Merle hat jetzt Abi

Aus der Generation der um 2000 herum Geborenen kenne ich kaum jemanden. So war ich neulich ziemlich verblüfft, als ich eine Abiturientenliste aus unserem Nachbarstädtchen Bargteheide durchgesehen habe: Von 78 Schülerinnen – die Jungs habe ich nicht gezählt – trugen ganze sechs den Namen Merle. Mir war nicht bewusst, dass der mal soo häufig war (aktuell steht Merle in Deutschland auf Platz 58).


Kein anderer Mädchenname taucht in der Liste auch nur annähernd so oft auf. 1998, im mutmaßlichen Geburtsjahrgang der Abiturienten, waren Anna und Jan die Spitzenreiter. Abi gemacht haben in dem Bargteheider Gymnasium nun aber nur eine Anna, komplett Anna-Lena, und zwei Jans, einer davon ein Jan-Ole. Was dafür spricht, dass die häufigsten Namen schon damals längst nicht mehr so häufig waren wie in meiner Generation in den frühen 70ern. Der einzige Name, der sonst noch öfter als zweimal vertreten ist, ist Jannik, 1998 auf Platz 13: einmal Jannik, dreimal Yannick geschrieben (nach Yannick Noah?). Je einen Ben und eine Emma gibt es übrigens auch.

Merle stand 1998 auf Platz 32. Doch es ging noch besser: 2002 erreichte Merle Platz 16 der deutschen Namenscharts. Wie es zur Bargteheider Ballung kommen konnte, ob der Name womöglich gar im Familien mit, hm … Abiturpotenzial häufiger ist, wird kaum zu klären sein. Vermutlich spielt der Nord-Faktor mit: Zumindest aktuell ist Merle in den norddeutschen Bundesländern populärer (Platz 32) als im Rest der Republik. Dabei handelt es sich, anders als etwa bei Mette, Meret oder Meike, nicht um einen nordischen Namen im eigentlichen Sinne: Merle hat englische, französische und lateinische Wurzeln.

Amsel © lffile - fotolia.com
Amsel © lffile – fotolia.com

Der englische Name Merle leitet sich vom lateinischen Merula ab, „Turdus merula“ ist die lateinische Bezeichnung für die Amsel. Auch im Französischen steht das Wörtchen für den bekannten schwarzen Singvogel mit dem gelben Schnabel. Daneben ist eine zweite Herleitung im Umlauf: vom irischen Namen Muriel, der seinerseits eine Form von „Muirgel“ ist und helles oder strahlendes Meer bedeutet – was natürlich wunderbar in unser meerumschlungenes Schleswig-Holstein passen würde.

Bekannt wurde der Name hierzulande in den 30er Jahren durch die britische Schauspielerin Merle Oberon (eigentlich Estelle Merle O‘ Brien Thompson). Seit Mitte der 80er kommt Merle regelmäßig in den Geburtsmeldungen deutscher Standesämter vor. Und, Überraschung: Merle kann auch ein Männername sein, Vertreter gibt es vor allem in den USA. Merle Robbins, Inhaber eines Friseursalons in Milford/Ohio, erfand das Kartenspiels Uno, das 1971 auf den Markt kam.

34 Gedanken zu „Merle hat jetzt Abi“

  1. Merle Travis, US-Countrysänger, 1917-1983 fällt mir auch noch ein.

    Merle gibt’s in unseren Breiten so gut wie gar nicht, mir ist der Name bisher nur „indirekt“ und unter norddeutschen „Vorzeichen“ untergekommen.
    Interessant wäre aber, woher das plötzliche Interesse an diesem Namen so um das Jahr 2000 herum kam.

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  2. Dabei handelt es sich, anders als etwa bei Mette, Meret oder Meike, nicht um einen nordischen Namen im eigentlichen Sinne: Merle hat englische, französische und lateinische Wurzeln.

    Mag sein, aber er klingt halt norddeutsch (und nicht etwa schwäbisch wegen des -le 😉 ) – das spielt sicher eine Rolle.

