Henry oder Henri: Kleiner Prinz auf der Überholspur

Zwar heißen kleine Prinzen seit Neuestem eher George. Trotzdem: Henry und dem etwas selteneren Henri, beide für mich männlich und niedlich zugleich, haftet etwas Royales an. Vielleicht sorgt auch der Rummel um den britischen Prinzen Harry – eigentlich Henry –, der 1984 geboren wurde, mit dafür, dass der Name so gut ankommt? Jedenfalls steht Henry an der Spitze jener Namen, die 2013 am meisten an Beliebtheit zugelegt haben. Bundesweit erklomm Henry/Henri Platz 17, in Hamburg und Niedersachsen sogar Platz 5. Ich habe mit zwei Henry-Müttern und einem Henri-Papa gesprochen.


Der Vorreiter

Henry Nummer 1 wird 2014 in Hamburg eingeschult. Seine Mutter Johanna (33) hatte sich von Anfang an auf ihren Lieblingsnamen eingeschossen und diesen bereits in der Schwangerschaft Familie und Freunden verraten. „Wir wollten einen Anfangsbuchstaben, den es in der Familie noch nicht gab. Außerdem gefiel uns, dass Henry kurz und leicht auszusprechen ist.“ Die Schreibweise mit y fanden Johanna und Papa Christian (38) einfach schöner. Ihr Sohn hat keine weiteren Vornamen, dafür allerdings einen Spitznamen, den er sich selbst verpasst hat: Heni („Wir hätten nicht gedacht, dass man diesen Namen verändern kann“). Im direkten Umfeld der Familie gibt es keine Namensvettern. Der aktuelle Boom des Namens überrascht Johanna, stört sie aber nicht, da der Name im Jahrgang ihres Sohnes weniger häufig ist (Platz 48). Henrys kleine Schwester, die im März geboren wird, soll Mila heißen.

Henry kleiner Prinz

Der kleine Bruder

Der zweite Henry hat gerade seinen zweiten Geburtstag gefeiert und lebt mit Mama Anke (39), Papa Arne (42) und den Schwestern Mia (8) und Annika (fast 5) im Rheinland. Schon in der ersten Schwangerschaft war Henry der auserkorene Jungenname des Paars. „Eigentlich gefallen mir norddeutsche Namen am besten“, erzählt Anke. Ihr Mann mag es aber eher internationaler. Beide wollten einen kurzen Namen, der „zu einem Kind ebenso passt wie zu einem Erwachsenen“ und im Ausland gut verstanden wird.

„Sehr gradlinig, freundlich, einfach zeitlos“, so beschreibt Anke den Namen, den sie früher zudem „besonders“ fand. „Durch den aktuellen Henry-Boom geht das leider ein bisschen verloren.“ Ansonsten sind ihr die „zwei oder drei“ Henrys im Umfeld egal: „So hat Henry später wahrscheinlich nie das Problem, dass keiner seinen Namen kennt.“ Die Schreibweise Henri war ihrem Mann „zu französisch“. Auf einen Zweitnamen konnte sich das Paar nicht einigen – anders als bei den Töchtern. „Vielleicht sind wir mit der Zeit auch einfach pragmatischer geworden.“

Das Regenbogenkind

„Zu französisch“ gab es bei Henri, neun Monate alt, nicht: Ein Großteil seiner Familie stammt aus Frankreich. Die Schreibweise stand deshalb fest, seine Eltern sprechen den Namen aber deutsch. Etwas komplizierter gestaltete sich die Auswahl des Namens. Denn Henri hat eine Regenbogenfamilie: zwei Mütter und zwei Väter. „Wir haben lange diskutiert“, erinnert sich Peter (45), der mit seinem Partner in Hamburg lebt. „Immer hatte eine oder einer einen Einwand, weil irgendein Schulfreund, Nachbar oder Haustier so hieß.“ Letztlich einigte man sich auf Henri, Luc, Louis und Josh und entschied nach der Geburt. Dass Henri immer beliebter wird, stört Peter allerdings schon etwas: „Dabei hatte ich extra auf die Liste der beliebtesten Vornamen geschaut …“

Ihm hätte auch Peer gut gefallen, was jedoch nicht in Frage kam, weil es sich auf Französisch wie „Père“, Vater, anhört. Obwohl er „eigentlich immer gegen englische Namen“ war, schafften es einige auf die Liste, weil sein Sohn in den USA geboren wurde: „Damit passte das irgendwie.“ Henri trägt einen Zweitnamen: Christian, nach einem kürzlich verstorbenen Großvater. Die Reaktionen ausgerechnet aus der französischen Familie waren eher verhalten: „Henri gilt in Frankreich wohl als etwas altbacken und löst starke royale Assoziationen aus.“

11 Gedanken zu „Henry oder Henri: Kleiner Prinz auf der Überholspur“

  1. Henry ist nicht so ganz mein Fall (aber geht noch und objektiv natürlich gut vergebbar).
    In meiner Region heißen eher Männer über 30 so. Der jüngste Henry, den ich kenne, ist jetzt 16.

    Für mich daher gar nicht sooo modern.
    Heinrich ist moderner.

    Wenke

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  2. Ich kannte einen Henry, war ein Lehrer von mir, geboren vermutlich Ende der 60er Jahre. Insofern ist der Name für mein Gefühl nicht neumodisch oder exotisch.
    Ha, und mir fällt erst jetzt auf, dass der Sohn dieses Lehrers (geboren 2003 oder so) Tilman Heinrich heißt, wie er damals erzählte. Der zweite Name war also nach dem Papa.

