsy. Und aus Dietrich: Frederick Algernon Trotteville, der aber dennoch nicht etwa Fatty, sondern weiter Dicky gerufen wird. Für mich brachte das einige Unbequemlichkeit mit sich. Ich hatte nämlich angefangen, meiner Tochter diese Serie mit Bänden aus den 70ern nahezubringen. Fehlende Abenteuer kam dann in der Neuausgabe dazu. Ich habe ja getreulich versucht, die neuen beim Vorlesen durch die vertrauten Namen zu ersetzen, mich aber doch oft vertan. „Mama, wer ist Larry?!“

Ich finde: So etwas muss nicht sein. Na gut, die Namen waren nicht aus der Luft gegriffen – auch wenn Frederick (zuletzt als Frederik/Frederic auf Platz 112) heute sehr viel moderner anmutet als Dietrich, handelt es sich bei den „neuen“ doch weitgehend um Blytons englische Originalnamen. Aber muss man bei Figuren, die generationenübergreifend geliebt werden und vielleicht wirklich noch aus dem Fundus der Eltern im Regal stehen, derartige Facelifts vornehmen? Der Rest ändert sich schließlich auch nicht – Frederick und Konsorten laufen nicht plötzlich mit Smartphones herum und recherchieren im Internet.

Ein weiterer Fall, in dem frei heraus umgetauft wurde, fällt mir ein. Bestimmt gibt es aber noch einige mehr. Wohl alle Kinder, vor allem aber die Mädchen, kennen heute Conni Klawitter. 1992 begann sie ihre Karriere mit „Conni kommt in den Kindergarten“. Diverse Pixi- und richtige Bücher sowie Hörspiele begleiten Conni seither beim Aufwachsen. Ihr (auch längst nicht mehr hipper) Name, der von der Tochter der Autorin inspiriert wurde, blieb zwar immer gleich – wäre ja auch schwierig, bei einer Titelheldin. Aber in ihrem Umfeld gab es Änderungen. Erwischt man also auf dem Flohmarkt eine ältere Conni-Cassette, heißt Connis beste Freundin Judith (2012 Platz 315) – auf neueren Cassetten dagegen Julia: Platz 29 und als Klassiker eine sichere Bank. Die Kleinen werden’s schon nicht merken?

9 Gedanken zu „Dietrich oder Frederick – umbenannte Helden“

  1. Mal gucken, wann Benjamin Blümchens Freund „Otto“ umbenannt wird. *kopfschüttel*

    Ich finde Änderungen in Büchern grundsätzlich unmöglich. Klar, die Rechtschreibung sollte angepasst werden, aber sonst sollten sie doch bitte unangetastet bleiben. Schließlich spiegeln die vorherrschenden Namen, Bezeichnungen (z.B. „Neger“) und der gesamte Hintergrund der Geschichten die Entstehungszeit wider. Deswegen hat mich auch schon die „Neger-Diskussion“ von Familienministerin Schröder so aufgeregt.

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  2. Enid Blytons „Geheimnis um …“-Serie habe ich nicht gesehen, aber an die Pixibücher rund um Conni Klawitter kann ich mich noch erinnern – die las ich meiner kleinen Cousine vor. An Connis beste Freundin Judith erinnere ich mich grob; für mich ist es nicht nachvollziehbar, warum sie neuerdings Julia heißen muss…
    Ob ein Name bekannt oder zunächst unbekannt für Kinder ist, spielt doch überhaupt keine Rolle. Als ich klein war und von „Max und Moritz“ oder „Heidi“ u.a. hörte/las, gab es in meinem Umfeld kein Kind, das so hieß. Das hat aber nicht dazu geführt, dass ich mich nicht oder weniger gut mit ihnen identifizieren konnte oder die Geschichte mit größerer Distanz betrachtet habe. Durch die Identifikation mit einem Romanhelden/einer Romanheldin wird dessen/deren Name vertrauter: die Romanfigur macht den Namen!
    Als ich vor einiger Zeit gelesen habe, dass der Name des Protagonisten aus „Michel aus Lönneberga“ im Deutschen von Emil in Michel geändert worden ist, um Verwechslungen mit der Kinderbuchfigur Emil Tischbein aus „Emil und die Detektive“ und „Emil und die drei Zwillinge“ von Erich Kästner zu vermeiden, hat mich das sehr gestört.
    Ich bin der Meinung, dass die Namen von Romanhelden, Filmfiguren etc. in Übersetzungen originalgetreu wiedergegeben werden sollten oder (bei zu großen sprachlichen Unterschieden) zumindest die „landestypische“ Version des Namens genommen werden sollte. Allerdings würde mich es auch stören, wenn „Michel aus Lönneberga“ jetzt plötzlich in „Emil aus Lönneberga“ umgetauft würde. Also ich finde auch, dass „Figuren, die generationenübergreifend geliebt werden“ nicht plötzlich umbenannt werden sollten!