    Den Namen Merle habe ich im Jahre 2002 zum erstenmal überhaupt gehört. Die Frau dürfte heute Ende dreißig sein und war in der Gegend südlich von Hannover (Leinebergland) geboren und verwurzelt, also so am alleräußersten Südrand Norddeutschlands…

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  3. Solche lokalen Besonderheiten sind gar nicht so selten. In einer anderen schleswig-holsteinischen Stadt war vor einigen Jahren Kjell einer der häufigsten Jungennamen. Die Eltern dachten vermutlich alle, dass ihnen ein ganz seltener Name eingefallen war 🙂

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    • In der niederbayerischen Realschulklasse meiner Nichte (Geburtsjahrgang 1993/94) gab es damals drei Mitschülerinnen namens Saskia. Die Gründe für diese Häufung kann ich bis heute nicht nachvollziehen. Da dachten die Eltern sicher auch, sie hätten einen besonders ausgefallenen Namen gewählt….

    • Ich kenne auch ein paar Beispiele für diese Lokalmoden: etwa dreimal Michel (/miSCHELL/) in einem kleinen Ort im südlichen Niedersachsen in einem Jahrgang der frühen 70er.

      Es dürfte aber gerade nicht um das Quasi-Wunder gehen, daß da drei Frauen gleichzeitig meinen, etwas besonders Originelles gefunden zu haben – sondern vielmehr um die gerade in ruraleren und provinzielleren Milieus ausgeprägte Tendenz, das zu machen, was die Nachbarn / die Freundinnen auch machen. Eine macht’s halt der anderen nach.

      Vermutlich erklären sich auch einige dieser „traditionellen friesischen Namen“ so: die Lehrersfrau hat irgendwo gelesen oder bei einem Vortragsabend gehört, daß das „friesisch“ sei und nennt ihr Gör so. Die Klempnersfrau macht das dann auch. Und schon ist es wieder „traditionell“. 😉

    • Der Name SASKIA ist mir seit langem geläufig als Strumpfhosenfarbe, gab’s schon in den 70ern, deswegen kenne ich diesen Namen schon ewig, ohne dass ich ihn deswegen vergeben würde. Aber vielleicht sind dadurch ein paar Namens-Fans generiert worden. 🙂
      Außerdem gibt’s die Schauspielerin Saskia Vester, die ab Mitte/Ende der 80er bekannt wurde. Das würde die Häufung Anfang der 90er vielleicht mit erklären.
      http://www.beliebte-vornamen.de/5715-saskia.htm

      ich glaub die Strümpfe waren immer von nur-die, ich schau mal, ob’s die noch gibt…tatsächlich, soll echt keine Schleichwerbung sein:

      https://www.socken-und-mehr.de/Nur-Die-Supersitz-Color-Feinstrumpfhose-saskia-36-40?sum=gb&gclid=CLD8_YXstM4CFcsV0wodsgkCXQ

    • Hö, ich empfinde Saskia als zwar nicht notorischen, aber auch nicht außergewöhnlich seltenen Vornamen. Würde ich vage mit der Generation Y und vielleicht ein bißchen mit Kevinismus in Verbindung bringen.

  4. Ich kannte den Namen schon als Kind, ein Mädchen in einem (deutschen) Buch hieß so. Ich kann nicht sagen, wie alt das Buch zu dem Zeitpunkt schon war. Merles beste Freundin hieß Ulla, klingt ja eher ältlich …
    Inzwischen ist es für mich ein Katzenname, bei meiner Tante läuft eine maunzende Merle herum, sie hat den Namen aber nicht ausgesucht.

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    • Merles beste Freundin hieß Ulla, klingt ja eher ältlich …

      Ulla ist für mich untrennbar mit der Ulla Winblad aus den Bellman-Liedern verbunden… Sie ist also möglicherweise ältlich, aber sozusagen auch zeitlos. 😉

    • Katzen fressen auch Mäuse und trotzdem kenn ich mindestens zwei Menschen die ihre Katze Maus oder Mäuschen nennen.
      Seh also kein Hindernis für Amsel/Merle 😉

  5. Meine Nichte (wird im Novermber drei) heißt Merle. Sonst kenne ich niemanden, der so heißt, weder jung noch alt.
    Wir wohnen im westlichen Rhein-Main-Gebiet, also schon recht südlich auf Gesamtdeutschland bezogen. Deswegen ist der Name hier wohl nicht ganz so populär, wie weiter nördlich.
    Unbekannt war mir der Name nicht, jedoch hörte sich der Name für mich vor meiner Nichte auch eher nach Katzenname an -jetzt ist das natürlich anders 😉

    Merle gibt es übrigens auch als Nachnamen.

