Sittenhold, Lasterfeind und weitere sinnreiche Namen

Gottlieb, Thurecht, Friedreich, Fleißmann, Ehregott, Wahrmund, Tugendfreund, Biedermann, Reinherz, Sittenhold, Winterjung, Lasterfeind, Freimännin, Keuschlebin, Stolzseindin, Glückmännin, Sommertochter, Frühlingskind, Edelherzin, Tugendbraut, Ehrentochter, Gartenkind, Treumädchen, Gottholdin


Keine Sorge, das ist keine Sonderausgabe der „Babynamen der Woche“! Vielmehr handelt es sich um Vornamen, die Friedrch Erhart in seinem Artikel „Versuch einiger Regeln bei der Benennung deutscher Kinder“ als Kindernamen vorschlägt. Grundsätzlich sollen Erhart zufolge nachdrückliche und sinnreiche Namen gewählt werden, die nicht nach der Bierschenke oder gar dem Schweinestall riechen.

Abbildung: Zeitschriften der Aufklärung
Abbildung: Zeitschriften der Aufklärung

Der Artikel stammt aus dem Jahr 1782, ein großer Einfluss auf die Namenmoden der nachfolgenden Generationen ist aber wohl nicht eingetreten. Mit seinen eigenen Vornamen „Jakob Friedrich“ würde der Autor des historischen Regelwerks heutzutage dagegen überhaupt nicht auffallen.

Vollständiger Artikel: Versuch einiger Regeln bei der Benennung deutscher Kinder

1 Gedanke zu „Sittenhold, Lasterfeind und weitere sinnreiche Namen“

  1. Sehr schöner Artikel!
    Ich habe in meiner Magisterarbeit zu pietistischen Namen gearbeitet und bin auch auf solche ‚Reformversuche‘ gestoßen.

    „Anders als bei den weiblichen Namen, sind im männlichen Namencorpus die pietistischen Namenformen häufig vertreten; gelangen sogar in die TopTen. Gottfried führt mit 244 Belegen, gefolgt von Gottlob (162) und Gottlieb (129), alle drei Formen mit dem gleichen Erstglied. Trotzdem möchte ich nicht davon ausgehen, dass der pietistische Geist in der männlichen Namengebung des 18. Jahrhunderts tonangebend ist, da die anderen Namenformen dieser These nicht entsprechen. Es trifft wohl eher zu, dass die drei Formen mit Gott- plus positiv konnotiertem Zweitglied schon ins traditionelle Namenrepertoire übergegangen sind und dem Namengeber (NG) als germanisch gebildete Namenformen, also als alte Namen erscheinen. Diese Annahme unterstützen die im Vergleich zu Gottfried, Gottlob und Gottlieb selten vergebenen Namen Gotthelf1 (20), Gotthard (2), Gotthold (2) und Gottvertrau (1). Sie müssen schon in dieser Zeit als zu transparent empfunden worden sein und wurden mit einer Ausnahme2, die noch zur Blütezeit des Pietismus in Leipzig (ab den 1690er Jahren) gerechnet werden kann, nicht als Erstnamen verwendet. So sind Gotthard und Gotthold jeweils als zweite Vornamen vorhanden3, letzterer ein Mal noch als dritter Vorname.4 Alle weiteren pietistischen VN5 sind sehr selten, ausgenommen Traugott (24) und Lebrecht (17). Mit den häufigsten Namen (Tab. 9) können sie aber nicht mithalten.“

    „Nach 1800 fing das Namengut an sich stark zu wandeln und neue Namen durchdrangen alle Schichten. Nachdem im 17. und 18. Jahrhundert Frankreich den Ton angab, so kamen die Moden in Kunst, Literatur, Architektur und auch der Vornamengebung nun bestimmend aus England. Die Gesellschaft begann sich zu wandeln, die Bevölkerung wuchs stetig. Vor allem die schnell wachsende Schicht der Arbeiter löste sich aus dem traditionellen Bild des 18. Jahrhunderts und die Namen werden „nicht nur zum Ausdruck einer gesellschaftlichen Zugehörigkeit als [auch] vielmehr zum Ausdruck eines sich herausbildenden persönlichen Selbstverständnisses [ausgewählt].1 In ihr kommen zunehmend persönliche Überzeugungen und Interessen zum Ausdruck,“2 die die Namengebungsweisen des vorigen Jahrhunderts zurück ließ.
    Vergleicht man den Namenschatz des 18. Jahrhunderts, wurde dieser zunehmend von konservativen und konventionellen Tendenzen beherrscht und ließ immer weniger Neuerungen zu.3 Dass wir in Leipzig eine solch homogene Schicht von Doppelnamen vorfinden liegt wohl auch daran, dass einerseits die soziale Struktur in der Stadt an der Pleiße eine andere war als zum Beispiel in Nürnberg. Denn „in Leipzig gab es keine geschlossene Patrizierschicht, die das Stadtregiment innehatte“4, sondern wurde von Kaufleuten geprägt, die auch fremde Namen in die Stadt brachten. Man denke nur an die französische Gemeinde, deren Gegenwart und Integration in der Messestadt die Beliebtheit von französischen Namen nur fördern konnte.“

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