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  3. Ich finde, der Übersetzer hat das Recht (und teilweise sogar die Pflicht), die Namen der Figuren anzupassen. Und weil Emil von Kästner so eine starke Figur ist, finde ich die Wahl Michel aus Lönneberga sehr gut.

    Neuübersetzer und Bearbeiter sollten sich allerdings an die Namen ihrer Vorgänger halten, gerade auch bei Nebenfiguren. Warum Krege bei Herr der Ringe die Namen Gerstenmann Butterblume, Hinz und Kunz (einfach Klasse!) oder die verschiedener Hobbitfamilien abändern musste, verstehe ich wirklich nicht. Da bleibe ich lieber bei der alten Übersetzung, die es in diesem Fall zum Glück auch weiterhin gibt.

    (Ausnahmen gibt es, wenn der Erstübersetzer total danebengreift; so war die erste deutsche Asterix-Adaption ein sehr seltsamer Comic mit dem Titel Siggi und Babarras … einfach gruselig und sehr deutschtümelnd)

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  4. Ich habe die „Geheimnis um…“-Bücher geliebt und mir ging es wie Dir, die alten Namen haben mich kein bisschen gestört, zumal ja auch die Bücher alt waren. Das war mir irgendwie schon klar, dass die in einer anderen Zeit spielen. Und da passen dann die Namen auch. Das wird ja auch unverändert sein, oder haben die in der Neuausgabe jetzt auch schon Smartphones? 😉
    Sehr schade… da muss ich mal suchen, ob die alten Bücher noch aufzutreiben sind!

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  5. Ooooh ja, von wegen „die Kleinen merken das doch nicht“. Was hat es mich als Kind gestört, ja wirklich, dass die Zugehfrau des guten Meister Eder in den Pumuckl-Hörspielen mal Frau Rettinger, mal Frau Eichinger heißt und dennoch die immer gleiche Person gemeint ist.

    Heute stört es mich noch gleichermaßen. Warum muss man die Namen von Protagonisten verändern, warum? Der/die Autor/in hat sich doch was dabei gedacht. Ja gut, mancher Wortwitz bzw. manche Geheimnisenthüllung funktioniert vielleicht sonst nicht mehr, sh. Lord Voldemort, der natürlich auf Englisch sein Geheimnis anders darlegt als auf Deutsch. (I am Lord Voldemort / …ist Lord Voldemort). Warum man aber Hermione Granger das O stehlen und sie zur altmodischen Hermine machen musste…?

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    • Ich bin auch nicht der Meinung, dass man Namen in Büchern ändern sollte bzw. eingedeutscht werden, leider passiert das in Kinderbüchern ganz oft, stellenweise auch in Büchern für Erwachsene.

      In einer Fantasyreihe von Nalini Singh heißt ein Protagonist „Venom“, was die Übersetzerin anfangs mit „Schlangengift“ übersetzt hat. Total bescheuert, ja, der Name ist ungewöhnlich, aber Leah nenne ich ja auch nicht plötzlich „Wildkuh“. Gott sei dank, lies sie in den anderen Büchern davon ab.

      Was ich auch schon erlebt habe, ist die plötzliche Änderung eines Namens. Drei Bücher lang hieß das Baby Louisa, im letzten Band Martha, wobei ich dies für einen Schnitzer der Autorin und nicht der Übersetzerin halte.

      Allerdings heißen „Hanni und Nanni“ im Orginal eigentlich Patrica und Isobel. Für mich bleiben die beiden Mädchen aus eine meiner Lieblingskinderbuchreihe immer Hanni und Nanni

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