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  6. Ich verbinde den Namen mit der Schauspielerin Merle Oberon und mochte ihn immer gerne!

    Gestern musste ich übrigens herzhaft lachen, als ich mit meiner Tochter eine „Lotta“ Geschichte von Astrid Lindgren las. Lottas Geschwister heißen Jonas und Mia-Maria- jedenfalls in der deutschen Ausgabe. Die „Lotta“ Geschichten sind, glaube ich, im Zeitraum zwischen den sechziger und den neunziger Jahren erschienen. Vielleicht eine Beeinflussung von Namensvorlieben heutiger Eltern in der eigenen Kindheit!

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  7. Merle-

    Für mich ist das vor allem Country-Sänger Merle Haggard. Für alle Amerikaner, die sich ein bisschen mit Country auskennen, ist das sicher auch so.

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  8. Ich überlege gerade: Gibt es noch andere „harmlose“ Vögel als Namens-Paten?

    Also eben keine Raubvögel wie Falke oder Adler als Nachnamen? (Das türkische Sahin heißt, glaube ich, auch Falke.)

    Das Pseudonym Loriot ist im Französischen ein Vogelname: der Pirol.

    Bei Linus habe ich (als beigeisterter Linuxer) sofort diesen albernen Linux-Pinguin vor Augen. Das ist aber natürlich keine Ableitung…

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    • Anstatt die Meike, die Meise–Meise, das wird jetzt ein neuer Modename, weil er weicher klingt als Meike…

      :mrgreen:

      Und anstelle von Falk jetzt Feige, oder was?

      Milano statt Milan, das klingt auch nicht so schauderhaft nach Ex-Yu-Ganove.

      Spatzel und Täuberl als Unisex-Vornamen.

      Und wie wär’s mit Star? Sehr beziehungsreich…

      😉

    • Und im Plattdeutschen meiner alten Heimat:

      Heeste = Elster

      Heeste wäre also doch wirklich mal eine Idee für einen Reetdach-Girlie-Vornamen! Elstern gelten ja als sehr intelligent…

    • „Meise hat ’ne Meise“ das wäre ja vorprogrammiert, oder?! Man muss es ja nicht direkt herausfordern, auch wenn man letztendlich jeden Namen hänseln kann.

    • Schwalbe statt Charlotte.

      Okay, lautlich ist das schon ein bißchen gequält… 😉 Aber Schwalben sind so hübsche Vögel, daß sie es verdient hätten, als Namenspatron zu dienen. In Ostfrankreich (Lothrigen, nur dort?) gibt es einen hübschen Volks-Aberglauben: Auf einem Haus, an dem Schwalben nisten, ruht der Segen Gottes. 🙂

    • Den Volksglauben gibt’s öfters, ich erinnere mich an einen gestickten Spruch auf einem Sofakissen meiner Oma:
      Wo Schwalben nisten, wohnt das Glück!

      Aber Hirondella wäre doch ein hübscher Name (ich glaub nicht, dass es den wirklich gibt) – l’hirondelle heißt die Schwalbe auf französisch.
      Aber bei Schwalbe ist natürlich auch die Bordsteinschwalbe nicht weit…!

    • Bordsteinschwalbe mußte ich nachlagen… 😉

      Freut mich aber sehr, daß es diesen Volksglauben offenbar nicht nur in Frankreich gibt (mir hat das ein gebürtiger Lothringer erzählt, der heute in der Gegend von Paris lebt. Dessen Oma hat noch das deutsche Lothringisch-Platt geprochen.)! Ich bin mit Schwalben unter dem Dach aufgewachsen und fand sie halt immer einfach nett und hübsch. 🙂

      Mit großer Empörung habe ich dann vor einigen Jahren gehört, daß ein Hauskäufer an der Küste die Schwalbennester an seiner neuerworbenen Butze kaputtgemacht hat. 🙁 (Natürlich, weil ihn die Vogelscheiße gestört hat, aber was soll’s eigentlich?)

  9. Das kann nicht der 2000er Jahrgang sein, dann hätten die alle mit 16 Abitur gemacht.
    Der 2000er Jahrgang macht erst 2018 Abi.
    Jetzt waren die 1998er dran :“)

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