Wie die Kinder des Namenforschers Jürgen Gerhards heißen

Tanjev Schultz hat für die Süddeutsche Zeitung den bekannten Vornamenforscher Professor Jürgen Gerhards interviewt.


Gerhards erläutert im Interview, dass die Individualisierung und damit die Vielfalt der Namen zugenommen habe. Es gäbe aber Grenzen:

Zwar ist es unangenehm, wenn in der gleichen Schulklasse fünf Kinder Lukas oder Niklas heißen. Aber vor völlig exotischen Namen schrecken Eltern ebenfalls zurück. Wenn ich Agamemnon heiße, bin ich zwar hochgradig individualisiert, laufe aber Gefahr, gehänselt zu werden. Deshalb versuchen Eltern, zwei Prinzipien unter einen Hut zu bringen: einerseits in dem breiten Flussbett der akzeptierten Namen mitzuschwimmen, andererseits nicht in der Mitte des Modestroms zu schwimmen. Sonst ärgern sie sich am Ende vielleicht, weil ihr Sohn genauso heißt wie der Nachbarsjunge.

Weitere Themen, zu denen der Soziologe Stellung nimmt:

  • Milieu-Unterschiede bei der Wahl des Vornamens
  • Vornamen als Indikator für sozialen Wandel
  • phonetische Attraktivität statt Nationalismus
  • Integrationserfolge und Abschottungstendenzen

Außerdem hat sein Forschungsteam junge Eltern nach den Motiven ihrer Namensentscheidung gefragt:

„Der Name gefällt mir gut“, „es klingt schön“ – das sind die Standardantworten. Weshalb ihnen der Name aber gefällt, können die wenigsten sagen. Es sind Entscheidungen, die wirken, als seien sie aus dem Bauch heraus gefällt worden. Aber ganz so spontan und individuell werden sie eben doch nicht getroffen. Jeder glaubt, er habe eigenständig entschieden, aber es gibt dieses Flussbett des gesellschaftlich Akzeptierten, in dem sich alle bewegen. Die Namenswahl erscheint wie eine private, fast intime Angelegenheit. Sie ist aber doch in hohem Maße sozial strukturiert.

Interessant auch, was Gerhards zur Verbreitung internationaler Vornamen herausgefunden hat. So sieht er eine Rangfolge der Reputationen verschiedener Kulturen. Entscheidende Kriterien seien die wirtschaftliche Stärke der Herkunftsländer der Namen und die kulturelle Ähnlichkeit. Die Namen des wirtschaftlich starken, aber kulturell fernen Japan würden sich darum in Deutschland nicht etablieren.

Seine eigenen Kinder hat der Wissenschaftler Niklas und Hannah genannt. Exotische Namen kämen für ihn auf keinen Fall in Frage, trotzdem würde er heute vielleicht andere Namen auswählen:

Es gibt aber ein paar Namen, die weniger stark Modezyklen unterliegen, die also überzeitlich sind. Christian zum Beispiel. Vielleicht würde ich eher so einen Namen aussuchen. Etwas, was nicht trendy ist, aber auch nicht altmodisch.

1 Gedanke zu „Wie die Kinder des Namenforschers Jürgen Gerhards heißen“

  1. Auch Niklas und Hannah empfinde ich aber nicht allzu sehr als Modenamen, ich kenne Namensträger in unterschiedlichem Alter und die Namen sind ja auch nicht ganz neu, sondern waren schon mal modern, was sie mMn weniger modenamig macht.

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