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  3. Mein Fall ist Henry nicht. Ich denke, es liegt an dem i-Laut am Ende – den mag ich bei Männernamen nicht, das klingt mir zu süßlich/kindlich. Ich kenne auch nur einen Henry in meinem Umkreis, der ist jetzt Ende 20.

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    • Mir geht es ähnlich. Ich mag Henry/Henri aufgrund der Buchstabenfolge ry/ri nicht so gern – ist mir vielleicht auch zu süßlich. Das stört mich auch bei Adrian oder Juri.

  4. Finde es lustig, dass der franzoesische Familienteil den Namen Henri nicht so toll fand. Das geht bei uns auch so. Meine Frau, z.B., findet die Namen Jonas, Elias, und Florian unheimlich altbacken oder zu „rein biblisch,“ weil solche Namen entweder total altmodisch in Rumänien sind oder nur in der Bibel, aber nicht im wirklichen Leben, vorkommen. Mit Victoria assoziiert sie „eine alte dicke Frau in einem abgelegenen Dorf.“ Namen wie Hildegard und Wilhelmina findet sie aber „exotisch“ und „wunderschoen,“ ganz ohne Vorurteil, weil sie die noch nie zuvor gehoert hat.

    In Deutschland ist jetzt Henri/Henry angesagt, aber in Frankreich ist der total passé; in den USA ist Henry nicht so häufig aber schon wieder so ein bisschen im Kommen, glaube ich.

    Ich selber finde den Namen nicht schlecht, aber die heutige Neigung, moeglichst „internationale“ Name zu vergeben finde ich nicht so gut. Lieber die eigene Kultur weiterpflegen und erhalten ist mehr meine Ausrichtung.

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    • Die Assoziation Deiner Frau zu Victoria überrascht mich am meisten. Interessant, dass der Name in Rumänien nicht so häufig ist. Aber in den USA ist er doch geläufig, oder?

    • Die Assoziation zu Victoria, die meine Frau hat, fand ich auch erstaunlich–aber das ist eben mit verschiedenen Kulturen. Was in einem Land gerade schick ist, ist im anderen total abgesagt.

      In Rumänien sind viele der klassischen lateinischen Namen sehr traditionell und warden daher mit der älteren Generation verbunden. Bei uns ist es eher so, das solche klassischen Namen gerade modisch sind. In Deutschland klingt Victoria eher erhaben-koeniglich, dank Queen Victoria und Kronprinzessing Victoria von Schweden. In Rumänien wuchsen die jüngeren Generationen mit Großmüttern auf, die oft Victoria hießen–deshalb hat dieser Name dort ein ganz anderes Image als bei uns, ähnlich wie beim Imageunterschied von Henri in Frankreich vs. Deutschland.

      In den USA waren Victorias immer Vickies, und deshalb hat der Name hier auch nicht so eine elegante Aura gehabt. Jetzt kommt er, glaube ich, so ein bisschen wieder, obwohl ich da nicht die Statistiken gecheckt habe–aber es gibt auch hier so einen ganz milden Retrotrend, weniger ausgeprägt als in Deutschland, und so denke ich, Victoria ohne Kurzform Vicky hat vielleicht eine Chance, jetzt.

    • Habe die amerikanischen Statistiken fuer Victoria gecheckt. Der Name wurde ab den fruehen 1980er Jahre wieder beliebter, nachdem er von 1977 bis 1981 aus den Top 100 gefallen war. 1998 und 1999 erreichte der Name dann sein hoch mit #16 in den Charts, und ist seitdem auf einem langsam absteigenden Ast–2012 war er #28; das heisst, der Name ist zur Zeit noch recht beliebt.

    • Tsk, tsk, tsk,

      ich fürchte die ersten beiden Assoziationen bei Victoria im heutigen Deutschland sind Victoria Beckham (Es-Spice Girl und Fussballerfrau mit Modelkarriere) und die Kleidermarke „Victoria Secret“.

      Das victorianische Zeitalter verblasst dahinter sehr …

    • Vielen Dank für diese Einblicke in die rumänische Namensvergabe und Deine Recherchen für Victoria in den USA, Mark! Ich finde das total interessant. 🙂
      Ich verbinde mit Victoria in erster Linie die schwedische Kronprinzessin, aber tatsächlich auch Victoria Beckham und Victoria’s Secret. Ich finde aber, dass die Wirkung Victorias schon sehr durch das Viktorianische Zeitalter geprägt wurde.

  5. In den Beispielen „Der kleine Bruder“ und „Das Regenbogenkind“ fand ich es schon witzig zu sehen, wie die Vornamen der Kinder denen der Eltern ähneln.
    Zu „Der kleine Bruder“: Bei Mama Anke und Tochter Annika ist die Ähnlichkeit der Namen unübersehbar. Mia ist klanglich auch recht nah an Annika, aber weniger nah an Anke dran. Die Namen von Papa Arne und Sohn Henry weisen durch drei gemeinsame Buchstaben bei gleicher Silbenanzahl auch eine gewisse Ähnlichkeit auf.
    Zu „Das Regenbogenkind“: Dass Peter der Name Peer gefällt, spricht Bände…. Henri weist aber auch einige Parallelen zu Peter auf (zweisilbig; zwei helle Vokale; insgesamt zwei gleiche Buchstaben).

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