Oma kann sich nur darüber wundern

Als meine Eltern ihr Enkelkind das erste Mal zum Kinderturnen begleiteten, waren sie doch einigermaßen verwundert. Und zwar über die Namen: Paula, Ida, Greta, Frieda, Emma – die volle Bandbreite der neuen alten Namen brach mit Wucht über sie herein. „So hätten wir früher nie heißen wollen“, meint meine Mutter, die 1944 auf den Namen Karin (damals Platz 2) getauft wurde. Zwar habe es auch zu ihrer Zeit vereinzelt Kinder mit solchen Namen gegeben, diese seien aber bedauert worden.


Kinderturnen © kristall - Fotolia.com
Foto © kristall – Fotolia.com

Wenn meine Tochter dereinst bei der Benennung ihres Nachwuchses nach demselben Prinzip verfährt, heißt mein Enkel wohl Jörg. Oder Ute. Dagmar? Tendenzen sind schon jetzt erkennbar. Jedenfalls eine absolute Unvoreingenommenheit: „Ingeborg ist ein schöner Name, finde ich“, meinte sie neulich zu mir. Tja, selbst schuld, ich hätte ihr ja kein 60er-Jahre-Kinderbuch („Unsre Oma“ von Ilse Kleberger) vorzulesen brauchen. Da ich aber sehr gerne zum Vorleseklassiker greife, wird der Teil meines Gehirns, der für das Thema Namen zuständig ist, selbst bei kuscheligen Schmökerstunden ständig gekitzelt. Ist es zu fassen, dass die Kinder, mit denen Otfried Preußlers „Kleines Gespenst“ sich anfreundet, Herbert, Günther und Jutta heißen?! Dabei ist das bei Licht betrachtet völlig selbstverständlich. „Das kleine Gespenst“ spukt bereits seit 1966, zumindest Jutta und Günther standen in den zu den Kindern passenden Jahrgängen Mitte der 50er in den Top 20.

Irgendwie bemerke ich bei mir noch immer das Befremden, das ich jetzt bei meiner Tochter wiedertreffe, wenn wir alte Fotos anschauen: Wie – ihr wart auch mal kleine Kinder? So scheint es uns ein Bedürfnis zu sein, an Namen ein bestimmtes Lebensalter festzumachen, Wandel und Vergänglichkeit auszublenden. Immer wieder hört man in Namensdiskussionen: „Das kann ich mir nicht an einem Kind vorstellen.“ Oder konkreter: „Ich kann mir eine Leni als süße Kleine und mit weißem Haar vorstellen – aber nicht dazwischen.“ Oder: „Tim ist für mich ein Kindername.“ Ach ja? Wie wär’s mit ein bisschen mehr Flexibilität?

7 Gedanken zu „Oma kann sich nur darüber wundern“

  1. Ich bin auch für Flexibilität….aber bzgl. „So hätten wir früher nie heißen wollen.“: könnte ich mir nicht vorstellen, z.B. Heidemarie, Edeltraut, Hildegard, Sieglinde oder Brigitte zu heißen! Ich würde vermutlich bei Freunden meiner Enkelin genauso reagieren. Aber wer weiß, vielleicht habe ich in 25 oder 30 Jahren einen Enkel namens: Wilfried, Eberhard, Reinhardt oder Wolfgang… Bin zumindest froh, dass meine Eltern und Schwiegereltern auf ihre „alten“ Enkelnamen folgendermaßen reagiert haben: „Schön – die Namen sind ja jetzt wieder Mode.“ …so viel zur Felxibilität 😉 !

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  2. Tja, Namen sind und bleiben -trotz aller Moden und Beliebhteiten- eben immer Geschmacksssache : ) ! Und das in jeder Generation.

    Obwohl ich zugeben muss, dass auch ich mir bei bestimmten Namen nur schwerlich einen Erwachsnen vorstellen kann (z. B. wenn es allzu niedlich klingt); was aber vielliecht auch damit zusammenhängt, dass man eben keinen Erwachsenen kennt, der solch einen Namen trägt.

    Ansonsten vertrete ich die Meinung: Jeder soll den Namen für sein Kind wählen, der für ihn der schönste ist, egal, was andere darüber denken oder sagen mögen.

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    • Nein, jeder sollte für sein Kind einen Namen wählen, mit dem das Kind problemlos leben kann – denn das Kind muss ausbaden, was andere darüber denken. Und das kann bei einigen Namen ein jahrelanger Spießrutenlauf werden.

    • Ja, das stimmt schon. Aber dass ein Kind einen Namen bekommt, mit dem es sich überhaupt nicht leben ließe, kommt wahrscheinlich doch eher selten vor (da kann und sollte dann das Standesamt oder andere Institutionen wie die GfdS doch eingreifen).
      Auch wenn man selbst nie einen Namen wie z.B. Shakira-Cheyenne o.Ä. vergeben würde, ist er für die Eltern, die ihn ausgewählt haben eben DER Name. Andere finden vielleicht Namen wie Johann oder Helene ganz furchtbar.

      Wie gesagt, es ist eben Ansichtssache, was einem gefällt und das sollt man akzeptieren, wie ich finde.

  3. Nur woher willst du wissen, mit welchem Namen dein Kind „problemlos“ leben wird?
    Natürlich erregt eine Kunigunde erstmal Aufsehen im Gegensatz zu einer Marie. Aber nur bei den Erwachsenen. Kindern ist es egal, wie ihre kleinen Freunde heißen.
    Vielleicht ist Kunigunde soäter total stolz auf ihren außergewöhnlichen Vornamen und Marie wirft ihren Eltern vor, sich nicht genug Gedanken gemacht zu haben, einen langweiligen Allerweltnamen zu besitzen.
    Immerhin können Eltern ihrem Nachwuchs mehrere Vornamen zugestehen, dann besteht immerhin Wahlmöglichkeit.

    Wenke ist für sehr viele Menschen ein (extrem) außergewöhnlicher Name.
    Ich finde es toll!! Auch wenn ich oft „erklären“ muss.
    Bin heilfroh, nicht Nicole, Michaela oder Sandra zu heißen.

    Wenke

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    • Wenn es nach „problemlos“ geht, dann denke ich sofort an Schreibweise. Da wir aber mittlerweile in einer Multi-Kulti-Gesellschaft leben, kann es durchaus sein, dass man sich auch mit dem Namen Marie oder Kunigunde schwer tun wird, wenn am Amt eine Person aus zB: Süd-Ost-Asien sitzt. Alles eine Ansichtssache.

  4. Meiner 90jährige Oma rutschte zu der Namenswahl unseres Sohne (Justus) ein; „Ach, Gott! SO ein alter Name!“ raus. Da war ich mir sicher, dass die ihre alten Justusse inzwischen ausgestorben waren.
    Das er sich zu einem Modenamen entwickelt, war aber nicht geplant …

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